demüthige Schüler von ihnen lernen müßen! Bey- nahe das einzige wahre Verdienst, welches auch der gröste Gottesgelehrte sich erwerben kan, ist dieses, daß er die Schriften dieser erleuchteten Männer richtig verstehen, und nach ihrem wahren Innhalte erklären lerne. Wie wenig Ursache haben wir auf diese Geschicklichkeit stolz zu seyn, wenn wir es auch darinnen noch so weit bringen!
Die Unvollkommenheit unserer gegenwärtigen Erkenntnis wird durch folgendes Gleichnis noch einleuchtender vorgestellt, da der Apostel unsere ietzigen Einsichten mit den Einsichten eines Kindes vergleicht. Da ich ein Kind war, redere ich wie ein Kind, und war klug (dachte) wie ein Kind und hatte kindische Anschläge. Da ich aber ein Mann ward, that ich ab, was kindisch war. So ist es mit uns, so lange wir hier in dieser Schwachheit leben. Wenn wir auch noch so viele Kenntniße besitzen, wenn wir auch die ganze Bi- bel verstehen, und noch außerdem die sorgfältig- sten Untersuchungen über göttliche Wahrheiten an- gestellt haben, so sind wir doch immer Anfänger, Kinder, die nach ihren Fähigkeiten urtheilen. Manche, die sich ietzt für sehr gelehrt halten, wer- den sich einst wundern, daß sie sich von manchen Sachen, sonderlich von himmlischen Dingen so kindische Begriffe gemacht, daß sie oft mit großer Hitze und Ernsthaftigkeit Meinungen verfochten, woran nichts gelegen war, und die auf unvoll- kommenen, kindischen Begriffen beruheten. Wir werden in ienem Leben von gar vielen Sachen ganz
anders
Siebzehnte Betr. Von den Urſachen,
demüthige Schüler von ihnen lernen müßen! Bey- nahe das einzige wahre Verdienſt, welches auch der gröſte Gottesgelehrte ſich erwerben kan, iſt dieſes, daß er die Schriften dieſer erleuchteten Männer richtig verſtehen, und nach ihrem wahren Innhalte erklären lerne. Wie wenig Urſache haben wir auf dieſe Geſchicklichkeit ſtolz zu ſeyn, wenn wir es auch darinnen noch ſo weit bringen!
Die Unvollkommenheit unſerer gegenwärtigen Erkenntnis wird durch folgendes Gleichnis noch einleuchtender vorgeſtellt, da der Apoſtel unſere ietzigen Einſichten mit den Einſichten eines Kindes vergleicht. Da ich ein Kind war, redere ich wie ein Kind, und war klug (dachte) wie ein Kind und hatte kindiſche Anſchläge. Da ich aber ein Mann ward, that ich ab, was kindiſch war. So iſt es mit uns, ſo lange wir hier in dieſer Schwachheit leben. Wenn wir auch noch ſo viele Kenntniße beſitzen, wenn wir auch die ganze Bi- bel verſtehen, und noch außerdem die ſorgfältig- ſten Unterſuchungen über göttliche Wahrheiten an- geſtellt haben, ſo ſind wir doch immer Anfänger, Kinder, die nach ihren Fähigkeiten urtheilen. Manche, die ſich ietzt für ſehr gelehrt halten, wer- den ſich einſt wundern, daß ſie ſich von manchen Sachen, ſonderlich von himmliſchen Dingen ſo kindiſche Begriffe gemacht, daß ſie oft mit großer Hitze und Ernſthaftigkeit Meinungen verfochten, woran nichts gelegen war, und die auf unvoll- kommenen, kindiſchen Begriffen beruheten. Wir werden in ienem Leben von gar vielen Sachen ganz
anders
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[260[258]/0270]
Siebzehnte Betr. Von den Urſachen,
demüthige Schüler von ihnen lernen müßen! Bey-
nahe das einzige wahre Verdienſt, welches auch
der gröſte Gottesgelehrte ſich erwerben kan, iſt
dieſes, daß er die Schriften dieſer erleuchteten
Männer richtig verſtehen, und nach ihrem wahren
Innhalte erklären lerne. Wie wenig Urſache haben
wir auf dieſe Geſchicklichkeit ſtolz zu ſeyn, wenn
wir es auch darinnen noch ſo weit bringen!
Die Unvollkommenheit unſerer gegenwärtigen
Erkenntnis wird durch folgendes Gleichnis noch
einleuchtender vorgeſtellt, da der Apoſtel unſere
ietzigen Einſichten mit den Einſichten eines Kindes
vergleicht. Da ich ein Kind war, redere ich wie
ein Kind, und war klug (dachte) wie ein Kind
und hatte kindiſche Anſchläge. Da ich aber ein
Mann ward, that ich ab, was kindiſch war.
So iſt es mit uns, ſo lange wir hier in dieſer
Schwachheit leben. Wenn wir auch noch ſo viele
Kenntniße beſitzen, wenn wir auch die ganze Bi-
bel verſtehen, und noch außerdem die ſorgfältig-
ſten Unterſuchungen über göttliche Wahrheiten an-
geſtellt haben, ſo ſind wir doch immer Anfänger,
Kinder, die nach ihren Fähigkeiten urtheilen.
Manche, die ſich ietzt für ſehr gelehrt halten, wer-
den ſich einſt wundern, daß ſie ſich von manchen
Sachen, ſonderlich von himmliſchen Dingen ſo
kindiſche Begriffe gemacht, daß ſie oft mit großer
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woran nichts gelegen war, und die auf unvoll-
kommenen, kindiſchen Begriffen beruheten. Wir
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 260[258]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/270>, abgerufen am 18.07.2024.
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