Wo aber gleich ein Plätzchen, wo man ungesehn Hofirte? Ach, bei Nacht sind alle Katzen grau. (Geht vorn auf das Proscenium hin). Hier wird mich jetzt mein Häufchen Niemand legen sehn!
(36) S. 177. Schiller war mit Fichte in Streit gerathen. Fichte hatte ihm für sein Journal eine Abhandlung über Geist und Buchstab zugeschickt. Schiller wollte dieselbe nicht so, wie sie war, abdrucken, weil er am Vortrag auszusetzen fand, Fichte vertheidigte sich mit großem Stolz und Schiller bestand auf der Forderung, daß für eine ästhetischbefriedigende Darstellung Begriff und Bild in Wechselwirkung mit einander treten müßten. Dieser Streit in einem uns nun gedruckt vorliegenden Briefwechsel hat Schiller wohl zu der Abhandlung: über die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen, 1795, angeregt, in welcher wir, freilich nur in eine Anmerkung geworfen, die von mir im Text citirten Worte finden.
(37) S. 178. Ruge: Neue Vorschule der Aesthetik, S. 75 -77. Nach ihm Fischer in der Diotima, S. 198 ff. "Was wir in der Natur gewöhnlich erhaben nennen, ist weit mehr der Ausdruck des Affects, als eine ästhetische Ueberzeugung. Die Natur erhebt uns nicht, sie imponirt uns nur."
(38) S. 186. Voltaire im Prolog zur Pucelle gibt in einem einzigen Zuge die ganze Richtung an, die er in dem Gedicht verfolgt. Er rühmt die Wunder der Tapferkeit und des Glaubens, welche Jeanne vollbrachte. --
Jeanne d'Arc eut un coeur de lion :
Vous le verrez, si lisez cet ouvrage. Vous tremblerez de ses exploits nouveaux; Et le plus grand de ses rares travaux Fut,de garder un an son pucelage.
(39) S. 197. Es erben sich, nach Göthe's bekannten Worten im Faust, Gesetz und Rechte, wie eine ewige Krankheit fort. Aber es erben sich auch Urtheile über Menschen und Bücher als eine ewige Krankheit fort. Diderot und seine Schriften gehören zu den Gegen¬ ständen, an welchen unwissende und befangene Menschen ihr Müthchen zu kühlen pflegen, indem sie die Abscheulichkeit dieses Atheisten, dieses Herausgebers der Encyklopädie, dieses Verfassers unsittlicher Romane, mit recht derben Worten brandmarken, ohne Diderot und seine Werke zu kennen. Es gilt einmal für ausgemacht, daß man seiner und ihrer nur im Ton sittlicher Entrüstung erwähnen dürfe. Ich habe schon früher anderwärts eine größere Billigkeit der Beurtheilung Diderots auch bei uns einzuleiten versucht. Ich habe aufmerksam gemacht, wie
Wo aber gleich ein Plätzchen, wo man ungeſehn Hofirte? Ach, bei Nacht ſind alle Katzen grau. (Geht vorn auf das Proscenium hin). Hier wird mich jetzt mein Häufchen Niemand legen ſehn!
(36) S. 177. Schiller war mit Fichte in Streit gerathen. Fichte hatte ihm für ſein Journal eine Abhandlung über Geiſt und Buchſtab zugeſchickt. Schiller wollte dieſelbe nicht ſo, wie ſie war, abdrucken, weil er am Vortrag auszuſetzen fand, Fichte vertheidigte ſich mit großem Stolz und Schiller beſtand auf der Forderung, daß für eine äſthetiſchbefriedigende Darſtellung Begriff und Bild in Wechſelwirkung mit einander treten müßten. Dieſer Streit in einem uns nun gedruckt vorliegenden Briefwechſel hat Schiller wohl zu der Abhandlung: über die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch ſchöner Formen, 1795, angeregt, in welcher wir, freilich nur in eine Anmerkung geworfen, die von mir im Text citirten Worte finden.
(37) S. 178. Ruge: Neue Vorſchule der Aeſthetik, S. 75 –77. Nach ihm Fiſcher in der Diotima, S. 198 ff. „Was wir in der Natur gewöhnlich erhaben nennen, iſt weit mehr der Ausdruck des Affects, als eine äſthetiſche Ueberzeugung. Die Natur erhebt uns nicht, ſie imponirt uns nur.“
(38) S. 186. Voltaire im Prolog zur Pucelle gibt in einem einzigen Zuge die ganze Richtung an, die er in dem Gedicht verfolgt. Er rühmt die Wunder der Tapferkeit und des Glaubens, welche Jeanne vollbrachte. —
Jeanne d'Arc eut un coeur de lion :
Vous le verrez, si lisez cet ouvrage. Vous tremblerez de ses exploits nouveaux; Et le plus grand de ses rares travaux Fut,de garder un an son pucelage.
(39) S. 197. Es erben ſich, nach Göthe's bekannten Worten im Fauſt, Geſetz und Rechte, wie eine ewige Krankheit fort. Aber es erben ſich auch Urtheile über Menſchen und Bücher als eine ewige Krankheit fort. Diderot und ſeine Schriften gehören zu den Gegen¬ ſtänden, an welchen unwiſſende und befangene Menſchen ihr Müthchen zu kühlen pflegen, indem ſie die Abſcheulichkeit dieſes Atheiſten, dieſes Herausgebers der Encyklopädie, dieſes Verfaſſers unſittlicher Romane, mit recht derben Worten brandmarken, ohne Diderot und ſeine Werke zu kennen. Es gilt einmal für ausgemacht, daß man ſeiner und ihrer nur im Ton ſittlicher Entrüſtung erwähnen dürfe. Ich habe ſchon früher anderwärts eine größere Billigkeit der Beurtheilung Diderots auch bei uns einzuleiten verſucht. Ich habe aufmerkſam gemacht, wie
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Wo aber gleich ein Plätzchen, wo man ungeſehn
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(Geht vorn auf das Proscenium hin).
Hier wird mich jetzt mein Häufchen Niemand legen ſehn!
(36) S. 177. Schiller war mit Fichte in Streit gerathen.
Fichte hatte ihm für ſein Journal eine Abhandlung über Geiſt und
Buchſtab zugeſchickt. Schiller wollte dieſelbe nicht ſo, wie ſie war,
abdrucken, weil er am Vortrag auszuſetzen fand, Fichte vertheidigte
ſich mit großem Stolz und Schiller beſtand auf der Forderung, daß
für eine äſthetiſchbefriedigende Darſtellung Begriff und Bild in
Wechſelwirkung mit einander treten müßten. Dieſer Streit in
einem uns nun gedruckt vorliegenden Briefwechſel hat Schiller wohl
zu der Abhandlung: über die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch
ſchöner Formen, 1795, angeregt, in welcher wir, freilich nur in eine
Anmerkung geworfen, die von mir im Text citirten Worte finden.
(37) S. 178. Ruge: Neue Vorſchule der Aeſthetik, S. 75
–77. Nach ihm Fiſcher in der Diotima, S. 198 ff. „Was wir
in der Natur gewöhnlich erhaben nennen, iſt weit mehr der Ausdruck
des Affects, als eine äſthetiſche Ueberzeugung. Die Natur erhebt
uns nicht, ſie imponirt uns nur.“
(38) S. 186. Voltaire im Prolog zur Pucelle gibt in
einem einzigen Zuge die ganze Richtung an, die er in dem Gedicht
verfolgt. Er rühmt die Wunder der Tapferkeit und des Glaubens,
welche Jeanne vollbrachte. —
Jeanne d'Arc eut un coeur de lion :
Vous le verrez, si lisez cet ouvrage.
Vous tremblerez de ses exploits nouveaux;
Et le plus grand de ses rares travaux
Fut, de garder un an son pucelage.
(39) S. 197. Es erben ſich, nach Göthe's bekannten Worten
im Fauſt, Geſetz und Rechte, wie eine ewige Krankheit fort. Aber
es erben ſich auch Urtheile über Menſchen und Bücher als eine ewige
Krankheit fort. Diderot und ſeine Schriften gehören zu den Gegen¬
ſtänden, an welchen unwiſſende und befangene Menſchen ihr Müthchen
zu kühlen pflegen, indem ſie die Abſcheulichkeit dieſes Atheiſten, dieſes
Herausgebers der Encyklopädie, dieſes Verfaſſers unſittlicher Romane,
mit recht derben Worten brandmarken, ohne Diderot und ſeine Werke
zu kennen. Es gilt einmal für ausgemacht, daß man ſeiner und ihrer
nur im Ton ſittlicher Entrüſtung erwähnen dürfe. Ich habe ſchon
früher anderwärts eine größere Billigkeit der Beurtheilung Diderots
auch bei uns einzuleiten verſucht. Ich habe aufmerkſam gemacht, wie
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/469>, abgerufen am 24.11.2024.
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