wesen, wie man sich aus Charles Magnin'sHistoire des Marionettes en Europe depuis l'antiquite jusqu'a nos jours, Paris 1852, überzeugen kann. Die Marionetten der Jahr¬ marktstheater von St. Germain und St. Laurent, deren Chronik Magnin S. 152--169 excerpirt hat, parodirten nicht nur die hohe Tragödie, wie die Orestie, Merope u. s. w., sondern auch das höhere Lustspiel, z. B. Molieres Medecin malgre lui.
Zwischen Parodie und Travestie ist der Unterschied, daß die Parodie nur das Allgemeine, die Travestie aber auch das Besondere verkehrt. Die Travestie ist daher jedes¬ mal auch Parodie, nicht aber die Parodie auch Travestie. Shakespeare's Troilus und Cressida parodiren die Helden der Ilias, aber travestiren sie nicht. Die edlen Fürsten erscheinen als sinnliche, brutale Klopffechter, Helena und Cressida als lockere, zweideutige Dirnen. Der schädigte, keifende Thersites macht mit seinen satirischen Anmerkungen den witzigen Chor zu dem geistarmen Treiben der berühmten Helden. Shakespeare hat die Züge, die im Homer die charakteristischen, übertrieben und mit dieser Charge das heroische Pathos derselben lächerlich gemacht. Der Kraft¬ stolz des Ajas, das Herrscheramt des Agamemnon, die Hahn¬ reischaft des Menelaos, die Freundschaft des Achilleus für den Patroklos, die ritterliche Abenteurerei des Diomedes sind in die prahlsüchtigste Phrase aufgelöst und das Unsittliche in allen diesen Verhältnissen schonungslos blosgelegt. Diese Carikirung ist Parodirung. Die travestirende Caricatur hin¬ gegen verfolgt den Inhalt auch ins Detail, ihn zu verkehren, wie Scarron und Blumauer dies mit Virgils Aeneis, Philippon und Huart mit Sue's Juif errant gethan haben. In neun kleine Bücher haben sie den weitschichtigen
weſen, wie man ſich aus Charles Magnin'sHistoire des Marionettes en Europe depuis l'antiquité jusqu'à nos jours, Paris 1852, überzeugen kann. Die Marionetten der Jahr¬ marktstheater von St. Germain und St. Laurent, deren Chronik Magnin S. 152—169 excerpirt hat, parodirten nicht nur die hohe Tragödie, wie die Oreſtie, Merope u. ſ. w., ſondern auch das höhere Luſtſpiel, z. B. Molières Médécin malgré lui.
Zwiſchen Parodie und Traveſtie iſt der Unterſchied, daß die Parodie nur das Allgemeine, die Traveſtie aber auch das Beſondere verkehrt. Die Traveſtie iſt daher jedes¬ mal auch Parodie, nicht aber die Parodie auch Traveſtie. Shakeſpeare's Troilus und Creſſida parodiren die Helden der Ilias, aber traveſtiren ſie nicht. Die edlen Fürſten erſcheinen als ſinnliche, brutale Klopffechter, Helena und Creſſida als lockere, zweideutige Dirnen. Der ſchädigte, keifende Therſites macht mit ſeinen ſatiriſchen Anmerkungen den witzigen Chor zu dem geiſtarmen Treiben der berühmten Helden. Shakeſpeare hat die Züge, die im Homer die charakteriſtiſchen, übertrieben und mit dieſer Charge das heroiſche Pathos derſelben lächerlich gemacht. Der Kraft¬ ſtolz des Ajas, das Herrſcheramt des Agamemnon, die Hahn¬ reiſchaft des Menelaos, die Freundſchaft des Achilleus für den Patroklos, die ritterliche Abenteurerei des Diomedes ſind in die prahlſüchtigſte Phraſe aufgelöſt und das Unſittliche in allen dieſen Verhältniſſen ſchonungslos blosgelegt. Dieſe Carikirung iſt Parodirung. Die traveſtirende Caricatur hin¬ gegen verfolgt den Inhalt auch ins Detail, ihn zu verkehren, wie Scarron und Blumauer dies mit Virgils Aeneis, Philippon und Huart mit Sue's Juif errant gethan haben. In neun kleine Bücher haben ſie den weitſchichtigen
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weſen, wie man ſich aus Charles Magnin's Histoire des
Marionettes en Europe depuis l'antiquité jusqu'à nos jours,
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marktstheater von St. Germain und St. Laurent, deren
Chronik Magnin S. 152—169 excerpirt hat, parodirten
nicht nur die hohe Tragödie, wie die Oreſtie, Merope u. ſ. w.,
ſondern auch das höhere Luſtſpiel, z. B. Molières Médécin
malgré lui.
Zwiſchen Parodie und Traveſtie iſt der Unterſchied,
daß die Parodie nur das Allgemeine, die Traveſtie aber
auch das Beſondere verkehrt. Die Traveſtie iſt daher jedes¬
mal auch Parodie, nicht aber die Parodie auch Traveſtie.
Shakeſpeare's Troilus und Creſſida parodiren die
Helden der Ilias, aber traveſtiren ſie nicht. Die edlen
Fürſten erſcheinen als ſinnliche, brutale Klopffechter, Helena
und Creſſida als lockere, zweideutige Dirnen. Der ſchädigte,
keifende Therſites macht mit ſeinen ſatiriſchen Anmerkungen
den witzigen Chor zu dem geiſtarmen Treiben der berühmten
Helden. Shakeſpeare hat die Züge, die im Homer die
charakteriſtiſchen, übertrieben und mit dieſer Charge das
heroiſche Pathos derſelben lächerlich gemacht. Der Kraft¬
ſtolz des Ajas, das Herrſcheramt des Agamemnon, die Hahn¬
reiſchaft des Menelaos, die Freundſchaft des Achilleus für
den Patroklos, die ritterliche Abenteurerei des Diomedes
ſind in die prahlſüchtigſte Phraſe aufgelöſt und das Unſittliche
in allen dieſen Verhältniſſen ſchonungslos blosgelegt. Dieſe
Carikirung iſt Parodirung. Die traveſtirende Caricatur hin¬
gegen verfolgt den Inhalt auch ins Detail, ihn zu verkehren,
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Philippon und Huart mit Sue's Juif errant gethan
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/421>, abgerufen am 25.11.2024.
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