Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.dem Versöhner der Menschen. doch dadurch die Natur der Sache nicht geändertwerden. Christus war nun von Gott bestimmt, die Menschen von diesem traurigen Zustand zu be- freyen, und alle dieienige, die sich durch ihn wol- len retten laßen, zu ihrer ursprünglichen Würde und Glückseeligkeit wieder zurück zu führen. Zu diesen großen, heilsamen Geschäfte, muste er durch Erdultung ähnlicher Leiden, als dieienigen sind, welchen die Menschen ausgesetzt sind, gleichsam ein- geweyhet werden. Denn nach der Absicht Got- tes, sollte er als versöhnender Priester die Stra- fen unserer Sünden hinwegnehmen, und die Hin- derniße, welche unserer Begnadigung im Wege stunden, aus dem Wege räumen. Wie hätte er das aber thun können, wenn er nicht gleichen Ur- sprung, gleiche Natur mit denen gehabt hätte, welche er aus ihrem traurigen, unseeligen, in ei- nen herrlichen Zustand versetzen sollte? (v. 11.) Wir dürfen es uns also nicht befremden laßen, daß der große Stifter unserer Religion, der Schö- pfer der Welt, den auch die Engel mit tiefster Ehrfurcht verehren müßen, daß dieser erhabenste Beherrscher aller Dinge unsere niedrige menschliche Natur angenommen hat. Nicht Ohnmacht war es, daß er in so verachteten Umständen auf Erden le- ben muste. Seine göttliche Großmuth und Erbar- mung, seine Liebe gegen das unglückliche Menschen- geschlecht bewog ihn zu dieser bewundernswürdigen Herablaßung. Diese wohlthätige Absicht stellt der Apostel ers
dem Verſöhner der Menſchen. doch dadurch die Natur der Sache nicht geändertwerden. Chriſtus war nun von Gott beſtimmt, die Menſchen von dieſem traurigen Zuſtand zu be- freyen, und alle dieienige, die ſich durch ihn wol- len retten laßen, zu ihrer urſprünglichen Würde und Glückſeeligkeit wieder zurück zu führen. Zu dieſen großen, heilſamen Geſchäfte, muſte er durch Erdultung ähnlicher Leiden, als dieienigen ſind, welchen die Menſchen ausgeſetzt ſind, gleichſam ein- geweyhet werden. Denn nach der Abſicht Got- tes, ſollte er als verſöhnender Prieſter die Stra- fen unſerer Sünden hinwegnehmen, und die Hin- derniße, welche unſerer Begnadigung im Wege ſtunden, aus dem Wege räumen. Wie hätte er das aber thun können, wenn er nicht gleichen Ur- ſprung, gleiche Natur mit denen gehabt hätte, welche er aus ihrem traurigen, unſeeligen, in ei- nen herrlichen Zuſtand verſetzen ſollte? (v. 11.) Wir dürfen es uns alſo nicht befremden laßen, daß der große Stifter unſerer Religion, der Schö- pfer der Welt, den auch die Engel mit tiefſter Ehrfurcht verehren müßen, daß dieſer erhabenſte Beherrſcher aller Dinge unſere niedrige menſchliche Natur angenommen hat. Nicht Ohnmacht war es, daß er in ſo verachteten Umſtänden auf Erden le- ben muſte. Seine göttliche Großmuth und Erbar- mung, ſeine Liebe gegen das unglückliche Menſchen- geſchlecht bewog ihn zu dieſer bewundernswürdigen Herablaßung. Dieſe wohlthätige Abſicht ſtellt der Apoſtel ers
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dem Verſöhner der Menſchen.
doch dadurch die Natur der Sache nicht geändert
werden. Chriſtus war nun von Gott beſtimmt,
die Menſchen von dieſem traurigen Zuſtand zu be-
freyen, und alle dieienige, die ſich durch ihn wol-
len retten laßen, zu ihrer urſprünglichen Würde
und Glückſeeligkeit wieder zurück zu führen. Zu
dieſen großen, heilſamen Geſchäfte, muſte er durch
Erdultung ähnlicher Leiden, als dieienigen ſind,
welchen die Menſchen ausgeſetzt ſind, gleichſam ein-
geweyhet werden. Denn nach der Abſicht Got-
tes, ſollte er als verſöhnender Prieſter die Stra-
fen unſerer Sünden hinwegnehmen, und die Hin-
derniße, welche unſerer Begnadigung im Wege
ſtunden, aus dem Wege räumen. Wie hätte er
das aber thun können, wenn er nicht gleichen Ur-
ſprung, gleiche Natur mit denen gehabt hätte,
welche er aus ihrem traurigen, unſeeligen, in ei-
nen herrlichen Zuſtand verſetzen ſollte? (v. 11.)
Wir dürfen es uns alſo nicht befremden laßen,
daß der große Stifter unſerer Religion, der Schö-
pfer der Welt, den auch die Engel mit tiefſter
Ehrfurcht verehren müßen, daß dieſer erhabenſte
Beherrſcher aller Dinge unſere niedrige menſchliche
Natur angenommen hat. Nicht Ohnmacht war
es, daß er in ſo verachteten Umſtänden auf Erden le-
ben muſte. Seine göttliche Großmuth und Erbar-
mung, ſeine Liebe gegen das unglückliche Menſchen-
geſchlecht bewog ihn zu dieſer bewundernswürdigen
Herablaßung.
Dieſe wohlthätige Abſicht ſtellt der Apoſtel
noch deutlicher in folgenden Worten vor: Nach-
dem die Kinder Fleiſch und Blut haben, iſt
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