ist, sondern im Durchschnitt schwebt uns dabei die landschaft¬ liche Schönheit vor, welche alle Naturgestalten zu einer charakteristischen Einheit in sich versammelt. Die Landschaft ist entweder monoton, wenn eine der Naturgestalten in ihr elementarisch vorherrscht, der Berg, der Strom, der Wald, die Wüste u. s. w.; oder sie ist contrastirend, wenn zwei Formen sich einander entgegengesetzt sind; oder sie ist har¬ monisch, wenn ein Gegensatz in einer höhern Einheit sich auflöst. Jede dieser Grundformen kann durch den Wechsel der Tages- und Jahreszeiten eine unendliche Mannigfaltigkeit von Phasen durchlaufen. Auf die Beleuchtung vorzüglich kommt es an, welchen ästhetischen Eindruck eine Landschaft zu machen fähig ist. Eine Wüste kann erhaben, furchtbar erhaben sein, wenn die tropische Sonne sie als tiefliegende Sahara durglühet; melancholisch erhaben, wenn der Mond der gemäßigten Zone sie als hochliegende Gobi mit seinem Silberlicht überschimmert. Aber jede der landschaftlichen Grundformen kann sowohl schön als häßlich sich gestalten. Die Monotonie, die im Ruf der Häßlichkeit steht, verdient denselben erst durch den Indifferentismus absoluter Gestaltlosig¬ keit, wie das bleifarbene, glattstagnirende Meer unter grauem Himmel bei völliger Windstille.
Das Geisthäßliche.
Gehen wir nun von der Natur zum Geist über, so werden wir vorweg sagen müssen, daß der absolute Zweck des Geistes Wahrheit und Güte ist, denen er die Schönheit eben so unterordnet, wie die organische Natur ihren absoluten Zweck, dem Leben. Christus, das Ideal der Freiheit, stellen
iſt, ſondern im Durchſchnitt ſchwebt uns dabei die landſchaft¬ liche Schönheit vor, welche alle Naturgeſtalten zu einer charakteriſtiſchen Einheit in ſich verſammelt. Die Landſchaft iſt entweder monoton, wenn eine der Naturgeſtalten in ihr elementariſch vorherrſcht, der Berg, der Strom, der Wald, die Wüſte u. ſ. w.; oder ſie iſt contraſtirend, wenn zwei Formen ſich einander entgegengeſetzt ſind; oder ſie iſt har¬ moniſch, wenn ein Gegenſatz in einer höhern Einheit ſich auflöſt. Jede dieſer Grundformen kann durch den Wechſel der Tages- und Jahreszeiten eine unendliche Mannigfaltigkeit von Phaſen durchlaufen. Auf die Beleuchtung vorzüglich kommt es an, welchen äſthetiſchen Eindruck eine Landſchaft zu machen fähig iſt. Eine Wüſte kann erhaben, furchtbar erhaben ſein, wenn die tropiſche Sonne ſie als tiefliegende Sahara durglühet; melancholiſch erhaben, wenn der Mond der gemäßigten Zone ſie als hochliegende Gobi mit ſeinem Silberlicht überſchimmert. Aber jede der landſchaftlichen Grundformen kann ſowohl ſchön als häßlich ſich geſtalten. Die Monotonie, die im Ruf der Häßlichkeit ſteht, verdient denſelben erſt durch den Indifferentismus abſoluter Geſtaltloſig¬ keit, wie das bleifarbene, glattſtagnirende Meer unter grauem Himmel bei völliger Windſtille.
Das Geiſthäßliche.
Gehen wir nun von der Natur zum Geiſt über, ſo werden wir vorweg ſagen müſſen, daß der abſolute Zweck des Geiſtes Wahrheit und Güte iſt, denen er die Schönheit eben ſo unterordnet, wie die organiſche Natur ihren abſoluten Zweck, dem Leben. Chriſtus, das Ideal der Freiheit, ſtellen
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liche Schönheit vor, welche alle Naturgeſtalten zu einer
charakteriſtiſchen Einheit in ſich verſammelt. Die Landſchaft
iſt entweder monoton, wenn eine der Naturgeſtalten in ihr
elementariſch vorherrſcht, der Berg, der Strom, der Wald,
die Wüſte u. ſ. w.; oder ſie iſt contraſtirend, wenn zwei
Formen ſich einander entgegengeſetzt ſind; oder ſie iſt har¬
moniſch, wenn ein Gegenſatz in einer höhern Einheit ſich
auflöſt. Jede dieſer Grundformen kann durch den Wechſel
der Tages- und Jahreszeiten eine unendliche Mannigfaltigkeit
von Phaſen durchlaufen. Auf die Beleuchtung vorzüglich
kommt es an, welchen äſthetiſchen Eindruck eine Landſchaft
zu machen fähig iſt. Eine Wüſte kann erhaben, furchtbar
erhaben ſein, wenn die tropiſche Sonne ſie als tiefliegende
Sahara durglühet; melancholiſch erhaben, wenn der Mond
der gemäßigten Zone ſie als hochliegende Gobi mit ſeinem
Silberlicht überſchimmert. Aber jede der landſchaftlichen
Grundformen kann ſowohl ſchön als häßlich ſich geſtalten.
Die Monotonie, die im Ruf der Häßlichkeit ſteht, verdient
denſelben erſt durch den Indifferentismus abſoluter Geſtaltloſig¬
keit, wie das bleifarbene, glattſtagnirende Meer unter
grauem Himmel bei völliger Windſtille.
Das Geiſthäßliche.
Gehen wir nun von der Natur zum Geiſt über, ſo
werden wir vorweg ſagen müſſen, daß der abſolute Zweck des
Geiſtes Wahrheit und Güte iſt, denen er die Schönheit eben
ſo unterordnet, wie die organiſche Natur ihren abſoluten
Zweck, dem Leben. Chriſtus, das Ideal der Freiheit, ſtellen
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/48>, abgerufen am 19.11.2024.
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