(28) S. 135. Brentano's Godwi ist zu Bremen, 1802, in 2 Bden. erschienen. Brentano nannte sich Maria auf dem Titel und schrieb charakteristisch genug auf denselben: ein verwilderter Roman. In die Gesammtausgabe von Brentano's Schriften ist dies merkwür¬ dige Buch, eine hyperromantische Nebensonne der W. Meisterschen Lehrjahre, nicht aufgenommen, sondern Bd. V. nur ein Fragmentchen daraus abgedruckt.
(29) S. 135. In Bratraneks Beiträgen zu einer Aesthetik der Pflanzenwelt ist mit Recht den Fleurs animees ein Capitel gewidmet worden und Bratranek sagt S. 396. treffend: "Schon in seinen Scenen aus dem Privat- und öffentlichen Leben der Thiere hatte Grandville gezeigt, wie man die ursprüngliche Sinnigkeit des Sym¬ bolisirens von der höchsten Reflexion aus wieder hervorrufen könne, in¬ dem er, sei es am Menschen die thierische Seite, seien es am Thier Anklänge an menschliche Verhältnisse und Beziehungen, hervorhob und in der Thiermenschenwelt ein getreues Abbild aller aus der Gesellschaft hervorgehenden Mißrealitäten zusammenstellte. So geht er auch in seinen Fleurs animees, wie dort von den typisch gewordenen Vorstel¬ lungen, hier von der ursprünglich oder traditionell oder conventionell fest gestellten Bedeutsamkeit der Pflanze aus, und überträgt sie nun in die Mienen, Haltung und Bekleidung der Frauen. Die Beseelung, welche eine Pflanze durch's Symbolisiren von der menschlichen Innigkeit erhielt, verleiht nun der Künstler der im Vegetationstypus erscheinenden menschlichen Gestalt, -- es sind menschgewordene Blumen, welche wir vor uns haben, während die Symbolik das Menschliche verblümt aus¬ sprach. Immer, überall und in allen Formen weiß uns Grandville an solchen Menschenpflanzen den Genius selbst der Landschaft aufleuchten zu machen."
(30) S. 137. Lucian, in der Uebersetzung von Pauly, sagt am Schluß seiner Vorrede zu den wahren Geschichten: "Ich ge¬ stehe, daß ich allen diesen Leuten, so viele mir deren vorgekommen sind, das Lügen an und für sich um so weniger zum Vorwurf machen konnte, als ich sah, wie geläufig dasselbe sogar Männern ist, welche sich den Titel Philosophen beilegen: nur darüber mußte ich mich wun¬ dern, wie Jene sich einbilden konnten, die Leser würden nicht merken, daß an ihren Erzählungen (Homer, Jambolos, Ktesias) kein wahres Wort sei. Zugleich war ich eitel genug, der Nachwelt auch ein Werk¬ chen von meiner Feder hinterlassen zu wollen, um nicht allein auf das Recht und die Freiheit, Mythen zu schaffen, verzichten zu müssen. Denn Wahres zu erzählen hatte ich nichts (was ich in meinem Leben erfahren, ist der Rede nicht werth); und so mußte ich mich zur Lüge
(28) S. 135. Brentano's Godwi iſt zu Bremen, 1802, in 2 Bden. erſchienen. Brentano nannte ſich Maria auf dem Titel und ſchrieb charakteriſtiſch genug auf denſelben: ein verwilderter Roman. In die Geſammtausgabe von Brentano's Schriften iſt dies merkwür¬ dige Buch, eine hyperromantiſche Nebenſonne der W. Meiſterſchen Lehrjahre, nicht aufgenommen, ſondern Bd. V. nur ein Fragmentchen daraus abgedruckt.
(29) S. 135. In Bratraneks Beiträgen zu einer Aeſthetik der Pflanzenwelt iſt mit Recht den Fleurs animées ein Capitel gewidmet worden und Bratranek ſagt S. 396. treffend: „Schon in ſeinen Scenen aus dem Privat- und öffentlichen Leben der Thiere hatte Grandville gezeigt, wie man die urſprüngliche Sinnigkeit des Sym¬ boliſirens von der höchſten Reflexion aus wieder hervorrufen könne, in¬ dem er, ſei es am Menſchen die thieriſche Seite, ſeien es am Thier Anklänge an menſchliche Verhältniſſe und Beziehungen, hervorhob und in der Thiermenſchenwelt ein getreues Abbild aller aus der Geſellſchaft hervorgehenden Mißrealitäten zuſammenſtellte. So geht er auch in ſeinen Fleurs animées, wie dort von den typiſch gewordenen Vorſtel¬ lungen, hier von der urſprünglich oder traditionell oder conventionell feſt geſtellten Bedeutſamkeit der Pflanze aus, und überträgt ſie nun in die Mienen, Haltung und Bekleidung der Frauen. Die Beſeelung, welche eine Pflanze durch's Symboliſiren von der menſchlichen Innigkeit erhielt, verleiht nun der Künſtler der im Vegetationstypus erſcheinenden menſchlichen Geſtalt, — es ſind menſchgewordene Blumen, welche wir vor uns haben, während die Symbolik das Menſchliche verblümt aus¬ ſprach. Immer, überall und in allen Formen weiß uns Grandville an ſolchen Menſchenpflanzen den Genius ſelbſt der Landſchaft aufleuchten zu machen.“
(30) S. 137. Lucian, in der Ueberſetzung von Pauly, ſagt am Schluß ſeiner Vorrede zu den wahren Geſchichten: „Ich ge¬ ſtehe, daß ich allen dieſen Leuten, ſo viele mir deren vorgekommen ſind, das Lügen an und für ſich um ſo weniger zum Vorwurf machen konnte, als ich ſah, wie geläufig daſſelbe ſogar Männern iſt, welche ſich den Titel Philoſophen beilegen: nur darüber mußte ich mich wun¬ dern, wie Jene ſich einbilden konnten, die Leſer würden nicht merken, daß an ihren Erzählungen (Homer, Jambolos, Kteſias) kein wahres Wort ſei. Zugleich war ich eitel genug, der Nachwelt auch ein Werk¬ chen von meiner Feder hinterlaſſen zu wollen, um nicht allein auf das Recht und die Freiheit, Mythen zu ſchaffen, verzichten zu müſſen. Denn Wahres zu erzählen hatte ich nichts (was ich in meinem Leben erfahren, iſt der Rede nicht werth); und ſo mußte ich mich zur Lüge
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(28) S. 135. Brentano's Godwi iſt zu Bremen, 1802,
in 2 Bden. erſchienen. Brentano nannte ſich Maria auf dem Titel
und ſchrieb charakteriſtiſch genug auf denſelben: ein verwilderter Roman.
In die Geſammtausgabe von Brentano's Schriften iſt dies merkwür¬
dige Buch, eine hyperromantiſche Nebenſonne der W. Meiſterſchen
Lehrjahre, nicht aufgenommen, ſondern Bd. V. nur ein Fragmentchen
daraus abgedruckt.
(29) S. 135. In Bratraneks Beiträgen zu einer Aeſthetik
der Pflanzenwelt iſt mit Recht den Fleurs animées ein Capitel gewidmet
worden und Bratranek ſagt S. 396. treffend: „Schon in ſeinen
Scenen aus dem Privat- und öffentlichen Leben der Thiere hatte
Grandville gezeigt, wie man die urſprüngliche Sinnigkeit des Sym¬
boliſirens von der höchſten Reflexion aus wieder hervorrufen könne, in¬
dem er, ſei es am Menſchen die thieriſche Seite, ſeien es am Thier
Anklänge an menſchliche Verhältniſſe und Beziehungen, hervorhob und
in der Thiermenſchenwelt ein getreues Abbild aller aus der Geſellſchaft
hervorgehenden Mißrealitäten zuſammenſtellte. So geht er auch in
ſeinen Fleurs animées, wie dort von den typiſch gewordenen Vorſtel¬
lungen, hier von der urſprünglich oder traditionell oder conventionell
feſt geſtellten Bedeutſamkeit der Pflanze aus, und überträgt ſie nun
in die Mienen, Haltung und Bekleidung der Frauen. Die Beſeelung,
welche eine Pflanze durch's Symboliſiren von der menſchlichen Innigkeit
erhielt, verleiht nun der Künſtler der im Vegetationstypus erſcheinenden
menſchlichen Geſtalt, — es ſind menſchgewordene Blumen, welche wir
vor uns haben, während die Symbolik das Menſchliche verblümt aus¬
ſprach. Immer, überall und in allen Formen weiß uns Grandville an
ſolchen Menſchenpflanzen den Genius ſelbſt der Landſchaft aufleuchten
zu machen.“
(30) S. 137. Lucian, in der Ueberſetzung von Pauly,
ſagt am Schluß ſeiner Vorrede zu den wahren Geſchichten: „Ich ge¬
ſtehe, daß ich allen dieſen Leuten, ſo viele mir deren vorgekommen
ſind, das Lügen an und für ſich um ſo weniger zum Vorwurf machen
konnte, als ich ſah, wie geläufig daſſelbe ſogar Männern iſt, welche
ſich den Titel Philoſophen beilegen: nur darüber mußte ich mich wun¬
dern, wie Jene ſich einbilden konnten, die Leſer würden nicht merken,
daß an ihren Erzählungen (Homer, Jambolos, Kteſias) kein wahres
Wort ſei. Zugleich war ich eitel genug, der Nachwelt auch ein Werk¬
chen von meiner Feder hinterlaſſen zu wollen, um nicht allein auf das
Recht und die Freiheit, Mythen zu ſchaffen, verzichten zu müſſen.
Denn Wahres zu erzählen hatte ich nichts (was ich in meinem Leben
erfahren, iſt der Rede nicht werth); und ſo mußte ich mich zur Lüge
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/467>, abgerufen am 21.11.2024.
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