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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Beherrschung uns. sündl. Begierden.
Begierden erlauben, hier auf Erden zufrieden und
glücklich zu seyn, eben so wenig können sie in einer
andern Welt seelig seyn. Denn wir dürfen uns
nicht einbilden, daß eine Seele, wenn sie nach dem
Tode des Leibes von ihrem Körper getrennet ist,
eine andere Natur annehmen, oder durch eine
plötzliche Verwandlung ganz andere Neigungen und
Begierden erhalten werde, als sie hier gehabt hat.
Eine Seele, die hier auf Erden bis zu ihrer Tren-
nung vom Leibe, mit Neid, Haß, Bosheit, und
andern unreinen Begierden erfüllet war, wird alle
ihre boshafte Neigungen mit in die Ewigkeit hin-
übernehmen; und wie sie schon hier auf Erden da-
von gequält wurde, so und noch mehr wird sie in
iener Ewigkeit davon gequält und gemartert wer-
den. Ja, eben das wird die Quaal einer boshaf-
ten Seele vergrößern, daß sie ihre Begierden nicht
mehr befriedigen kan. Und wie könnte eine solche
Kreatur an den erhabenen Freuden der Engel und
Seeligen den geringsten Antheil nehmen? Kurz,
man mag die Sache betrachten wie man will, so
wird man es immer unmöglich finden, daß Men-
schen von lasterhaften Gesinnungen und unordentli-
chen Begierden an dem Reiche Gottes Theil haben
sollten. Das alles ist in den wenigen Worten ent-
halten: wo ihr nach dem Fleisch lebet, so wer-
det ihr sterben müßen. Wo ihr aber durch den
Geist des Fleisches Geschäfte tödet, so werdet
ihr leben;
das ist, wenn ihr durch den Beystand
des Geistes Gottes, der euch vermittelst der Lehre
Christi regieret, die sündlichen Lüste entkräftet, so
werdet ihr glücklich seyn. Es wird also vorausge-

setzt,
O 4

Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden.
Begierden erlauben, hier auf Erden zufrieden und
glücklich zu ſeyn, eben ſo wenig können ſie in einer
andern Welt ſeelig ſeyn. Denn wir dürfen uns
nicht einbilden, daß eine Seele, wenn ſie nach dem
Tode des Leibes von ihrem Körper getrennet iſt,
eine andere Natur annehmen, oder durch eine
plötzliche Verwandlung ganz andere Neigungen und
Begierden erhalten werde, als ſie hier gehabt hat.
Eine Seele, die hier auf Erden bis zu ihrer Tren-
nung vom Leibe, mit Neid, Haß, Bosheit, und
andern unreinen Begierden erfüllet war, wird alle
ihre boshafte Neigungen mit in die Ewigkeit hin-
übernehmen; und wie ſie ſchon hier auf Erden da-
von gequält wurde, ſo und noch mehr wird ſie in
iener Ewigkeit davon gequält und gemartert wer-
den. Ja, eben das wird die Quaal einer boshaf-
ten Seele vergrößern, daß ſie ihre Begierden nicht
mehr befriedigen kan. Und wie könnte eine ſolche
Kreatur an den erhabenen Freuden der Engel und
Seeligen den geringſten Antheil nehmen? Kurz,
man mag die Sache betrachten wie man will, ſo
wird man es immer unmöglich finden, daß Men-
ſchen von laſterhaften Geſinnungen und unordentli-
chen Begierden an dem Reiche Gottes Theil haben
ſollten. Das alles iſt in den wenigen Worten ent-
halten: wo ihr nach dem Fleiſch lebet, ſo wer-
det ihr ſterben müßen. Wo ihr aber durch den
Geiſt des Fleiſches Geſchäfte tödet, ſo werdet
ihr leben;
das iſt, wenn ihr durch den Beyſtand
des Geiſtes Gottes, der euch vermittelſt der Lehre
Chriſti regieret, die ſündlichen Lüſte entkräftet, ſo
werdet ihr glücklich ſeyn. Es wird alſo vorausge-

ſetzt,
O 4
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[215/0227] Beherrſchung unſ. ſündl. Begierden. Begierden erlauben, hier auf Erden zufrieden und glücklich zu ſeyn, eben ſo wenig können ſie in einer andern Welt ſeelig ſeyn. Denn wir dürfen uns nicht einbilden, daß eine Seele, wenn ſie nach dem Tode des Leibes von ihrem Körper getrennet iſt, eine andere Natur annehmen, oder durch eine plötzliche Verwandlung ganz andere Neigungen und Begierden erhalten werde, als ſie hier gehabt hat. Eine Seele, die hier auf Erden bis zu ihrer Tren- nung vom Leibe, mit Neid, Haß, Bosheit, und andern unreinen Begierden erfüllet war, wird alle ihre boshafte Neigungen mit in die Ewigkeit hin- übernehmen; und wie ſie ſchon hier auf Erden da- von gequält wurde, ſo und noch mehr wird ſie in iener Ewigkeit davon gequält und gemartert wer- den. Ja, eben das wird die Quaal einer boshaf- ten Seele vergrößern, daß ſie ihre Begierden nicht mehr befriedigen kan. Und wie könnte eine ſolche Kreatur an den erhabenen Freuden der Engel und Seeligen den geringſten Antheil nehmen? Kurz, man mag die Sache betrachten wie man will, ſo wird man es immer unmöglich finden, daß Men- ſchen von laſterhaften Geſinnungen und unordentli- chen Begierden an dem Reiche Gottes Theil haben ſollten. Das alles iſt in den wenigen Worten ent- halten: wo ihr nach dem Fleiſch lebet, ſo wer- det ihr ſterben müßen. Wo ihr aber durch den Geiſt des Fleiſches Geſchäfte tödet, ſo werdet ihr leben; das iſt, wenn ihr durch den Beyſtand des Geiſtes Gottes, der euch vermittelſt der Lehre Chriſti regieret, die ſündlichen Lüſte entkräftet, ſo werdet ihr glücklich ſeyn. Es wird alſo vorausge- ſetzt, O 4

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/227>, abgerufen am 24.11.2024.