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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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durch und durch schlecht und niederträchtig sein. Es ist in dieser
Rücksicht nicht dasselbe, ob das Böse nur als momentan oder als
Grundzug in einem Charakter heraustritt. Bei den Niederländern hebt
das Komische das Schlimme in der Situation auf, und uns wird sogleich
klar, die Charaktere können auch noch etwas Anderes sein, als das,
worin sie in diesem Augenblick vor uns stehen. Solch eine Heiterkeit
und Komik gehört zum unschätzbaren Werth dieser Gemälde. Will
man dagegen in heutigen Bildern der ähnlichen Art pikant sein, so
stellt man gewöhnlich etwas innerlich Gemeines, Schlechtes und Böses
ohne versöhnende Komik dar. Ein böses Weib z. B. zankt ihren
betrunkenen Mann in der Schenke aus, und zwar recht bissig; da
zeigt sich denn, wie ich schon früher einmal anführte, nichts, als daß
Er ein liederlicher Kerl und Sie ein giftiges altes Weib ist." --
Hotho, Geschichte der Deutschen und Niederländischen Malerei,
Berlin 1842, I., S. 137. ff. "Der Künstler, der sich auf diesen
Kreis gemeiner Täglichkeit und interesselosen Scheines concentriren,
aus ihm seine alleinige Norm entlehnen und gewaltsam den Muth
seiner erniedrigenden Begeisterung schöpfen wollte, würde selbst bei
dem höchsten Grade formeller Geschicklichkeit dadurch nichts Andres
gethan haben, als aus der Sphäre der Kunst überhaupt heraus¬
getreten zu sein"

(42) S. 214. W. Gringmuth : de Rhyparographia. Dipu¬
tatio philosophica. Vratislaviae, 1883, 8. Diese fleißige und interessante
Abhandlung hat das Schicksal der meisten akademischen Dissertationen,
ungekannt und ungenannt zu verkommen. Gringmuth hat in der
Einleitung verschiedene Definitionen des Häßlichen gesammelt, stellt
sich selbst ziemlich auf den Weißeschen Standpunct, kann sich aber
gar nicht in die Komik finden und schließt seine Ansicht in Göthe's
Versen ab:

Dann zuletzt ist unerläßlich
Daß der Dichter Manches hasse;
Was unleidlich ist und häßlich,
Nicht wie Schönes leben lasse.

(43) S. 218. Ueber Peire Vidal s. Fr. Diez Leben und
Werke der Troubadours, Zwickau 1829, S. 149. ff. Lichtensteins
Verrücktheiten sind durch seinen Frauendienst bekannt genug.

(44) S. 222. Wegen des Grotesken wäre noch anzuführen,
daß Lessing in einem kleinen Aufsatz seinen Ursprung aus dem Aegyp¬
tischen ableitet. Aber sein Ursprung an und für sich liegt in der Natur
der Sache. Eben so gut könnte man es aus dem Chinesischen oder

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 29

durch und durch ſchlecht und niederträchtig ſein. Es iſt in dieſer
Rückſicht nicht daſſelbe, ob das Böſe nur als momentan oder als
Grundzug in einem Charakter heraustritt. Bei den Niederländern hebt
das Komiſche das Schlimme in der Situation auf, und uns wird ſogleich
klar, die Charaktere können auch noch etwas Anderes ſein, als das,
worin ſie in dieſem Augenblick vor uns ſtehen. Solch eine Heiterkeit
und Komik gehört zum unſchätzbaren Werth dieſer Gemälde. Will
man dagegen in heutigen Bildern der ähnlichen Art pikant ſein, ſo
ſtellt man gewöhnlich etwas innerlich Gemeines, Schlechtes und Böſes
ohne verſöhnende Komik dar. Ein böſes Weib z. B. zankt ihren
betrunkenen Mann in der Schenke aus, und zwar recht biſſig; da
zeigt ſich denn, wie ich ſchon früher einmal anführte, nichts, als daß
Er ein liederlicher Kerl und Sie ein giftiges altes Weib iſt.“ —
Hotho, Geſchichte der Deutſchen und Niederländiſchen Malerei,
Berlin 1842, I., S. 137. ff. „Der Künſtler, der ſich auf dieſen
Kreis gemeiner Täglichkeit und intereſſeloſen Scheines concentriren,
aus ihm ſeine alleinige Norm entlehnen und gewaltſam den Muth
ſeiner erniedrigenden Begeiſterung ſchöpfen wollte, würde ſelbſt bei
dem höchſten Grade formeller Geſchicklichkeit dadurch nichts Andres
gethan haben, als aus der Sphäre der Kunſt überhaupt heraus¬
getreten zu ſein“

(42) S. 214. W. Gringmuth : de Rhyparographia. Dipu¬
tatio philosophica. Vratislaviae, 1883, 8. Dieſe fleißige und intereſſante
Abhandlung hat das Schickſal der meiſten akademiſchen Diſſertationen,
ungekannt und ungenannt zu verkommen. Gringmuth hat in der
Einleitung verſchiedene Definitionen des Häßlichen geſammelt, ſtellt
ſich ſelbſt ziemlich auf den Weißeſchen Standpunct, kann ſich aber
gar nicht in die Komik finden und ſchließt ſeine Anſicht in Göthe's
Verſen ab:

Dann zuletzt iſt unerläßlich
Daß der Dichter Manches haſſe;
Was unleidlich iſt und häßlich,
Nicht wie Schönes leben laſſe.

(43) S. 218. Ueber Peire Vidal ſ. Fr. Diez Leben und
Werke der Troubadours, Zwickau 1829, S. 149. ff. Lichtenſteins
Verrücktheiten ſind durch ſeinen Frauendienſt bekannt genug.

(44) S. 222. Wegen des Grotesken wäre noch anzuführen,
daß Leſſing in einem kleinen Aufſatz ſeinen Urſprung aus dem Aegyp¬
tiſchen ableitet. Aber ſein Urſprung an und für ſich liegt in der Natur
der Sache. Eben ſo gut könnte man es aus dem Chineſiſchen oder

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 29
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[449/0471] durch und durch ſchlecht und niederträchtig ſein. Es iſt in dieſer Rückſicht nicht daſſelbe, ob das Böſe nur als momentan oder als Grundzug in einem Charakter heraustritt. Bei den Niederländern hebt das Komiſche das Schlimme in der Situation auf, und uns wird ſogleich klar, die Charaktere können auch noch etwas Anderes ſein, als das, worin ſie in dieſem Augenblick vor uns ſtehen. Solch eine Heiterkeit und Komik gehört zum unſchätzbaren Werth dieſer Gemälde. Will man dagegen in heutigen Bildern der ähnlichen Art pikant ſein, ſo ſtellt man gewöhnlich etwas innerlich Gemeines, Schlechtes und Böſes ohne verſöhnende Komik dar. Ein böſes Weib z. B. zankt ihren betrunkenen Mann in der Schenke aus, und zwar recht biſſig; da zeigt ſich denn, wie ich ſchon früher einmal anführte, nichts, als daß Er ein liederlicher Kerl und Sie ein giftiges altes Weib iſt.“ — Hotho, Geſchichte der Deutſchen und Niederländiſchen Malerei, Berlin 1842, I., S. 137. ff. „Der Künſtler, der ſich auf dieſen Kreis gemeiner Täglichkeit und intereſſeloſen Scheines concentriren, aus ihm ſeine alleinige Norm entlehnen und gewaltſam den Muth ſeiner erniedrigenden Begeiſterung ſchöpfen wollte, würde ſelbſt bei dem höchſten Grade formeller Geſchicklichkeit dadurch nichts Andres gethan haben, als aus der Sphäre der Kunſt überhaupt heraus¬ getreten zu ſein“ (42) S. 214. W. Gringmuth : de Rhyparographia. Dipu¬ tatio philosophica. Vratislaviae, 1883, 8. Dieſe fleißige und intereſſante Abhandlung hat das Schickſal der meiſten akademiſchen Diſſertationen, ungekannt und ungenannt zu verkommen. Gringmuth hat in der Einleitung verſchiedene Definitionen des Häßlichen geſammelt, ſtellt ſich ſelbſt ziemlich auf den Weißeſchen Standpunct, kann ſich aber gar nicht in die Komik finden und ſchließt ſeine Anſicht in Göthe's Verſen ab: Dann zuletzt iſt unerläßlich Daß der Dichter Manches haſſe; Was unleidlich iſt und häßlich, Nicht wie Schönes leben laſſe. (43) S. 218. Ueber Peire Vidal ſ. Fr. Diez Leben und Werke der Troubadours, Zwickau 1829, S. 149. ff. Lichtenſteins Verrücktheiten ſind durch ſeinen Frauendienſt bekannt genug. (44) S. 222. Wegen des Grotesken wäre noch anzuführen, daß Leſſing in einem kleinen Aufſatz ſeinen Urſprung aus dem Aegyp¬ tiſchen ableitet. Aber ſein Urſprung an und für ſich liegt in der Natur der Sache. Eben ſo gut könnte man es aus dem Chineſiſchen oder Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 29

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/471>, abgerufen am 24.11.2024.