Durch die göttlichen Züchtigungen wird erstlich die Selbsterkenntnis bey ihnen befördert. Wir bleiben bey allem unsern Eifer im Christenthum, und bey unsern wirklichen Wachsthum in der Tu- gend, schwache Menschen, die auf tausenderley Weise fehlen. Oft dünken wir uns schon recht stark, und bey nahe unbeweglich in der Tugend zu seyn, und merken nicht, daß wir schon anfangen zu wanken, und wirklich rückgängig im Guten zu werden. Wenn uns denn Gott ein wohlthätiges Unglück zuschickt, so lernen wir unsere Schwäche kön- nen. Wir erfahren, daß unsere Ergebung in den göttlichen Willen, unsere Zufriedenheit mit Gott, unser Vertrauen auf seine Allmacht, Weisheit und Liebe noch lange nicht so stark ist, als wir uns bis- her eingebildet hatten, oder daß wir manche Fehler nicht für das erkannt haben, was sie wirklich sind, sondern auf Rechnung der menschlichen Schwachheit uns so manches übersehen, das uns nach und nach immer weiter von Gott entfernen, und unvermerkt von dem Pfade der Tugend hätte abführen können. Daß ist der Grund warum die Leiden der Frommen gar oft Prüfungen in der Schrift genennet wer- den, auf daß unser Glaube, der viel köstlicher ist, als das vergängliche Gold, wenn es gleich aufs beste im Feuer bewährt ist, ächt und rein befunden werde, am Tage der Offenbarung Joh. 10. 1. Pet. 1, 7.
Es wird aber zweitens durch Widerwärtig- keiten das wirkliche Wachsthum der Tugend bey wahren Christen auf mehr als eine Art befördert. Wir lernen den Werth aller zeitlichen Dinge ge-
büh-
M 4
als unſerer wahren Glückſeeligkeit.
Durch die göttlichen Züchtigungen wird erſtlich die Selbſterkenntnis bey ihnen befördert. Wir bleiben bey allem unſern Eifer im Chriſtenthum, und bey unſern wirklichen Wachsthum in der Tu- gend, ſchwache Menſchen, die auf tauſenderley Weiſe fehlen. Oft dünken wir uns ſchon recht ſtark, und bey nahe unbeweglich in der Tugend zu ſeyn, und merken nicht, daß wir ſchon anfangen zu wanken, und wirklich rückgängig im Guten zu werden. Wenn uns denn Gott ein wohlthätiges Unglück zuſchickt, ſo lernen wir unſere Schwäche kön- nen. Wir erfahren, daß unſere Ergebung in den göttlichen Willen, unſere Zufriedenheit mit Gott, unſer Vertrauen auf ſeine Allmacht, Weisheit und Liebe noch lange nicht ſo ſtark iſt, als wir uns bis- her eingebildet hatten, oder daß wir manche Fehler nicht für das erkannt haben, was ſie wirklich ſind, ſondern auf Rechnung der menſchlichen Schwachheit uns ſo manches überſehen, das uns nach und nach immer weiter von Gott entfernen, und unvermerkt von dem Pfade der Tugend hätte abführen können. Daß iſt der Grund warum die Leiden der Frommen gar oft Prüfungen in der Schrift genennet wer- den, auf daß unſer Glaube, der viel köſtlicher iſt, als das vergängliche Gold, wenn es gleich aufs beſte im Feuer bewährt iſt, ächt und rein befunden werde, am Tage der Offenbarung Joh. 10. 1. Pet. 1, 7.
Es wird aber zweitens durch Widerwärtig- keiten das wirkliche Wachsthum der Tugend bey wahren Chriſten auf mehr als eine Art befördert. Wir lernen den Werth aller zeitlichen Dinge ge-
büh-
M 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0195"n="183"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">als unſerer wahren Glückſeeligkeit.</hi></fw><lb/><p>Durch die göttlichen Züchtigungen wird <hirendition="#fr">erſtlich</hi><lb/>
die Selbſterkenntnis bey ihnen befördert. Wir<lb/>
bleiben bey allem unſern Eifer im Chriſtenthum,<lb/>
und bey unſern wirklichen Wachsthum in der Tu-<lb/>
gend, ſchwache Menſchen, die auf tauſenderley<lb/>
Weiſe fehlen. Oft dünken wir uns ſchon recht<lb/>ſtark, und bey nahe unbeweglich in der Tugend zu<lb/>ſeyn, und merken nicht, daß wir ſchon anfangen<lb/>
zu wanken, und wirklich rückgängig im Guten zu<lb/>
werden. Wenn uns denn Gott ein wohlthätiges<lb/>
Unglück zuſchickt, ſo lernen wir unſere Schwäche kön-<lb/>
nen. Wir erfahren, daß unſere Ergebung in den<lb/>
göttlichen Willen, unſere Zufriedenheit mit Gott,<lb/>
unſer Vertrauen auf ſeine Allmacht, Weisheit und<lb/>
Liebe noch lange nicht ſo ſtark iſt, als wir uns bis-<lb/>
her eingebildet hatten, oder daß wir manche Fehler<lb/>
nicht für das erkannt haben, was ſie wirklich ſind,<lb/>ſondern auf Rechnung der menſchlichen Schwachheit<lb/>
uns ſo manches überſehen, das uns nach und nach<lb/>
immer weiter von Gott entfernen, und unvermerkt<lb/>
von dem Pfade der Tugend hätte abführen können.<lb/>
Daß iſt der Grund warum die Leiden der Frommen<lb/>
gar oft <hirendition="#fr">Prüfungen</hi> in der Schrift genennet wer-<lb/>
den, auf daß <hirendition="#fr">unſer Glaube,</hi> der viel köſtlicher iſt,<lb/>
als das vergängliche Gold, wenn es gleich aufs<lb/>
beſte im Feuer bewährt iſt, ächt und rein befunden<lb/>
werde, am Tage der Offenbarung Joh. 10.<lb/>
1. Pet. 1, 7.</p><lb/><p>Es wird aber <hirendition="#fr">zweitens</hi> durch Widerwärtig-<lb/>
keiten das wirkliche Wachsthum der Tugend bey<lb/>
wahren Chriſten auf mehr als eine Art befördert.<lb/>
Wir lernen den Werth aller zeitlichen Dinge ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">büh-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[183/0195]
als unſerer wahren Glückſeeligkeit.
Durch die göttlichen Züchtigungen wird erſtlich
die Selbſterkenntnis bey ihnen befördert. Wir
bleiben bey allem unſern Eifer im Chriſtenthum,
und bey unſern wirklichen Wachsthum in der Tu-
gend, ſchwache Menſchen, die auf tauſenderley
Weiſe fehlen. Oft dünken wir uns ſchon recht
ſtark, und bey nahe unbeweglich in der Tugend zu
ſeyn, und merken nicht, daß wir ſchon anfangen
zu wanken, und wirklich rückgängig im Guten zu
werden. Wenn uns denn Gott ein wohlthätiges
Unglück zuſchickt, ſo lernen wir unſere Schwäche kön-
nen. Wir erfahren, daß unſere Ergebung in den
göttlichen Willen, unſere Zufriedenheit mit Gott,
unſer Vertrauen auf ſeine Allmacht, Weisheit und
Liebe noch lange nicht ſo ſtark iſt, als wir uns bis-
her eingebildet hatten, oder daß wir manche Fehler
nicht für das erkannt haben, was ſie wirklich ſind,
ſondern auf Rechnung der menſchlichen Schwachheit
uns ſo manches überſehen, das uns nach und nach
immer weiter von Gott entfernen, und unvermerkt
von dem Pfade der Tugend hätte abführen können.
Daß iſt der Grund warum die Leiden der Frommen
gar oft Prüfungen in der Schrift genennet wer-
den, auf daß unſer Glaube, der viel köſtlicher iſt,
als das vergängliche Gold, wenn es gleich aufs
beſte im Feuer bewährt iſt, ächt und rein befunden
werde, am Tage der Offenbarung Joh. 10.
1. Pet. 1, 7.
Es wird aber zweitens durch Widerwärtig-
keiten das wirkliche Wachsthum der Tugend bey
wahren Chriſten auf mehr als eine Art befördert.
Wir lernen den Werth aller zeitlichen Dinge ge-
büh-
M 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/195>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.