Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.gegen Gott. nuß seiner Wohlthaten die natürlichsten Veran-laßungen dazu haben. So oft wir vom Schlaf erwachen, wird Gott, dem wir die erquickende Ruhe eben so wohl, als die Wohlthat des Lebens zu danken haben, unser erster und angenehmster Ge- danke seyn. So oft wir eßen und trinken, so oft wir uns zu unserm Berufe gestärkt fühlen, so oft wir eine Annehmlichkeit des Lebens genießen, wird uns beyfallen: Auch dieß ist eine Wohlthat meines gu- ten Gottes; wie soll ich ihm vergelten das mannich- faltige Gute, so er mir erweiset? Und wenn die- ser Gedanke auch bisweilen durch Zerstreuungen der Welt, und durch unsere Berufsgeschäfte verhindert wird, so wird er doch wenigstens sehr oft in unsern Seelen aufsteigen, und wir werden in stillen Stun- den der Einsamkeit und der Andacht, dieses süße Andenken desto lebhafter erneuern. Bisweilen wird diese Erinnerung mit einer ausnehmend star- ken Belustigung und Freude verbunden seyn, son- derlich wenn sonst unser Gemüth heiter ist; aber wenn dieses sanfte Wonnegefühl sich auch selten bey uns einfinden sollte, so werden dennoch unsere Begierden und Wünsche stets zu ihm gerichtet seyn, und das Bewustseyn seines höchsten Wohlgefallens wird uns über alles in der Welt gehen. Diesen gottseeligen Sinn finden wir an dem frommen Da- vid: Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich; wenn ich erwache, so rede ich von dir; oder vielmehr: Auf meinem Nachtlager er- innere ich mich an dich; Nachtwachen hindurch be- schäftige ich mich mit dir. Ps. 63. 7. Herr, ich gedencke des Nachts an deinen Nahmen, und halte L
gegen Gott. nuß ſeiner Wohlthaten die natürlichſten Veran-laßungen dazu haben. So oft wir vom Schlaf erwachen, wird Gott, dem wir die erquickende Ruhe eben ſo wohl, als die Wohlthat des Lebens zu danken haben, unſer erſter und angenehmſter Ge- danke ſeyn. So oft wir eßen und trinken, ſo oft wir uns zu unſerm Berufe geſtärkt fühlen, ſo oft wir eine Annehmlichkeit des Lebens genießen, wird uns beyfallen: Auch dieß iſt eine Wohlthat meines gu- ten Gottes; wie ſoll ich ihm vergelten das mannich- faltige Gute, ſo er mir erweiſet? Und wenn die- ſer Gedanke auch bisweilen durch Zerſtreuungen der Welt, und durch unſere Berufsgeſchäfte verhindert wird, ſo wird er doch wenigſtens ſehr oft in unſern Seelen aufſteigen, und wir werden in ſtillen Stun- den der Einſamkeit und der Andacht, dieſes ſüße Andenken deſto lebhafter erneuern. Bisweilen wird dieſe Erinnerung mit einer ausnehmend ſtar- ken Beluſtigung und Freude verbunden ſeyn, ſon- derlich wenn ſonſt unſer Gemüth heiter iſt; aber wenn dieſes ſanfte Wonnegefühl ſich auch ſelten bey uns einfinden ſollte, ſo werden dennoch unſere Begierden und Wünſche ſtets zu ihm gerichtet ſeyn, und das Bewuſtſeyn ſeines höchſten Wohlgefallens wird uns über alles in der Welt gehen. Dieſen gottſeeligen Sinn finden wir an dem frommen Da- vid: Wenn ich mich zu Bette lege, ſo denke ich an dich; wenn ich erwache, ſo rede ich von dir; oder vielmehr: Auf meinem Nachtlager er- innere ich mich an dich; Nachtwachen hindurch be- ſchäftige ich mich mit dir. Pſ. 63. 7. Herr, ich gedencke des Nachts an deinen Nahmen, und halte L
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="161"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gegen Gott.</hi></fw><lb/> nuß ſeiner Wohlthaten die natürlichſten Veran-<lb/> laßungen dazu haben. So oft wir vom Schlaf<lb/> erwachen, wird <hi rendition="#fr">Gott,</hi> dem wir die erquickende<lb/> Ruhe eben ſo wohl, als die Wohlthat des Lebens zu<lb/> danken haben, unſer erſter und angenehmſter Ge-<lb/> danke ſeyn. So oft wir eßen und trinken, ſo oft<lb/> wir uns zu unſerm Berufe geſtärkt fühlen, ſo oft wir<lb/> eine Annehmlichkeit des Lebens genießen, wird uns<lb/> beyfallen: Auch dieß iſt eine Wohlthat meines gu-<lb/> ten Gottes; wie ſoll ich ihm vergelten das mannich-<lb/> faltige Gute, ſo er mir erweiſet? Und wenn die-<lb/> ſer Gedanke auch bisweilen durch Zerſtreuungen der<lb/> Welt, und durch unſere Berufsgeſchäfte verhindert<lb/> wird, ſo wird er doch wenigſtens ſehr oft in unſern<lb/> Seelen aufſteigen, und wir werden in ſtillen Stun-<lb/> den der Einſamkeit und der Andacht, dieſes ſüße<lb/> Andenken deſto lebhafter erneuern. Bisweilen<lb/> wird dieſe Erinnerung mit einer ausnehmend ſtar-<lb/> ken Beluſtigung und Freude verbunden ſeyn, ſon-<lb/> derlich wenn ſonſt unſer Gemüth heiter iſt; aber<lb/> wenn dieſes ſanfte Wonnegefühl ſich auch ſelten<lb/> bey uns einfinden ſollte, ſo werden dennoch unſere<lb/> Begierden und Wünſche ſtets zu ihm gerichtet ſeyn,<lb/> und das Bewuſtſeyn ſeines höchſten Wohlgefallens<lb/> wird uns über alles in der Welt gehen. Dieſen<lb/> gottſeeligen Sinn finden wir an dem frommen Da-<lb/> vid: <hi rendition="#fr">Wenn ich mich zu Bette lege, ſo denke<lb/> ich an dich; wenn ich erwache, ſo rede ich von<lb/> dir;</hi> oder vielmehr: Auf meinem Nachtlager er-<lb/> innere ich mich an dich; Nachtwachen hindurch be-<lb/> ſchäftige ich mich mit dir. Pſ. 63. 7. <hi rendition="#fr">Herr, ich<lb/> gedencke des Nachts an deinen Nahmen, und</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">L</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">halte</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [161/0173]
gegen Gott.
nuß ſeiner Wohlthaten die natürlichſten Veran-
laßungen dazu haben. So oft wir vom Schlaf
erwachen, wird Gott, dem wir die erquickende
Ruhe eben ſo wohl, als die Wohlthat des Lebens zu
danken haben, unſer erſter und angenehmſter Ge-
danke ſeyn. So oft wir eßen und trinken, ſo oft
wir uns zu unſerm Berufe geſtärkt fühlen, ſo oft wir
eine Annehmlichkeit des Lebens genießen, wird uns
beyfallen: Auch dieß iſt eine Wohlthat meines gu-
ten Gottes; wie ſoll ich ihm vergelten das mannich-
faltige Gute, ſo er mir erweiſet? Und wenn die-
ſer Gedanke auch bisweilen durch Zerſtreuungen der
Welt, und durch unſere Berufsgeſchäfte verhindert
wird, ſo wird er doch wenigſtens ſehr oft in unſern
Seelen aufſteigen, und wir werden in ſtillen Stun-
den der Einſamkeit und der Andacht, dieſes ſüße
Andenken deſto lebhafter erneuern. Bisweilen
wird dieſe Erinnerung mit einer ausnehmend ſtar-
ken Beluſtigung und Freude verbunden ſeyn, ſon-
derlich wenn ſonſt unſer Gemüth heiter iſt; aber
wenn dieſes ſanfte Wonnegefühl ſich auch ſelten
bey uns einfinden ſollte, ſo werden dennoch unſere
Begierden und Wünſche ſtets zu ihm gerichtet ſeyn,
und das Bewuſtſeyn ſeines höchſten Wohlgefallens
wird uns über alles in der Welt gehen. Dieſen
gottſeeligen Sinn finden wir an dem frommen Da-
vid: Wenn ich mich zu Bette lege, ſo denke
ich an dich; wenn ich erwache, ſo rede ich von
dir; oder vielmehr: Auf meinem Nachtlager er-
innere ich mich an dich; Nachtwachen hindurch be-
ſchäftige ich mich mit dir. Pſ. 63. 7. Herr, ich
gedencke des Nachts an deinen Nahmen, und
halte
L
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/173 |
Zitationshilfe: | Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/173>, abgerufen am 18.07.2024. |