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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.

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Neunte Betr. Jesus Christus der gröste
nug. Es wird daher der eigentliche Sinn dieser
uneigentlichen Ausdrücke nicht schwer zu finden seyn:
Ich bin das Licht der Welt, das heist, ich bin
der von Gott gesandte Lehrer des ganzen menschli-
chen Geschlechts -- bin in der Welt erschienen,
nicht einen geringen Theil der Menschen zu erleuch-
ten, nicht einem einzigen Volk den Willen Gottes
bekannt zu machen, wie die Propheten in den vo-
rigen Zeiten, sondern, wie die Sonne am Himmel
den ganzen Erdboden erleuchtet, so soll sich das
Licht meiner Lehre über das ganze, in Finsternis
und Irrthum liegende Menschengeschlecht verbrei-
ten. Ich bin das Licht der Welt, der große, all-
gemeine Lehrer aller Zeiten und Weltgegenden bis
an das Ende der Tage.

Dieser Gedanke ist zu schön, zu erfreulich
für uns, als daß wir ihn sogleich wieder verlaßen
könnten. Es hat zwar vor den Zeiten des Erlö-
sers nicht gänzlich an Männern gefehlt, so wohl
unter dem Jüdischen Volke, als auch unter andern
Nationen, die sich die Erleuchtung ihrer Zeitge-
noßen ließen angelegen seyn. Aber keiner von ih-
nen kan mit unserm hochgelobten Erlöser in Ver-
gleichung gesetzt werden. Dieß wird aus folgen-
den Betrachtungen klar werden:

1) Keiner unter ihnen war so glücklich, daß
er seine richtigen Einsichten allen Völkern auf dem
Erdboden mittheilen konnte. Die großen Männer
der alten Zeit, die einer göttlichen Erleuchtung ge-
würdiget wurden, stunden mehrentheils nur unter
dem Jüdischen Volke auf, welches aus weisen Ur-
sachen von Gott dazu ausersehen war, daß bey

dem-

Neunte Betr. Jeſus Chriſtus der gröſte
nug. Es wird daher der eigentliche Sinn dieſer
uneigentlichen Ausdrücke nicht ſchwer zu finden ſeyn:
Ich bin das Licht der Welt, das heiſt, ich bin
der von Gott geſandte Lehrer des ganzen menſchli-
chen Geſchlechts — bin in der Welt erſchienen,
nicht einen geringen Theil der Menſchen zu erleuch-
ten, nicht einem einzigen Volk den Willen Gottes
bekannt zu machen, wie die Propheten in den vo-
rigen Zeiten, ſondern, wie die Sonne am Himmel
den ganzen Erdboden erleuchtet, ſo ſoll ſich das
Licht meiner Lehre über das ganze, in Finſternis
und Irrthum liegende Menſchengeſchlecht verbrei-
ten. Ich bin das Licht der Welt, der große, all-
gemeine Lehrer aller Zeiten und Weltgegenden bis
an das Ende der Tage.

Dieſer Gedanke iſt zu ſchön, zu erfreulich
für uns, als daß wir ihn ſogleich wieder verlaßen
könnten. Es hat zwar vor den Zeiten des Erlö-
ſers nicht gänzlich an Männern gefehlt, ſo wohl
unter dem Jüdiſchen Volke, als auch unter andern
Nationen, die ſich die Erleuchtung ihrer Zeitge-
noßen ließen angelegen ſeyn. Aber keiner von ih-
nen kan mit unſerm hochgelobten Erlöſer in Ver-
gleichung geſetzt werden. Dieß wird aus folgen-
den Betrachtungen klar werden:

1) Keiner unter ihnen war ſo glücklich, daß
er ſeine richtigen Einſichten allen Völkern auf dem
Erdboden mittheilen konnte. Die großen Männer
der alten Zeit, die einer göttlichen Erleuchtung ge-
würdiget wurden, ſtunden mehrentheils nur unter
dem Jüdiſchen Volke auf, welches aus weiſen Ur-
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[122/0134] Neunte Betr. Jeſus Chriſtus der gröſte nug. Es wird daher der eigentliche Sinn dieſer uneigentlichen Ausdrücke nicht ſchwer zu finden ſeyn: Ich bin das Licht der Welt, das heiſt, ich bin der von Gott geſandte Lehrer des ganzen menſchli- chen Geſchlechts — bin in der Welt erſchienen, nicht einen geringen Theil der Menſchen zu erleuch- ten, nicht einem einzigen Volk den Willen Gottes bekannt zu machen, wie die Propheten in den vo- rigen Zeiten, ſondern, wie die Sonne am Himmel den ganzen Erdboden erleuchtet, ſo ſoll ſich das Licht meiner Lehre über das ganze, in Finſternis und Irrthum liegende Menſchengeſchlecht verbrei- ten. Ich bin das Licht der Welt, der große, all- gemeine Lehrer aller Zeiten und Weltgegenden bis an das Ende der Tage. Dieſer Gedanke iſt zu ſchön, zu erfreulich für uns, als daß wir ihn ſogleich wieder verlaßen könnten. Es hat zwar vor den Zeiten des Erlö- ſers nicht gänzlich an Männern gefehlt, ſo wohl unter dem Jüdiſchen Volke, als auch unter andern Nationen, die ſich die Erleuchtung ihrer Zeitge- noßen ließen angelegen ſeyn. Aber keiner von ih- nen kan mit unſerm hochgelobten Erlöſer in Ver- gleichung geſetzt werden. Dieß wird aus folgen- den Betrachtungen klar werden: 1) Keiner unter ihnen war ſo glücklich, daß er ſeine richtigen Einſichten allen Völkern auf dem Erdboden mittheilen konnte. Die großen Männer der alten Zeit, die einer göttlichen Erleuchtung ge- würdiget wurden, ſtunden mehrentheils nur unter dem Jüdiſchen Volke auf, welches aus weiſen Ur- ſachen von Gott dazu auserſehen war, daß bey dem-

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Zitationshilfe: Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/134>, abgerufen am 24.11.2024.