Hieraus wird man nun leicht erkennen, wie sehr sich dienigen zu ihrem eigenen Schaden betrie- gen, die diesen Spruch dazu mißbrauchen, daß sie sich selbst einen Weg zum Himmel einbilden, der zwar gemächlich genug, aber gewiß nicht derienige ist, welchen Christus und seine Apostel gezeigt ha- ben. Es sind nemlich viele der Meynung, an Christum glauben heiße nichts anders als die Hi- storien von Christo für wahr halten, glauben, daß er gelebet, gelehrt, gestorben auferstanden, und gen Himmel gefahren sey, und daß er uns durch seinen Tod Gottes Gnade und die ewige Seeligkeit erworben habe. Wenn man das nur glaube, man möge im übrigen an seinem Herzen und Leben ge- beßert seyn, oder nicht, so werde man seelig. Wir müßen daher deutlicher zeigen, was denn darunter verstanden werde, wenn die Schrift hier, und in so vielen andern Stellen sagt, wer an Jesum Chri- stum glaube, der werde seelig.
An Jesum Christum glauben heist: Ihn für denienigen erkennen, wofür er sich selbst erklä- ret hat -- glauben, daß er der Sohn Gottes, unser höchster Lehrer und und unser Versöhner ist; glauben, daß seine Verheißungen eben sowohl als seine Vorschriften eine ungezweifelte Gewißheit, und göttliches Ansehen haben; glauben, daß man durch ihn Vergebung der Sünde, Gottes Gnade und Seeligkeit erlange, wenn man die leichten und billigen Bedingniße erfüllt, die er zu beobachten vorgeschrieben hat; kurz, nicht nur alles dasieni- ge, was Christus gelehret hat, für ungezweifelte göttliche Wahrheit halten, sondern auch mit einem
zu-
Glauben an Jeſum Chriſtum.
Hieraus wird man nun leicht erkennen, wie ſehr ſich dienigen zu ihrem eigenen Schaden betrie- gen, die dieſen Spruch dazu mißbrauchen, daß ſie ſich ſelbſt einen Weg zum Himmel einbilden, der zwar gemächlich genug, aber gewiß nicht derienige iſt, welchen Chriſtus und ſeine Apoſtel gezeigt ha- ben. Es ſind nemlich viele der Meynung, an Chriſtum glauben heiße nichts anders als die Hi- ſtorien von Chriſto für wahr halten, glauben, daß er gelebet, gelehrt, geſtorben auferſtanden, und gen Himmel gefahren ſey, und daß er uns durch ſeinen Tod Gottes Gnade und die ewige Seeligkeit erworben habe. Wenn man das nur glaube, man möge im übrigen an ſeinem Herzen und Leben ge- beßert ſeyn, oder nicht, ſo werde man ſeelig. Wir müßen daher deutlicher zeigen, was denn darunter verſtanden werde, wenn die Schrift hier, und in ſo vielen andern Stellen ſagt, wer an Jeſum Chri- ſtum glaube, der werde ſeelig.
An Jeſum Chriſtum glauben heiſt: Ihn für denienigen erkennen, wofür er ſich ſelbſt erklä- ret hat — glauben, daß er der Sohn Gottes, unſer höchſter Lehrer und und unſer Verſöhner iſt; glauben, daß ſeine Verheißungen eben ſowohl als ſeine Vorſchriften eine ungezweifelte Gewißheit, und göttliches Anſehen haben; glauben, daß man durch ihn Vergebung der Sünde, Gottes Gnade und Seeligkeit erlange, wenn man die leichten und billigen Bedingniße erfüllt, die er zu beobachten vorgeſchrieben hat; kurz, nicht nur alles dasieni- ge, was Chriſtus gelehret hat, für ungezweifelte göttliche Wahrheit halten, ſondern auch mit einem
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Glauben an Jeſum Chriſtum.
Hieraus wird man nun leicht erkennen, wie
ſehr ſich dienigen zu ihrem eigenen Schaden betrie-
gen, die dieſen Spruch dazu mißbrauchen, daß ſie
ſich ſelbſt einen Weg zum Himmel einbilden, der
zwar gemächlich genug, aber gewiß nicht derienige
iſt, welchen Chriſtus und ſeine Apoſtel gezeigt ha-
ben. Es ſind nemlich viele der Meynung, an
Chriſtum glauben heiße nichts anders als die Hi-
ſtorien von Chriſto für wahr halten, glauben, daß
er gelebet, gelehrt, geſtorben auferſtanden, und
gen Himmel gefahren ſey, und daß er uns durch
ſeinen Tod Gottes Gnade und die ewige Seeligkeit
erworben habe. Wenn man das nur glaube, man
möge im übrigen an ſeinem Herzen und Leben ge-
beßert ſeyn, oder nicht, ſo werde man ſeelig. Wir
müßen daher deutlicher zeigen, was denn darunter
verſtanden werde, wenn die Schrift hier, und in
ſo vielen andern Stellen ſagt, wer an Jeſum Chri-
ſtum glaube, der werde ſeelig.
An Jeſum Chriſtum glauben heiſt: Ihn
für denienigen erkennen, wofür er ſich ſelbſt erklä-
ret hat — glauben, daß er der Sohn Gottes,
unſer höchſter Lehrer und und unſer Verſöhner iſt;
glauben, daß ſeine Verheißungen eben ſowohl als
ſeine Vorſchriften eine ungezweifelte Gewißheit,
und göttliches Anſehen haben; glauben, daß man
durch ihn Vergebung der Sünde, Gottes Gnade
und Seeligkeit erlange, wenn man die leichten und
billigen Bedingniße erfüllt, die er zu beobachten
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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