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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
Gutes erweisen, die es nicht um mich verdient ha-
ben, wie Gott mir ohne alle meine Würdigkeit un-
endlich viel Gutes erweiset, wie Jesus für seine
Feinde starb, auch für mich starb, ehe ich noch ge-
bohren war. Diese und andere dergleichen Vor-
stellungen werden eine überaus große Macht über
unser Herz haben, und ie gewöhnlicher sie uns
werden, desto leichter werden sie uns den Sieg
machen, wenn Haß, Feindschaft, Gemächlichkeit,
Eigennutz, und verkehrte Leidenschaften uns von
der Beobachtung unserer Schuldigkeit zurückhalten
wollen. Und wenn wir denn durch unsern bestän-
digen Eifer das Böse zu meiden, und das Gute
auszuüben unsere Liebe gegen Gott an den Tag le-
gen, so werden wir ein zufriedenes Herz haben,
weil wir alsdenn gewiß versichert seyn können, daß
Gott mit unsern unvorsätzlichen Schwachheiten Ge-
dult haben, und uns dieselben um Jesu Christi wil-
len verzeihen werde.

Johannes führt daher noch ein anders Kenn-
zeichen an, an welchem wir erkennen können, ob
wir Gott lieben oder nicht. Daran, spricht er,
ist die Liebe völlig bey uns, oder daran können
wir erkennen, daß unsere Liebe rechter Art ist,
wenn wir eine Freudigkeit haben am Tage des
Gerichts,
oder vielmehr den Tag des Gerichts
freudig erwarten, ob es uns gleich in dieser Welt
eben so gehet, wie es ihm, unserm Erlöser ehe-
dem ergangen ist.
Wer sich demnach rühmet,
daß er Gott liebe, und ein wahrer Christ sey, der
prüfe sich erst, ob er denn auch dieses Merkmahl
bey sich finde. Wer mit Furcht und Bangigkeit

an

Eilfte Betr. Von der wahren Liebe
Gutes erweiſen, die es nicht um mich verdient ha-
ben, wie Gott mir ohne alle meine Würdigkeit un-
endlich viel Gutes erweiſet, wie Jeſus für ſeine
Feinde ſtarb, auch für mich ſtarb, ehe ich noch ge-
bohren war. Dieſe und andere dergleichen Vor-
ſtellungen werden eine überaus große Macht über
unſer Herz haben, und ie gewöhnlicher ſie uns
werden, deſto leichter werden ſie uns den Sieg
machen, wenn Haß, Feindſchaft, Gemächlichkeit,
Eigennutz, und verkehrte Leidenſchaften uns von
der Beobachtung unſerer Schuldigkeit zurückhalten
wollen. Und wenn wir denn durch unſern beſtän-
digen Eifer das Böſe zu meiden, und das Gute
auszuüben unſere Liebe gegen Gott an den Tag le-
gen, ſo werden wir ein zufriedenes Herz haben,
weil wir alsdenn gewiß verſichert ſeyn können, daß
Gott mit unſern unvorſätzlichen Schwachheiten Ge-
dult haben, und uns dieſelben um Jeſu Chriſti wil-
len verzeihen werde.

Johannes führt daher noch ein anders Kenn-
zeichen an, an welchem wir erkennen können, ob
wir Gott lieben oder nicht. Daran, ſpricht er,
iſt die Liebe völlig bey uns, oder daran können
wir erkennen, daß unſere Liebe rechter Art iſt,
wenn wir eine Freudigkeit haben am Tage des
Gerichts,
oder vielmehr den Tag des Gerichts
freudig erwarten, ob es uns gleich in dieſer Welt
eben ſo gehet, wie es ihm, unſerm Erlöſer ehe-
dem ergangen iſt.
Wer ſich demnach rühmet,
daß er Gott liebe, und ein wahrer Chriſt ſey, der
prüfe ſich erſt, ob er denn auch dieſes Merkmahl
bey ſich finde. Wer mit Furcht und Bangigkeit

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[164/0176] Eilfte Betr. Von der wahren Liebe Gutes erweiſen, die es nicht um mich verdient ha- ben, wie Gott mir ohne alle meine Würdigkeit un- endlich viel Gutes erweiſet, wie Jeſus für ſeine Feinde ſtarb, auch für mich ſtarb, ehe ich noch ge- bohren war. Dieſe und andere dergleichen Vor- ſtellungen werden eine überaus große Macht über unſer Herz haben, und ie gewöhnlicher ſie uns werden, deſto leichter werden ſie uns den Sieg machen, wenn Haß, Feindſchaft, Gemächlichkeit, Eigennutz, und verkehrte Leidenſchaften uns von der Beobachtung unſerer Schuldigkeit zurückhalten wollen. Und wenn wir denn durch unſern beſtän- digen Eifer das Böſe zu meiden, und das Gute auszuüben unſere Liebe gegen Gott an den Tag le- gen, ſo werden wir ein zufriedenes Herz haben, weil wir alsdenn gewiß verſichert ſeyn können, daß Gott mit unſern unvorſätzlichen Schwachheiten Ge- dult haben, und uns dieſelben um Jeſu Chriſti wil- len verzeihen werde. Johannes führt daher noch ein anders Kenn- zeichen an, an welchem wir erkennen können, ob wir Gott lieben oder nicht. Daran, ſpricht er, iſt die Liebe völlig bey uns, oder daran können wir erkennen, daß unſere Liebe rechter Art iſt, wenn wir eine Freudigkeit haben am Tage des Gerichts, oder vielmehr den Tag des Gerichts freudig erwarten, ob es uns gleich in dieſer Welt eben ſo gehet, wie es ihm, unſerm Erlöſer ehe- dem ergangen iſt. Wer ſich demnach rühmet, daß er Gott liebe, und ein wahrer Chriſt ſey, der prüfe ſich erſt, ob er denn auch dieſes Merkmahl bey ſich finde. Wer mit Furcht und Bangigkeit an

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/176>, abgerufen am 22.11.2024.