Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.seiner selbst gebracht werde. bezeigte, so wurde er am Leben bestraft, eben alsob er sich an Gott selbst versündiget hätte. Zu den Zeiten unsers Heylandes, da die Jüden unter Römische Botmäßigkeit gekommen waren, hatte zwar das Ansehen des Hohenpriesters ziemlich abgenom- men, und es ereignete sich nicht selten, daß er durch die Römische Obrigkeit abgesetzt, und ein anderer an seine Stelle verordnet wurde; und daher kommt es, daß in den Schriften der Evangelisten oft meh- rerer Hohenpriester gedacht wird, weil der Abge- setzte auch den Titul beybehielt. Aber bey dem al- len stunden doch diese Personen noch immer in sehr großen Ansehen bey dem Volke. Unter den Ael- testen des Volkes werden die Beysitzer des höch- sten geistlichen Gerichts, Sanhedrin genannt, ver- standen. Diese angesehene Versammlung bestund aus ein und siebzig Männern, die sich durch eine vornehme Geburt, Gelehrsamkeit, und Gottes- furcht vor allen andern im Volke auszeichnen soll- ten. Sie wurden mehrentheils aus der Zahl der Priester und Leviten genommen. Die wichtigsten bürgerlichen und kirchlichen Angelegenheiten wurden ihnen zur Beurtheilung übergeben. Vornehmlich aber lag ihnen ob, über die Aufrechthaltung des mosaischen Gesetzes zu wachen, falsche Propheten zu bestrafen, bey entstandenen Zweifeln und Strei- tigkeiten den richtigen Sinn des Gesetzes zu bestim. men, und überhaupt in allen den Sachen, die vor niedern Gerichten nicht ausgemacht werden könnten, den letzten Ausspruch zu thun. Diese angesehene Personen, oder doch we- pel,
ſeiner ſelbſt gebracht werde. bezeigte, ſo wurde er am Leben beſtraft, eben alsob er ſich an Gott ſelbſt verſündiget hätte. Zu den Zeiten unſers Heylandes, da die Jüden unter Römiſche Botmäßigkeit gekommen waren, hatte zwar das Anſehen des Hohenprieſters ziemlich abgenom- men, und es ereignete ſich nicht ſelten, daß er durch die Römiſche Obrigkeit abgeſetzt, und ein anderer an ſeine Stelle verordnet wurde; und daher kommt es, daß in den Schriften der Evangeliſten oft meh- rerer Hohenprieſter gedacht wird, weil der Abge- ſetzte auch den Titul beybehielt. Aber bey dem al- len ſtunden doch dieſe Perſonen noch immer in ſehr großen Anſehen bey dem Volke. Unter den Ael- teſten des Volkes werden die Beyſitzer des höch- ſten geiſtlichen Gerichts, Sanhedrin genannt, ver- ſtanden. Dieſe angeſehene Verſammlung beſtund aus ein und ſiebzig Männern, die ſich durch eine vornehme Geburt, Gelehrſamkeit, und Gottes- furcht vor allen andern im Volke auszeichnen ſoll- ten. Sie wurden mehrentheils aus der Zahl der Prieſter und Leviten genommen. Die wichtigſten bürgerlichen und kirchlichen Angelegenheiten wurden ihnen zur Beurtheilung übergeben. Vornehmlich aber lag ihnen ob, über die Aufrechthaltung des moſaiſchen Geſetzes zu wachen, falſche Propheten zu beſtrafen, bey entſtandenen Zweifeln und Strei- tigkeiten den richtigen Sinn des Geſetzes zu beſtim. men, und überhaupt in allen den Sachen, die vor niedern Gerichten nicht ausgemacht werden könnten, den letzten Ausſpruch zu thun. Dieſe angeſehene Perſonen, oder doch we- pel,
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ſeiner ſelbſt gebracht werde.
bezeigte, ſo wurde er am Leben beſtraft, eben als
ob er ſich an Gott ſelbſt verſündiget hätte. Zu
den Zeiten unſers Heylandes, da die Jüden unter
Römiſche Botmäßigkeit gekommen waren, hatte zwar
das Anſehen des Hohenprieſters ziemlich abgenom-
men, und es ereignete ſich nicht ſelten, daß er durch
die Römiſche Obrigkeit abgeſetzt, und ein anderer
an ſeine Stelle verordnet wurde; und daher kommt
es, daß in den Schriften der Evangeliſten oft meh-
rerer Hohenprieſter gedacht wird, weil der Abge-
ſetzte auch den Titul beybehielt. Aber bey dem al-
len ſtunden doch dieſe Perſonen noch immer in ſehr
großen Anſehen bey dem Volke. Unter den Ael-
teſten des Volkes werden die Beyſitzer des höch-
ſten geiſtlichen Gerichts, Sanhedrin genannt, ver-
ſtanden. Dieſe angeſehene Verſammlung beſtund
aus ein und ſiebzig Männern, die ſich durch eine
vornehme Geburt, Gelehrſamkeit, und Gottes-
furcht vor allen andern im Volke auszeichnen ſoll-
ten. Sie wurden mehrentheils aus der Zahl der
Prieſter und Leviten genommen. Die wichtigſten
bürgerlichen und kirchlichen Angelegenheiten wurden
ihnen zur Beurtheilung übergeben. Vornehmlich
aber lag ihnen ob, über die Aufrechthaltung des
moſaiſchen Geſetzes zu wachen, falſche Propheten
zu beſtrafen, bey entſtandenen Zweifeln und Strei-
tigkeiten den richtigen Sinn des Geſetzes zu beſtim.
men, und überhaupt in allen den Sachen, die vor
niedern Gerichten nicht ausgemacht werden könnten,
den letzten Ausſpruch zu thun.
Dieſe angeſehene Perſonen, oder doch we-
nigſtens einige von ihnen, kamen einſt in den Tem-
pel,
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