Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Beherrschung uns. sündl. Begierden. derstehen, daß sie nicht in Worte und wirklicheThat ausbrechen können. Denn er wird sich gleich vorstellen: Solche Reden, und solche Handlun- gen schicken sich nicht für einen Verehrer und Freund des unschuldigen, besten Herrn, der mich zu sei- nem Eigenthum erkauft hat, und deßen Sinn ich annehmen muß, wenn ich ihm zugehören will. Das hieße seine großen Wohlthaten mit dem schänd- lichsten Undank vergelten, und mich seiner höch- sten Gnade völlig unwürdig machen, wenn ich die Sünden begehen wollte, die er so sehr haßet, und von welchen er mich mit seinem schmerz- haften Tode erlöset hat. Ich bin mit Christo gekreutziget. Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir, und ist mein herrschender Gedanke. Denn was ich ietzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Soh- nes Gottes, der mich geliebet, und sich selbst für mich dahin gegeben hat. Gal. 2, 19. 20. Ja, ein Christ betrachtet sich als einen solchen, der schon ietzt mit seinem Erlöser in das himmlische Wesen, oder in den Himmel versetzt worden ist. Eph. 2, 6. Wie sollte er sich durch verkehrte Be- gierden aufs neue an diese niedere Erde feßeln laßen? Gewiß, wenn ein Christ nur immer den Gedan- ken recht lebhaft bey sich erhält: Ich bin ein Bür- ger des Himmels -- so kan er nicht leicht aus seiner christlichen Faßung gebracht werden. Alles was ihn in Gefahr setzt, dieses große Vorrecht zu verlieren, betrachtet er als etwas schädliches, so angenehm es auch sonst seinen Neigungen seyn möchte. Die Welt vergehet mit ihrer Lust; wer
Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden. derſtehen, daß ſie nicht in Worte und wirklicheThat ausbrechen können. Denn er wird ſich gleich vorſtellen: Solche Reden, und ſolche Handlun- gen ſchicken ſich nicht für einen Verehrer und Freund des unſchuldigen, beſten Herrn, der mich zu ſei- nem Eigenthum erkauft hat, und deßen Sinn ich annehmen muß, wenn ich ihm zugehören will. Das hieße ſeine großen Wohlthaten mit dem ſchänd- lichſten Undank vergelten, und mich ſeiner höch- ſten Gnade völlig unwürdig machen, wenn ich die Sünden begehen wollte, die er ſo ſehr haßet, und von welchen er mich mit ſeinem ſchmerz- haften Tode erlöſet hat. Ich bin mit Chriſto gekreutziget. Ich lebe, aber doch nun nicht ich, ſondern Chriſtus lebet in mir, und iſt mein herrſchender Gedanke. Denn was ich ietzt lebe im Fleiſch, das lebe ich im Glauben des Soh- nes Gottes, der mich geliebet, und ſich ſelbſt für mich dahin gegeben hat. Gal. 2, 19. 20. Ja, ein Chriſt betrachtet ſich als einen ſolchen, der ſchon ietzt mit ſeinem Erlöſer in das himmliſche Weſen, oder in den Himmel verſetzt worden iſt. Eph. 2, 6. Wie ſollte er ſich durch verkehrte Be- gierden aufs neue an dieſe niedere Erde feßeln laßen? Gewiß, wenn ein Chriſt nur immer den Gedan- ken recht lebhaft bey ſich erhält: Ich bin ein Bür- ger des Himmels — ſo kan er nicht leicht aus ſeiner chriſtlichen Faßung gebracht werden. Alles was ihn in Gefahr ſetzt, dieſes große Vorrecht zu verlieren, betrachtet er als etwas ſchädliches, ſo angenehm es auch ſonſt ſeinen Neigungen ſeyn möchte. Die Welt vergehet mit ihrer Luſt; wer
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Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden.
derſtehen, daß ſie nicht in Worte und wirkliche
That ausbrechen können. Denn er wird ſich gleich
vorſtellen: Solche Reden, und ſolche Handlun-
gen ſchicken ſich nicht für einen Verehrer und Freund
des unſchuldigen, beſten Herrn, der mich zu ſei-
nem Eigenthum erkauft hat, und deßen Sinn ich
annehmen muß, wenn ich ihm zugehören will.
Das hieße ſeine großen Wohlthaten mit dem ſchänd-
lichſten Undank vergelten, und mich ſeiner höch-
ſten Gnade völlig unwürdig machen, wenn ich die
Sünden begehen wollte, die er ſo ſehr haßet,
und von welchen er mich mit ſeinem ſchmerz-
haften Tode erlöſet hat. Ich bin mit Chriſto
gekreutziget. Ich lebe, aber doch nun nicht
ich, ſondern Chriſtus lebet in mir, und iſt mein
herrſchender Gedanke. Denn was ich ietzt lebe
im Fleiſch, das lebe ich im Glauben des Soh-
nes Gottes, der mich geliebet, und ſich ſelbſt
für mich dahin gegeben hat. Gal. 2, 19. 20.
Ja, ein Chriſt betrachtet ſich als einen ſolchen, der
ſchon ietzt mit ſeinem Erlöſer in das himmliſche
Weſen, oder in den Himmel verſetzt worden iſt.
Eph. 2, 6. Wie ſollte er ſich durch verkehrte Be-
gierden aufs neue an dieſe niedere Erde feßeln laßen?
Gewiß, wenn ein Chriſt nur immer den Gedan-
ken recht lebhaft bey ſich erhält: Ich bin ein Bür-
ger des Himmels — ſo kan er nicht leicht aus
ſeiner chriſtlichen Faßung gebracht werden. Alles
was ihn in Gefahr ſetzt, dieſes große Vorrecht zu
verlieren, betrachtet er als etwas ſchädliches, ſo
angenehm es auch ſonſt ſeinen Neigungen ſeyn
möchte. Die Welt vergehet mit ihrer Luſt;
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