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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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seine Seeligkeit seyn müsse.
Jammer stürzt? Hingegen kan es oft geschehen,
daß der standhafte Christ durch sein unerschrockenes
Bekenntnis sein zeitliches Leben verliert, oder durch
seine Gewissenhaftigkeit und unerschütterte Gottes-
furcht ein zeitliches Glück verscherzt; aber davon
hat er den unaussprechlichen Vortheil, daß er das
Glück einer unendlichen Ewigkeit zur Gnadenbeloh-
nung seiner Treue empfängt.

Und dieß ist wahre Weisheit, wenn es auch
die ganze Welt für Thorheit halten sollte. Denn
was hülfs dem Menschen, so er die ganze Welt
gewönne, und nähme doch Schaden an seiner
Seele? oder was kan der Mensch geben, damit
er seine Seele wieder erlöse?
So wie diese Worte
in unserer Uebersetzung lauten, enthalten sie zwar
auch eine ausgemachte Wahrheit. Aber der wahre
Sinn der Worte Jesu ist eigentlich dieser: Was
hülfs dem Menschen, wenn er sich die Reichthümer
einer ganzen Welt erwerben könnte, und sein Leben
dabey einbüßte? Und wie viel würde der Mensch
in einer augenscheinlichen Todesgefahr darum geben,
wenn er sich sein Leben erkaufen könnte? Dieß ist
eine Wahrheit, die durch die Erfahrung bestättiget
wird. Wie mancher, der ein sieches Leben führen
muß, oder den nahen Tod vor Augen siehet, würde
gerne alle seine Reichthümer daran wenden, wenn
er sich seine Gesundheit, oder sein Leben damit er-
kaufen könnte? Bietet einem nur halb vernünfti-
gen Menschen ein ganzes Königreich an; aber sagt
ihm zugleich, daß es ihm sein Leben kosten würde,
sobald er davon Besitz nähme. Wird er wohl so

thöricht
A 5

ſeine Seeligkeit ſeyn müſſe.
Jammer ſtürzt? Hingegen kan es oft geſchehen,
daß der ſtandhafte Chriſt durch ſein unerſchrockenes
Bekenntnis ſein zeitliches Leben verliert, oder durch
ſeine Gewiſſenhaftigkeit und unerſchütterte Gottes-
furcht ein zeitliches Glück verſcherzt; aber davon
hat er den unausſprechlichen Vortheil, daß er das
Glück einer unendlichen Ewigkeit zur Gnadenbeloh-
nung ſeiner Treue empfängt.

Und dieß iſt wahre Weisheit, wenn es auch
die ganze Welt für Thorheit halten ſollte. Denn
was hülfs dem Menſchen, ſo er die ganze Welt
gewönne, und nähme doch Schaden an ſeiner
Seele? oder was kan der Menſch geben, damit
er ſeine Seele wieder erlöſe?
So wie dieſe Worte
in unſerer Ueberſetzung lauten, enthalten ſie zwar
auch eine ausgemachte Wahrheit. Aber der wahre
Sinn der Worte Jeſu iſt eigentlich dieſer: Was
hülfs dem Menſchen, wenn er ſich die Reichthümer
einer ganzen Welt erwerben könnte, und ſein Leben
dabey einbüßte? Und wie viel würde der Menſch
in einer augenſcheinlichen Todesgefahr darum geben,
wenn er ſich ſein Leben erkaufen könnte? Dieß iſt
eine Wahrheit, die durch die Erfahrung beſtättiget
wird. Wie mancher, der ein ſieches Leben führen
muß, oder den nahen Tod vor Augen ſiehet, würde
gerne alle ſeine Reichthümer daran wenden, wenn
er ſich ſeine Geſundheit, oder ſein Leben damit er-
kaufen könnte? Bietet einem nur halb vernünfti-
gen Menſchen ein ganzes Königreich an; aber ſagt
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[9/0021] ſeine Seeligkeit ſeyn müſſe. Jammer ſtürzt? Hingegen kan es oft geſchehen, daß der ſtandhafte Chriſt durch ſein unerſchrockenes Bekenntnis ſein zeitliches Leben verliert, oder durch ſeine Gewiſſenhaftigkeit und unerſchütterte Gottes- furcht ein zeitliches Glück verſcherzt; aber davon hat er den unausſprechlichen Vortheil, daß er das Glück einer unendlichen Ewigkeit zur Gnadenbeloh- nung ſeiner Treue empfängt. Und dieß iſt wahre Weisheit, wenn es auch die ganze Welt für Thorheit halten ſollte. Denn was hülfs dem Menſchen, ſo er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an ſeiner Seele? oder was kan der Menſch geben, damit er ſeine Seele wieder erlöſe? So wie dieſe Worte in unſerer Ueberſetzung lauten, enthalten ſie zwar auch eine ausgemachte Wahrheit. Aber der wahre Sinn der Worte Jeſu iſt eigentlich dieſer: Was hülfs dem Menſchen, wenn er ſich die Reichthümer einer ganzen Welt erwerben könnte, und ſein Leben dabey einbüßte? Und wie viel würde der Menſch in einer augenſcheinlichen Todesgefahr darum geben, wenn er ſich ſein Leben erkaufen könnte? Dieß iſt eine Wahrheit, die durch die Erfahrung beſtättiget wird. Wie mancher, der ein ſieches Leben führen muß, oder den nahen Tod vor Augen ſiehet, würde gerne alle ſeine Reichthümer daran wenden, wenn er ſich ſeine Geſundheit, oder ſein Leben damit er- kaufen könnte? Bietet einem nur halb vernünfti- gen Menſchen ein ganzes Königreich an; aber ſagt ihm zugleich, daß es ihm ſein Leben koſten würde, ſobald er davon Beſitz nähme. Wird er wohl ſo thöricht A 5

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/21>, abgerufen am 24.11.2024.