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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Glauben an Jesum Christum.
Kerkermeister, oder Gefängnisaufseher zur schärf-
sten Verwahrung zu übergeben. Dieser wuste wohl,
daß er für seine Gefangene gut stehen muste; da-
her brachte er sie in das innerste, finsterste Ge-
mach des Gefängnishauses, und schloß ihre Füße
in den Stock. Hier sollten sie zu weiterm Verhör,
und einer scharfen, empfindlichen Strafe aufbehal-
ten werden. Aber Paulus und Silas, die sich ih-
rer reinen Unschuld bewust waren, und diese Be-
schimpfung um der Ehre Christi willen erdulteten,
waren dabey so ruhig und heiter, daß sie auch in
der Mitternacht in ihrem Gefängniße Loblieder an-
stimmten. Sie hätten leicht aus dem Gefängniße
entfliehen können, wenn sie nur gewollt hätten.
Denn in eben dieser Nacht entstand ganz unvermu-
thet ein so starkes Erdbeben, daß das Gefängnis
von Grund auf erschüttert wurde, und von der
Erschütterung die Thüren aufsprangen. Wie leicht
hätten Paulus und Silas sich durch die Flucht ret-
ten können? Der Kerkermeister stellte sich auch
nichts anders als dieses, vor. Da er ietzt aus dem
Schlaf erwachte, und die Thüren alle offen sah,
so zog er sein Schwerd, und wollte sich erste-
chen, weil er glaubte, die Gefangenen wären ent-
flohen, und man würde ihn deßwegen zur schärfsten
Rechenschaft ziehen. Aber die Gefangenen riefen
ihm zu, seiner zu schonen, indem sie alle noch zu-
gegen wären. Das erfüllte sein Gemüth mit Er-
staunen. Er erinnerte sich ohne Zweifel an das,
was er schon vorher der Absicht ihrer Ankunft ge-
hört hatte, daß sie nemlich die Lehre des Heyls ver-
kündigten, und sich für außerordentliche Gesandte

Gottes

Glauben an Jeſum Chriſtum.
Kerkermeiſter, oder Gefängnisaufſeher zur ſchärf-
ſten Verwahrung zu übergeben. Dieſer wuſte wohl,
daß er für ſeine Gefangene gut ſtehen muſte; da-
her brachte er ſie in das innerſte, finſterſte Ge-
mach des Gefängnishauſes, und ſchloß ihre Füße
in den Stock. Hier ſollten ſie zu weiterm Verhör,
und einer ſcharfen, empfindlichen Strafe aufbehal-
ten werden. Aber Paulus und Silas, die ſich ih-
rer reinen Unſchuld bewuſt waren, und dieſe Be-
ſchimpfung um der Ehre Chriſti willen erdulteten,
waren dabey ſo ruhig und heiter, daß ſie auch in
der Mitternacht in ihrem Gefängniße Loblieder an-
ſtimmten. Sie hätten leicht aus dem Gefängniße
entfliehen können, wenn ſie nur gewollt hätten.
Denn in eben dieſer Nacht entſtand ganz unvermu-
thet ein ſo ſtarkes Erdbeben, daß das Gefängnis
von Grund auf erſchüttert wurde, und von der
Erſchütterung die Thüren aufſprangen. Wie leicht
hätten Paulus und Silas ſich durch die Flucht ret-
ten können? Der Kerkermeiſter ſtellte ſich auch
nichts anders als dieſes, vor. Da er ietzt aus dem
Schlaf erwachte, und die Thüren alle offen ſah,
ſo zog er ſein Schwerd, und wollte ſich erſte-
chen, weil er glaubte, die Gefangenen wären ent-
flohen, und man würde ihn deßwegen zur ſchärfſten
Rechenſchaft ziehen. Aber die Gefangenen riefen
ihm zu, ſeiner zu ſchonen, indem ſie alle noch zu-
gegen wären. Das erfüllte ſein Gemüth mit Er-
ſtaunen. Er erinnerte ſich ohne Zweifel an das,
was er ſchon vorher der Abſicht ihrer Ankunft ge-
hört hatte, daß ſie nemlich die Lehre des Heyls ver-
kündigten, und ſich für außerordentliche Geſandte

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[141/0153] Glauben an Jeſum Chriſtum. Kerkermeiſter, oder Gefängnisaufſeher zur ſchärf- ſten Verwahrung zu übergeben. Dieſer wuſte wohl, daß er für ſeine Gefangene gut ſtehen muſte; da- her brachte er ſie in das innerſte, finſterſte Ge- mach des Gefängnishauſes, und ſchloß ihre Füße in den Stock. Hier ſollten ſie zu weiterm Verhör, und einer ſcharfen, empfindlichen Strafe aufbehal- ten werden. Aber Paulus und Silas, die ſich ih- rer reinen Unſchuld bewuſt waren, und dieſe Be- ſchimpfung um der Ehre Chriſti willen erdulteten, waren dabey ſo ruhig und heiter, daß ſie auch in der Mitternacht in ihrem Gefängniße Loblieder an- ſtimmten. Sie hätten leicht aus dem Gefängniße entfliehen können, wenn ſie nur gewollt hätten. Denn in eben dieſer Nacht entſtand ganz unvermu- thet ein ſo ſtarkes Erdbeben, daß das Gefängnis von Grund auf erſchüttert wurde, und von der Erſchütterung die Thüren aufſprangen. Wie leicht hätten Paulus und Silas ſich durch die Flucht ret- ten können? Der Kerkermeiſter ſtellte ſich auch nichts anders als dieſes, vor. Da er ietzt aus dem Schlaf erwachte, und die Thüren alle offen ſah, ſo zog er ſein Schwerd, und wollte ſich erſte- chen, weil er glaubte, die Gefangenen wären ent- flohen, und man würde ihn deßwegen zur ſchärfſten Rechenſchaft ziehen. Aber die Gefangenen riefen ihm zu, ſeiner zu ſchonen, indem ſie alle noch zu- gegen wären. Das erfüllte ſein Gemüth mit Er- ſtaunen. Er erinnerte ſich ohne Zweifel an das, was er ſchon vorher der Abſicht ihrer Ankunft ge- hört hatte, daß ſie nemlich die Lehre des Heyls ver- kündigten, und ſich für außerordentliche Geſandte Gottes

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/153>, abgerufen am 25.11.2024.