Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.als unserer wahren Glückseeligkeit. Weisheit die menschliche Natur und den Lauf derDinge so eingerichtet, daß das Laster seine unaus- bleiblichen bösen Folgen hat, die der Sünder grösten- theils schon hier in diesem Leben an sich erfährt. Der Verschwender, der Wollüstige schwächet seine Gesundheit, und wird bald oder spät die Merk- mahle seiner Ausschweifungen an seinem eignen Kör- per tragen. Der Betrieger und Ungerechte macht sich zu Schanden und kommt bey seinen Mitbürgern in Verachtung, so bald seine Sünden offenbar wer- den. Gott läßt aber den Sünder gar oft auch sonst in bedrängte Umstände gerathen, und schreckt ihn durch unvermuthete Unglücksfälle, da er eben am sichersten war, und an keine Gefahr dachte. Wenn nun der Sünder die natürlichen Strafen seiner Bosheiten schon hier in diesem Leben fühlt, wenn er durch traurige Zufälle mitten in seinem Ver- gnügen und in seiner Sicherheit gestört wird, sollte er da nicht auch anfangen, in sich zu gehen, über sein bisheriges Leben nachzudenken, und den Gott, den er so lange verlaßen, mit Ernst zu suchen? Ich weiß leider gar wohl, daß dieses nicht immer geschieht, und daß manche Menschen sich in ihrer Bosheit so vorsätzlich verhärten, daß sie auch durch die härtesten Schicksale nicht gedemüthiget werden; und es ist betrübt, daß Lehrer des Christenthums noch gar oft eben die Klage, die Jeremias einstens über sein Volk führte, über manche ihrer Zuhörer anstimmen müßen: Du schlägesi sie, o Gott, aber sie fühlens nicht: du plagest sie, aber sie beßern sich nicht; sie haben ein harter Ange- sicht denn ein Fels, und wollen sich nicht bekeh- ren. M 3
als unſerer wahren Glückſeeligkeit. Weisheit die menſchliche Natur und den Lauf derDinge ſo eingerichtet, daß das Laſter ſeine unaus- bleiblichen böſen Folgen hat, die der Sünder gröſten- theils ſchon hier in dieſem Leben an ſich erfährt. Der Verſchwender, der Wollüſtige ſchwächet ſeine Geſundheit, und wird bald oder ſpät die Merk- mahle ſeiner Ausſchweifungen an ſeinem eignen Kör- per tragen. Der Betrieger und Ungerechte macht ſich zu Schanden und kommt bey ſeinen Mitbürgern in Verachtung, ſo bald ſeine Sünden offenbar wer- den. Gott läßt aber den Sünder gar oft auch ſonſt in bedrängte Umſtände gerathen, und ſchreckt ihn durch unvermuthete Unglücksfälle, da er eben am ſicherſten war, und an keine Gefahr dachte. Wenn nun der Sünder die natürlichen Strafen ſeiner Bosheiten ſchon hier in dieſem Leben fühlt, wenn er durch traurige Zufälle mitten in ſeinem Ver- gnügen und in ſeiner Sicherheit geſtört wird, ſollte er da nicht auch anfangen, in ſich zu gehen, über ſein bisheriges Leben nachzudenken, und den Gott, den er ſo lange verlaßen, mit Ernſt zu ſuchen? Ich weiß leider gar wohl, daß dieſes nicht immer geſchieht, und daß manche Menſchen ſich in ihrer Bosheit ſo vorſätzlich verhärten, daß ſie auch durch die härteſten Schickſale nicht gedemüthiget werden; und es iſt betrübt, daß Lehrer des Chriſtenthums noch gar oft eben die Klage, die Jeremias einſtens über ſein Volk führte, über manche ihrer Zuhörer anſtimmen müßen: Du ſchlägeſi ſie, o Gott, aber ſie fühlens nicht: du plageſt ſie, aber ſie beßern ſich nicht; ſie haben ein harter Ange- ſicht denn ein Fels, und wollen ſich nicht bekeh- ren. M 3
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als unſerer wahren Glückſeeligkeit.
Weisheit die menſchliche Natur und den Lauf der
Dinge ſo eingerichtet, daß das Laſter ſeine unaus-
bleiblichen böſen Folgen hat, die der Sünder gröſten-
theils ſchon hier in dieſem Leben an ſich erfährt.
Der Verſchwender, der Wollüſtige ſchwächet
ſeine Geſundheit, und wird bald oder ſpät die Merk-
mahle ſeiner Ausſchweifungen an ſeinem eignen Kör-
per tragen. Der Betrieger und Ungerechte macht
ſich zu Schanden und kommt bey ſeinen Mitbürgern
in Verachtung, ſo bald ſeine Sünden offenbar wer-
den. Gott läßt aber den Sünder gar oft auch
ſonſt in bedrängte Umſtände gerathen, und ſchreckt
ihn durch unvermuthete Unglücksfälle, da er eben
am ſicherſten war, und an keine Gefahr dachte.
Wenn nun der Sünder die natürlichen Strafen
ſeiner Bosheiten ſchon hier in dieſem Leben fühlt,
wenn er durch traurige Zufälle mitten in ſeinem Ver-
gnügen und in ſeiner Sicherheit geſtört wird, ſollte
er da nicht auch anfangen, in ſich zu gehen, über
ſein bisheriges Leben nachzudenken, und den Gott,
den er ſo lange verlaßen, mit Ernſt zu ſuchen?
Ich weiß leider gar wohl, daß dieſes nicht immer
geſchieht, und daß manche Menſchen ſich in ihrer
Bosheit ſo vorſätzlich verhärten, daß ſie auch durch
die härteſten Schickſale nicht gedemüthiget werden;
und es iſt betrübt, daß Lehrer des Chriſtenthums
noch gar oft eben die Klage, die Jeremias einſtens
über ſein Volk führte, über manche ihrer Zuhörer
anſtimmen müßen: Du ſchlägeſi ſie, o Gott,
aber ſie fühlens nicht: du plageſt ſie, aber ſie
beßern ſich nicht; ſie haben ein harter Ange-
ſicht denn ein Fels, und wollen ſich nicht bekeh-
ren.
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