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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Geist, Prutz' Engelchen, Stifter's Studien u. a., gebracht hätten?
Man frage sich, ob eins dieser Bücher in's Englische oder Französische
übersetzt ist? Man erinnere sich, daß selbst von den anerkanntesten,
ältern Classikern unserer Nation immer nur Weniges, sogar von
Tieck, der mehr für die Unterhaltung erzählt hat, nur einzelne No¬
vellen, le livre bleu u. dgl., übersetzt ist. Und dazu bedenke man,
daß ein Drittel der Deutschen Englisch, wenigstens Französisch genug
versteht, jene Romane auch im Original (der Brüsseler, Berliner und
Leipziger Nachdrücke) zu lesen, während nur wenige Engländer und
Franzosen Deutsch lernen, so wird man sich eingestehen müssen, daß
das Verhältniß zu einem schreienden Mißverhältnis wird. Durch poli¬
zeiliche Einschreitungen ist hier nichts auszurichten, sie sind ihrer Natur
nach zu oberflächlich und erzeugen nur das Gelüst, auf Umwegen sich
den verbotenen Genuß zu schaffen. Nur von Innen heraus, durch
wahrhafte Bildung, nur durch Stärkung unseres Nationalgefühls,
durch Achtung vor uns selbst, durch wirkliche Liebe zu unserm Vater¬
lande (statt der ironischen Stellung, die wir gewöhnlich dazu einnehmen
und die alle Kraft, auch die sittliche, bei uns in der Wurzel ver¬
dirbt), ist etwas Reelles dagegen zu wirken. Die im Text erwähnten
Ritter- und Räuberromane sind aber ein Beweis, wie wüst und kin¬
disch phantastisch es noch in einem großen Theil der untern Schichten
des Volks bei uns aussieht. Nur eins vergesse man nicht, daß sie
eine gewisse wilde Poesie, eine grelle Abenteuerlichkeit besitzen, die den
Ungebildeten und Halbgebildeten zu fesseln vermag und daß so hölzerne,
wenn auch noch so gut gemeinte, moralisirende und ökonomisch den
Werth der Zeit und des Geldes nachdrücklich einprägende dicke Bücher,
wie die Käserei auf der Vehfreude von I. Gotthilf und ähnliche, nicht
mit jenen an sich erbärmlichen Producten des Pastors Leibrock u. A.
concurriren können.

(76) S. 336. Ueber den Ehebruch s. meine Abhandlung in
den Studien I., Berlin 1839, S. 56-90.

(77a.) S. 336. Man s. darüber v. Bülows Novellenbuch,
4 Bde., oder in Ansehung der Italienischen die treffliche Auswahl und
Uebersetzung, die Adalbert Keller in seinem Italienischen Novellen¬
schatz, Leipzig 1851, 6 Bde., gegeben hat.

(77b.) S. 342. Diese köstliche Schilderung Göthe's hätte
ich eigentlich in die Anmerkungen bringen sollen, da sie einen so großen
Raum wegnimmt. Allein ich bedachte, daß am Ende nur wenige sich
um die Anmerkungen kümmern und daß ich daher wohl daran thäte, den
Leser im Text heranzuzwingen. Man sage nicht, daß ich ja noch besser
nur auf Göthe's Werke hätte verweisen können, denn wie träge sind

Geiſt, Prutz' Engelchen, Stifter's Studien u. a., gebracht hätten?
Man frage ſich, ob eins dieſer Bücher in's Engliſche oder Franzöſiſche
überſetzt iſt? Man erinnere ſich, daß ſelbſt von den anerkannteſten,
ältern Claſſikern unſerer Nation immer nur Weniges, ſogar von
Tieck, der mehr für die Unterhaltung erzählt hat, nur einzelne No¬
vellen, le livre bleu u. dgl., überſetzt iſt. Und dazu bedenke man,
daß ein Drittel der Deutſchen Engliſch, wenigſtens Franzöſiſch genug
verſteht, jene Romane auch im Original (der Brüſſeler, Berliner und
Leipziger Nachdrücke) zu leſen, während nur wenige Engländer und
Franzoſen Deutſch lernen, ſo wird man ſich eingeſtehen müſſen, daß
das Verhältniß zu einem ſchreienden Mißverhältnis wird. Durch poli¬
zeiliche Einſchreitungen iſt hier nichts auszurichten, ſie ſind ihrer Natur
nach zu oberflächlich und erzeugen nur das Gelüſt, auf Umwegen ſich
den verbotenen Genuß zu ſchaffen. Nur von Innen heraus, durch
wahrhafte Bildung, nur durch Stärkung unſeres Nationalgefühls,
durch Achtung vor uns ſelbſt, durch wirkliche Liebe zu unſerm Vater¬
lande (ſtatt der ironiſchen Stellung, die wir gewöhnlich dazu einnehmen
und die alle Kraft, auch die ſittliche, bei uns in der Wurzel ver¬
dirbt), iſt etwas Reelles dagegen zu wirken. Die im Text erwähnten
Ritter- und Räuberromane ſind aber ein Beweis, wie wüſt und kin¬
diſch phantaſtiſch es noch in einem großen Theil der untern Schichten
des Volks bei uns ausſieht. Nur eins vergeſſe man nicht, daß ſie
eine gewiſſe wilde Poeſie, eine grelle Abenteuerlichkeit beſitzen, die den
Ungebildeten und Halbgebildeten zu feſſeln vermag und daß ſo hölzerne,
wenn auch noch ſo gut gemeinte, moraliſirende und ökonomiſch den
Werth der Zeit und des Geldes nachdrücklich einprägende dicke Bücher,
wie die Käſerei auf der Vehfreude von I. Gotthilf und ähnliche, nicht
mit jenen an ſich erbärmlichen Producten des Paſtors Leibrock u. A.
concurriren können.

(76) S. 336. Ueber den Ehebruch ſ. meine Abhandlung in
den Studien I., Berlin 1839, S. 56–90.

(77a.) S. 336. Man ſ. darüber v. Bülows Novellenbuch,
4 Bde., oder in Anſehung der Italieniſchen die treffliche Auswahl und
Ueberſetzung, die Adalbert Keller in ſeinem Italieniſchen Novellen¬
ſchatz, Leipzig 1851, 6 Bde., gegeben hat.

(77b.) S. 342. Dieſe köſtliche Schilderung Göthe's hätte
ich eigentlich in die Anmerkungen bringen ſollen, da ſie einen ſo großen
Raum wegnimmt. Allein ich bedachte, daß am Ende nur wenige ſich
um die Anmerkungen kümmern und daß ich daher wohl daran thäte, den
Leſer im Text heranzuzwingen. Man ſage nicht, daß ich ja noch beſſer
nur auf Göthe's Werke hätte verweiſen können, denn wie träge ſind

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[458/0480] Geiſt, Prutz' Engelchen, Stifter's Studien u. a., gebracht hätten? Man frage ſich, ob eins dieſer Bücher in's Engliſche oder Franzöſiſche überſetzt iſt? Man erinnere ſich, daß ſelbſt von den anerkannteſten, ältern Claſſikern unſerer Nation immer nur Weniges, ſogar von Tieck, der mehr für die Unterhaltung erzählt hat, nur einzelne No¬ vellen, le livre bleu u. dgl., überſetzt iſt. Und dazu bedenke man, daß ein Drittel der Deutſchen Engliſch, wenigſtens Franzöſiſch genug verſteht, jene Romane auch im Original (der Brüſſeler, Berliner und Leipziger Nachdrücke) zu leſen, während nur wenige Engländer und Franzoſen Deutſch lernen, ſo wird man ſich eingeſtehen müſſen, daß das Verhältniß zu einem ſchreienden Mißverhältnis wird. Durch poli¬ zeiliche Einſchreitungen iſt hier nichts auszurichten, ſie ſind ihrer Natur nach zu oberflächlich und erzeugen nur das Gelüſt, auf Umwegen ſich den verbotenen Genuß zu ſchaffen. Nur von Innen heraus, durch wahrhafte Bildung, nur durch Stärkung unſeres Nationalgefühls, durch Achtung vor uns ſelbſt, durch wirkliche Liebe zu unſerm Vater¬ lande (ſtatt der ironiſchen Stellung, die wir gewöhnlich dazu einnehmen und die alle Kraft, auch die ſittliche, bei uns in der Wurzel ver¬ dirbt), iſt etwas Reelles dagegen zu wirken. Die im Text erwähnten Ritter- und Räuberromane ſind aber ein Beweis, wie wüſt und kin¬ diſch phantaſtiſch es noch in einem großen Theil der untern Schichten des Volks bei uns ausſieht. Nur eins vergeſſe man nicht, daß ſie eine gewiſſe wilde Poeſie, eine grelle Abenteuerlichkeit beſitzen, die den Ungebildeten und Halbgebildeten zu feſſeln vermag und daß ſo hölzerne, wenn auch noch ſo gut gemeinte, moraliſirende und ökonomiſch den Werth der Zeit und des Geldes nachdrücklich einprägende dicke Bücher, wie die Käſerei auf der Vehfreude von I. Gotthilf und ähnliche, nicht mit jenen an ſich erbärmlichen Producten des Paſtors Leibrock u. A. concurriren können. (76) S. 336. Ueber den Ehebruch ſ. meine Abhandlung in den Studien I., Berlin 1839, S. 56–90. (77a.) S. 336. Man ſ. darüber v. Bülows Novellenbuch, 4 Bde., oder in Anſehung der Italieniſchen die treffliche Auswahl und Ueberſetzung, die Adalbert Keller in ſeinem Italieniſchen Novellen¬ ſchatz, Leipzig 1851, 6 Bde., gegeben hat. (77b.) S. 342. Dieſe köſtliche Schilderung Göthe's hätte ich eigentlich in die Anmerkungen bringen ſollen, da ſie einen ſo großen Raum wegnimmt. Allein ich bedachte, daß am Ende nur wenige ſich um die Anmerkungen kümmern und daß ich daher wohl daran thäte, den Leſer im Text heranzuzwingen. Man ſage nicht, daß ich ja noch beſſer nur auf Göthe's Werke hätte verweiſen können, denn wie träge ſind

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/480>, abgerufen am 24.11.2024.