Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le. so wäre ich vergangen in meinem Elende.Ps. 119, 92. Aber ich kan leicht vermuthen, daß es nicht sind,
Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le. ſo wäre ich vergangen in meinem Elende.Pſ. 119, 92. Aber ich kan leicht vermuthen, daß es nicht ſind,
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Zwölfte Betr. Die Widerw. des Le.
ſo wäre ich vergangen in meinem Elende.
Pſ. 119, 92.
Aber ich kan leicht vermuthen, daß es nicht
an Leuten fehlen wird, die, wenn ſie die Wahrheit
bekennen ſollten, würden geſtehen müßen, daß ſie
von dem allen noch nichts erfahren, und daß ſie
bey widrigen Zufällen die bleibende Beruhigung von
welcher ich ſpreche, in der Religion nicht gefunden
haben. Denn es iſt zwar kein Menſch leicht ſo ir-
religiös, daß er nicht wenigſtens in Tagen der Be-
trübnis ſeine Zuflucht zu Gott nehmen, und Troſt
ſuchen ſollte. Aber wir werden uns auch nicht wun-
dern dürfen, wenn der Sünder, der in ſeinem
ganzen übrigen Leben aus Gott und Religion nichts
macht, oder doch mit ſeinem Leben verleugnet, was
er mit dem Munde bekennet, daß, ſage ich, ein ſol-
cher Sünder zur Zeit der Noth auch den Troſt
nicht ſchmecken und empfinden kan, der eigentlich
nur für wahre Chriſten und aufrichtige Verehrer
Gottes gehört. Wie aber? Wünſchen wir nicht
alle bey den mannichfaltigen Zufällen des menſchli-
chen Lebens ein Mittel zu kennen, wie wir unſer
Herz beruhigen, und auf eine dauerhafte Weiſe
zufrieden ſtellen können? Einmahl leben wir doch
in einer Welt, wo alles unbeſtändig iſt, und wo
wir zum öftern Troſt nöthig haben. Der glück-
lichſte Menſch weiß nicht, was ihm über kurz oder
über lang begegnen kan. Sollen alsdann die Troſt-
gründe der Religion ihre erwünſchten Wirkungen
äußern, ſo müßen wir ſchon vorher, ehe das Lei-
den kommt, uns in einer Gemüthsfaßung befinden,
in welcher wir dieſe Tröſtungen zu empfinden fähig
ſind,
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