heftigsten Lachen erregt ward. So hielt das Orakel sein Wort. Die Mutter des schönen Apollon und ein Klotz scheinen zu heterogene Dinge zu sein und doch war dieses Unvereinbare hier wirklich und diese Wirklichkeit als eine, die nicht möglich sein sollte, lächerlich. Ist dieser Mythus nicht die Geschichte des Zusammenhangs des Häßlichen, das uns verstummen macht, mit dem Komischen, das uns heiter erschüttert?
Wir haben das Häßliche zuerst im Begriff des Nega¬ tiven, des Unvollkommenen überhaupt aufgesucht. Es zeigte sich, daß es nichts Ursprüngliches, nur etwas Secundäres war, das am Schönen die Bedingung seiner Existenz hat. Wir überzeugten uns nun, wie es in der Natur theils in unmittelbareren Formen derselben, theils durch die Vermittelung von Krankheit oder Verstümmelung sich verwirklicht. Vom Naturhäßlichen unterschied sich das Geisthäßliche, unter wel¬ chem nicht Irrthum, Unwissenheit, Ungewandtheit, nur der Wahnsinn und das Böse verstanden werden konnte. Es schien ein Widerspruch zu sein, daß die Kunst, als die Erzeugerin des Schönen, das Häßliche sollte zu ihrem Gegenstande machen können. Aber nicht nur die Möglichkeit solcher Bildung ergab sich, sondern auch die Nothwendigkeit, einer¬ seits aus der Universalität des Inhalts der Kunst, die das allgemeine Bild der Welt der Erscheinungen in sich reflectirt, anderseits aus dem Wesen des Komischen, welches das Hä߬ liche als Mittel nicht entbehren kann. Da nun die Künste sich von einander qualitativ durch die Verschiedenheit des Mediums der Darstellung unterscheiden, so resultirte hieraus ein verschiedenes Verhältniß zur Möglichkeit der Hervor¬ bringung des Häßlichen, worin der Architektur und Musik das Minimum, der Sculptur das Mittlere, der Malerei
heftigſten Lachen erregt ward. So hielt das Orakel ſein Wort. Die Mutter des ſchönen Apollon und ein Klotz ſcheinen zu heterogene Dinge zu ſein und doch war dieſes Unvereinbare hier wirklich und dieſe Wirklichkeit als eine, die nicht möglich ſein ſollte, lächerlich. Iſt dieſer Mythus nicht die Geſchichte des Zuſammenhangs des Häßlichen, das uns verſtummen macht, mit dem Komiſchen, das uns heiter erſchüttert?
Wir haben das Häßliche zuerſt im Begriff des Nega¬ tiven, des Unvollkommenen überhaupt aufgeſucht. Es zeigte ſich, daß es nichts Urſprüngliches, nur etwas Secundäres war, das am Schönen die Bedingung ſeiner Exiſtenz hat. Wir überzeugten uns nun, wie es in der Natur theils in unmittelbareren Formen derſelben, theils durch die Vermittelung von Krankheit oder Verſtümmelung ſich verwirklicht. Vom Naturhäßlichen unterſchied ſich das Geiſthäßliche, unter wel¬ chem nicht Irrthum, Unwiſſenheit, Ungewandtheit, nur der Wahnſinn und das Böſe verſtanden werden konnte. Es ſchien ein Widerſpruch zu ſein, daß die Kunſt, als die Erzeugerin des Schönen, das Häßliche ſollte zu ihrem Gegenſtande machen können. Aber nicht nur die Möglichkeit ſolcher Bildung ergab ſich, ſondern auch die Nothwendigkeit, einer¬ ſeits aus der Univerſalität des Inhalts der Kunſt, die das allgemeine Bild der Welt der Erſcheinungen in ſich reflectirt, anderſeits aus dem Weſen des Komiſchen, welches das Hä߬ liche als Mittel nicht entbehren kann. Da nun die Künſte ſich von einander qualitativ durch die Verſchiedenheit des Mediums der Darſtellung unterſcheiden, ſo reſultirte hieraus ein verſchiedenes Verhältniß zur Möglichkeit der Hervor¬ bringung des Häßlichen, worin der Architektur und Muſik das Minimum, der Sculptur das Mittlere, der Malerei
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0452"n="430"/>
heftigſten Lachen erregt ward. So hielt das Orakel ſein<lb/>
Wort. Die Mutter des ſchönen Apollon und ein Klotz<lb/>ſcheinen zu heterogene Dinge zu ſein und doch war dieſes<lb/>
Unvereinbare hier wirklich und dieſe Wirklichkeit als eine,<lb/>
die nicht möglich ſein ſollte, lächerlich. Iſt dieſer Mythus<lb/>
nicht die Geſchichte des Zuſammenhangs des Häßlichen, das<lb/>
uns verſtummen macht, mit dem Komiſchen, das uns heiter<lb/>
erſchüttert?</p><lb/><p>Wir haben das Häßliche zuerſt im Begriff des Nega¬<lb/>
tiven, des Unvollkommenen überhaupt aufgeſucht. Es zeigte<lb/>ſich, daß es nichts Urſprüngliches, nur etwas Secundäres<lb/>
war, das am Schönen die Bedingung ſeiner Exiſtenz hat.<lb/>
Wir überzeugten uns nun, wie es in der Natur theils in<lb/>
unmittelbareren Formen derſelben, theils durch die Vermittelung<lb/>
von Krankheit oder Verſtümmelung ſich verwirklicht. Vom<lb/>
Naturhäßlichen unterſchied ſich das Geiſthäßliche, unter wel¬<lb/>
chem nicht Irrthum, Unwiſſenheit, Ungewandtheit, nur der<lb/>
Wahnſinn und das Böſe verſtanden werden konnte. Es ſchien<lb/>
ein Widerſpruch zu ſein, daß die Kunſt, als die Erzeugerin<lb/>
des Schönen, das Häßliche ſollte zu ihrem Gegenſtande<lb/>
machen können. Aber nicht nur die Möglichkeit ſolcher<lb/>
Bildung ergab ſich, ſondern auch die Nothwendigkeit, einer¬<lb/>ſeits aus der Univerſalität des Inhalts der Kunſt, die das<lb/>
allgemeine Bild der Welt der Erſcheinungen in ſich reflectirt,<lb/>
anderſeits aus dem Weſen des Komiſchen, welches das Hä߬<lb/>
liche als Mittel nicht entbehren kann. Da nun die Künſte<lb/>ſich von einander qualitativ durch die Verſchiedenheit des<lb/>
Mediums der Darſtellung unterſcheiden, ſo reſultirte hieraus<lb/>
ein verſchiedenes Verhältniß zur Möglichkeit der Hervor¬<lb/>
bringung des Häßlichen, worin der Architektur und Muſik<lb/>
das Minimum, der Sculptur das Mittlere, der Malerei<lb/></p></div></body></text></TEI>
[430/0452]
heftigſten Lachen erregt ward. So hielt das Orakel ſein
Wort. Die Mutter des ſchönen Apollon und ein Klotz
ſcheinen zu heterogene Dinge zu ſein und doch war dieſes
Unvereinbare hier wirklich und dieſe Wirklichkeit als eine,
die nicht möglich ſein ſollte, lächerlich. Iſt dieſer Mythus
nicht die Geſchichte des Zuſammenhangs des Häßlichen, das
uns verſtummen macht, mit dem Komiſchen, das uns heiter
erſchüttert?
Wir haben das Häßliche zuerſt im Begriff des Nega¬
tiven, des Unvollkommenen überhaupt aufgeſucht. Es zeigte
ſich, daß es nichts Urſprüngliches, nur etwas Secundäres
war, das am Schönen die Bedingung ſeiner Exiſtenz hat.
Wir überzeugten uns nun, wie es in der Natur theils in
unmittelbareren Formen derſelben, theils durch die Vermittelung
von Krankheit oder Verſtümmelung ſich verwirklicht. Vom
Naturhäßlichen unterſchied ſich das Geiſthäßliche, unter wel¬
chem nicht Irrthum, Unwiſſenheit, Ungewandtheit, nur der
Wahnſinn und das Böſe verſtanden werden konnte. Es ſchien
ein Widerſpruch zu ſein, daß die Kunſt, als die Erzeugerin
des Schönen, das Häßliche ſollte zu ihrem Gegenſtande
machen können. Aber nicht nur die Möglichkeit ſolcher
Bildung ergab ſich, ſondern auch die Nothwendigkeit, einer¬
ſeits aus der Univerſalität des Inhalts der Kunſt, die das
allgemeine Bild der Welt der Erſcheinungen in ſich reflectirt,
anderſeits aus dem Weſen des Komiſchen, welches das Hä߬
liche als Mittel nicht entbehren kann. Da nun die Künſte
ſich von einander qualitativ durch die Verſchiedenheit des
Mediums der Darſtellung unterſcheiden, ſo reſultirte hieraus
ein verſchiedenes Verhältniß zur Möglichkeit der Hervor¬
bringung des Häßlichen, worin der Architektur und Muſik
das Minimum, der Sculptur das Mittlere, der Malerei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/452>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.