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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Allwißenheit Gottes.
der läst sich keine vernünftige Schöpfung denken.
Und da er in keinem Raum eingeschloßen werden
kann, da er vielmehr allen Dingen unmittelbar zu-
gegen ist, so muß er auch alles auf einmal überse-
hen; so muß er nicht nur das Wirkliche allein,
sondern auch das Mögliche und Zukünftige mit der
vollkommensten Deutlichkeit und Gewißheit erken-
nen. So kennt ihn die nachdenkende Vernunft;
Und so beschreibt ihn auch der heilige Dichter.
Wo soll ich hingehen vor deinem Geist? Und
wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht?

In welche Gegend des unermäßlichen Raumes soll
ich mich hinwenden, da mich dein unendlicher Ver-
stand nicht bemerken, dein Auge nicht entdecken
sollte? Führ ich gen Himmel; so bist du da.
Bettete ich mir in die Hölle; siehe, so bist du
auch da.
Wenn ich mich auch in die höchsten
Gegenden des Himmels empor schwingen, oder
mich in die tiefsten Abgründe der Erde hinunter-
senken könnte, so würdest du doch auch da seyn.
Nähme ich Flügel der Morgenröthe, und blie-
be am äußersten Meer; so würde mich doch
deine Hand daselbst führen, und deine Rechte
mich halten.
Könnte ich mit schnellem Flug die
äußersten Gegenden des Himmels erreichen, wo
die Morgenröthe erscheint, und wiederum mich an
den äußersten Gränzen der Abendgegenden der Er-
de niederlaßen, wo die Sonne untergeht, so wür-
dest du mir allenthalben so nahe seyn, als mir ein
Mensch ist, der mich mit der Hand faßet und er-
greifet. Spräche ich: Finsternis mögen mich
decken; so muß die Nacht auch Licht um mich

seyn.
P

Allwißenheit Gottes.
der läſt ſich keine vernünftige Schöpfung denken.
Und da er in keinem Raum eingeſchloßen werden
kann, da er vielmehr allen Dingen unmittelbar zu-
gegen iſt, ſo muß er auch alles auf einmal überſe-
hen; ſo muß er nicht nur das Wirkliche allein,
ſondern auch das Mögliche und Zukünftige mit der
vollkommenſten Deutlichkeit und Gewißheit erken-
nen. So kennt ihn die nachdenkende Vernunft;
Und ſo beſchreibt ihn auch der heilige Dichter.
Wo ſoll ich hingehen vor deinem Geiſt? Und
wo ſoll ich hinfliehen vor deinem Angeſicht?

In welche Gegend des unermäßlichen Raumes ſoll
ich mich hinwenden, da mich dein unendlicher Ver-
ſtand nicht bemerken, dein Auge nicht entdecken
ſollte? Führ ich gen Himmel; ſo biſt du da.
Bettete ich mir in die Hölle; ſiehe, ſo biſt du
auch da.
Wenn ich mich auch in die höchſten
Gegenden des Himmels empor ſchwingen, oder
mich in die tiefſten Abgründe der Erde hinunter-
ſenken könnte, ſo würdeſt du doch auch da ſeyn.
Nähme ich Flügel der Morgenröthe, und blie-
be am äußerſten Meer; ſo würde mich doch
deine Hand daſelbſt führen, und deine Rechte
mich halten.
Könnte ich mit ſchnellem Flug die
äußerſten Gegenden des Himmels erreichen, wo
die Morgenröthe erſcheint, und wiederum mich an
den äußerſten Gränzen der Abendgegenden der Er-
de niederlaßen, wo die Sonne untergeht, ſo wür-
deſt du mir allenthalben ſo nahe ſeyn, als mir ein
Menſch iſt, der mich mit der Hand faßet und er-
greifet. Spräche ich: Finſternis mögen mich
decken; ſo muß die Nacht auch Licht um mich

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[225/0237] Allwißenheit Gottes. der läſt ſich keine vernünftige Schöpfung denken. Und da er in keinem Raum eingeſchloßen werden kann, da er vielmehr allen Dingen unmittelbar zu- gegen iſt, ſo muß er auch alles auf einmal überſe- hen; ſo muß er nicht nur das Wirkliche allein, ſondern auch das Mögliche und Zukünftige mit der vollkommenſten Deutlichkeit und Gewißheit erken- nen. So kennt ihn die nachdenkende Vernunft; Und ſo beſchreibt ihn auch der heilige Dichter. Wo ſoll ich hingehen vor deinem Geiſt? Und wo ſoll ich hinfliehen vor deinem Angeſicht? In welche Gegend des unermäßlichen Raumes ſoll ich mich hinwenden, da mich dein unendlicher Ver- ſtand nicht bemerken, dein Auge nicht entdecken ſollte? Führ ich gen Himmel; ſo biſt du da. Bettete ich mir in die Hölle; ſiehe, ſo biſt du auch da. Wenn ich mich auch in die höchſten Gegenden des Himmels empor ſchwingen, oder mich in die tiefſten Abgründe der Erde hinunter- ſenken könnte, ſo würdeſt du doch auch da ſeyn. Nähme ich Flügel der Morgenröthe, und blie- be am äußerſten Meer; ſo würde mich doch deine Hand daſelbſt führen, und deine Rechte mich halten. Könnte ich mit ſchnellem Flug die äußerſten Gegenden des Himmels erreichen, wo die Morgenröthe erſcheint, und wiederum mich an den äußerſten Gränzen der Abendgegenden der Er- de niederlaßen, wo die Sonne untergeht, ſo wür- deſt du mir allenthalben ſo nahe ſeyn, als mir ein Menſch iſt, der mich mit der Hand faßet und er- greifet. Spräche ich: Finſternis mögen mich decken; ſo muß die Nacht auch Licht um mich ſeyn. P

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/237>, abgerufen am 24.11.2024.