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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb.
würdiget -- denn wo ist ein Sohn den der Vater
nicht züchtiget u. s. .w Nichts kan treffender seyn,
als dieses Gleichnis, welches der Apostel in folgen-
den weiter fortführt. Warum züchtiget ein guter
und verständiger Vater seine Kinder? Warlich
nicht deßwegen, damit er nur seine väterliche Ge-
walt an ihnen ausübe, und noch vielweniger seine
Rache an ihnen zu befriedigen. Es ist ihm um ih-
re wahre Wohlfarth zu thun. Er will ihren bö-
sen Willen brechen, und ihnen die Untugenden ab-
gewöhnen, wodurch sie sich in Zukunft an ihrem
Glück in der Welt hindern würden. Er will ge-
horsame, fromme, tugendhafte Kinder aus ihnen
bilden, die einst nützliche Glieder der menschlichen Ge-
sellschaft werden, und ihr Glück in der Welt ma-
chen sollen. Er würde seine Kinder nicht lieben,
würde kein guter Vater seyn, wenn er sie ihren
eignen Willen überließe, und die Zucht verseumte.
Nun laßt uns die Anwendung davon auf uns selbst
machen. Wenn uns Gott Leiden auflegt, und uns
in mancherley traurige Umstände gerathen läßt, so
verfährt er mit uns als ein Vater. Er züchtiget
uns in der Absicht, daß wir gehorsamer, tugend-
hafter, kurz, daß wir zu dem künftigen Leben, wel-
ches er uns eigentlich bestimmt hat, immer tüchti-
ger werden. O wie glücklich sind wir, daß wir
an ihm einen so gütigen Vater haben. Wir Vä-
ter begehen tausend Fehler in unserer Kinderzucht,
wenn wir unsere Pflichten auch noch so gut erfüllen
wollen, und dennoch danken es uns unsere Kinder
in ihrem ganzen Leben, wenn wir sie gut erzogen
haben. Aber unser Vater im Himmel beobachtet

gegen

Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb.
würdiget — denn wo iſt ein Sohn den der Vater
nicht züchtiget u. ſ. .w Nichts kan treffender ſeyn,
als dieſes Gleichnis, welches der Apoſtel in folgen-
den weiter fortführt. Warum züchtiget ein guter
und verſtändiger Vater ſeine Kinder? Warlich
nicht deßwegen, damit er nur ſeine väterliche Ge-
walt an ihnen ausübe, und noch vielweniger ſeine
Rache an ihnen zu befriedigen. Es iſt ihm um ih-
re wahre Wohlfarth zu thun. Er will ihren bö-
ſen Willen brechen, und ihnen die Untugenden ab-
gewöhnen, wodurch ſie ſich in Zukunft an ihrem
Glück in der Welt hindern würden. Er will ge-
horſame, fromme, tugendhafte Kinder aus ihnen
bilden, die einſt nützliche Glieder der menſchlichen Ge-
ſellſchaft werden, und ihr Glück in der Welt ma-
chen ſollen. Er würde ſeine Kinder nicht lieben,
würde kein guter Vater ſeyn, wenn er ſie ihren
eignen Willen überließe, und die Zucht verſeumte.
Nun laßt uns die Anwendung davon auf uns ſelbſt
machen. Wenn uns Gott Leiden auflegt, und uns
in mancherley traurige Umſtände gerathen läßt, ſo
verfährt er mit uns als ein Vater. Er züchtiget
uns in der Abſicht, daß wir gehorſamer, tugend-
hafter, kurz, daß wir zu dem künftigen Leben, wel-
ches er uns eigentlich beſtimmt hat, immer tüchti-
ger werden. O wie glücklich ſind wir, daß wir
an ihm einen ſo gütigen Vater haben. Wir Vä-
ter begehen tauſend Fehler in unſerer Kinderzucht,
wenn wir unſere Pflichten auch noch ſo gut erfüllen
wollen, und dennoch danken es uns unſere Kinder
in ihrem ganzen Leben, wenn wir ſie gut erzogen
haben. Aber unſer Vater im Himmel beobachtet

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[178/0190] Zwölfte Betr. Die Widerw. des Leb. würdiget — denn wo iſt ein Sohn den der Vater nicht züchtiget u. ſ. .w Nichts kan treffender ſeyn, als dieſes Gleichnis, welches der Apoſtel in folgen- den weiter fortführt. Warum züchtiget ein guter und verſtändiger Vater ſeine Kinder? Warlich nicht deßwegen, damit er nur ſeine väterliche Ge- walt an ihnen ausübe, und noch vielweniger ſeine Rache an ihnen zu befriedigen. Es iſt ihm um ih- re wahre Wohlfarth zu thun. Er will ihren bö- ſen Willen brechen, und ihnen die Untugenden ab- gewöhnen, wodurch ſie ſich in Zukunft an ihrem Glück in der Welt hindern würden. Er will ge- horſame, fromme, tugendhafte Kinder aus ihnen bilden, die einſt nützliche Glieder der menſchlichen Ge- ſellſchaft werden, und ihr Glück in der Welt ma- chen ſollen. Er würde ſeine Kinder nicht lieben, würde kein guter Vater ſeyn, wenn er ſie ihren eignen Willen überließe, und die Zucht verſeumte. Nun laßt uns die Anwendung davon auf uns ſelbſt machen. Wenn uns Gott Leiden auflegt, und uns in mancherley traurige Umſtände gerathen läßt, ſo verfährt er mit uns als ein Vater. Er züchtiget uns in der Abſicht, daß wir gehorſamer, tugend- hafter, kurz, daß wir zu dem künftigen Leben, wel- ches er uns eigentlich beſtimmt hat, immer tüchti- ger werden. O wie glücklich ſind wir, daß wir an ihm einen ſo gütigen Vater haben. Wir Vä- ter begehen tauſend Fehler in unſerer Kinderzucht, wenn wir unſere Pflichten auch noch ſo gut erfüllen wollen, und dennoch danken es uns unſere Kinder in ihrem ganzen Leben, wenn wir ſie gut erzogen haben. Aber unſer Vater im Himmel beobachtet gegen

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/190>, abgerufen am 26.11.2024.