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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Symposien feierte. Aber in einer Hinsicht ist es doch der¬
selbe Sokrates, denn seine Gestalt, seine nackten Füße,
seinen Stab und Bart, seine Manier zu dialektisiren, hat
er doch wieder von ihm entlehnt und eben dadurch eine ächte
Caricatur erschaffen. Die Philosophie überhaupt kann man
nicht carikiren, wohl aber einen Philosophen, die allgemeinste,
eminenteste, dem Publicum geläufigste Form der Erscheinung
der Philosophie in einem Philosophen, seinen Dogmen, seiner
Methode, seiner Lebensart; wie auch Palissot in seinen
Philosophen Rousseaus Naturevangelium, Gruppe in
seinen Winden Hegels Kathedermanier carikirten. Für
Aristophanes war Sokrates das Schema, der Uebergang zur
poetischen Individualisirung. Sokrates besaß Philosophie
und Urbanität genug, bei der Aufführung der Wolken gegen¬
wärtig zu sein und sogar im Theater aufzustehen, dem Pu¬
blicum die Vergleichung zu erleichtern. Hätte Aristophanes
nur einen abstracten Sophisten hingestellt, so würde seiner
Figur die individuelle Vertiefung gefehlt haben.

Allein nun werden wir sofort einen Unterschied aner¬
kennen müssen zwischen den Caricaturen, welche der Welt
der wirklichen Erscheinung und denen, welche der Welt der
Kunst angehören. Die wirkliche Caricatur stellt uns auch
den Widerspruch der Erscheinung mit ihrem Wesen dar, sei
es durch Usurpation oder Degradation. Sie ist aber eine
sehr unfreiwillige. Alle jene Industrieritter, jene altklugen
Kinder, jene Pedanten der Gelehrsamkeit, jene Pseudophi¬
losophen, jene Pseudoreformatoren des Staats und der
Kirche, jene Pseudogenies, jene forcirt liebenswürdigen Schö¬
nen, jene ewig achtzehn Jahr alten Weiber, jene Ueberbil¬
deten u. s. w., wie sie aus der Corruption aller Culturen
beständig hervorgehen, alle Werke, die nur Realisationen des

Sympoſien feierte. Aber in einer Hinſicht iſt es doch der¬
ſelbe Sokrates, denn ſeine Geſtalt, ſeine nackten Füße,
ſeinen Stab und Bart, ſeine Manier zu dialektiſiren, hat
er doch wieder von ihm entlehnt und eben dadurch eine ächte
Caricatur erſchaffen. Die Philoſophie überhaupt kann man
nicht carikiren, wohl aber einen Philoſophen, die allgemeinſte,
eminenteſte, dem Publicum geläufigſte Form der Erſcheinung
der Philoſophie in einem Philoſophen, ſeinen Dogmen, ſeiner
Methode, ſeiner Lebensart; wie auch Paliſſot in ſeinen
Philoſophen Rouſſeaus Naturevangelium, Gruppe in
ſeinen Winden Hegels Kathedermanier carikirten. Für
Ariſtophanes war Sokrates das Schema, der Uebergang zur
poetiſchen Individualiſirung. Sokrates beſaß Philoſophie
und Urbanität genug, bei der Aufführung der Wolken gegen¬
wärtig zu ſein und ſogar im Theater aufzuſtehen, dem Pu¬
blicum die Vergleichung zu erleichtern. Hätte Ariſtophanes
nur einen abſtracten Sophiſten hingeſtellt, ſo würde ſeiner
Figur die individuelle Vertiefung gefehlt haben.

Allein nun werden wir ſofort einen Unterſchied aner¬
kennen müſſen zwiſchen den Caricaturen, welche der Welt
der wirklichen Erſcheinung und denen, welche der Welt der
Kunſt angehören. Die wirkliche Caricatur ſtellt uns auch
den Widerſpruch der Erſcheinung mit ihrem Weſen dar, ſei
es durch Uſurpation oder Degradation. Sie iſt aber eine
ſehr unfreiwillige. Alle jene Induſtrieritter, jene altklugen
Kinder, jene Pedanten der Gelehrſamkeit, jene Pſeudophi¬
loſophen, jene Pſeudoreformatoren des Staats und der
Kirche, jene Pſeudogenies, jene forcirt liebenswürdigen Schö¬
nen, jene ewig achtzehn Jahr alten Weiber, jene Ueberbil¬
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[393/0415] Sympoſien feierte. Aber in einer Hinſicht iſt es doch der¬ ſelbe Sokrates, denn ſeine Geſtalt, ſeine nackten Füße, ſeinen Stab und Bart, ſeine Manier zu dialektiſiren, hat er doch wieder von ihm entlehnt und eben dadurch eine ächte Caricatur erſchaffen. Die Philoſophie überhaupt kann man nicht carikiren, wohl aber einen Philoſophen, die allgemeinſte, eminenteſte, dem Publicum geläufigſte Form der Erſcheinung der Philoſophie in einem Philoſophen, ſeinen Dogmen, ſeiner Methode, ſeiner Lebensart; wie auch Paliſſot in ſeinen Philoſophen Rouſſeaus Naturevangelium, Gruppe in ſeinen Winden Hegels Kathedermanier carikirten. Für Ariſtophanes war Sokrates das Schema, der Uebergang zur poetiſchen Individualiſirung. Sokrates beſaß Philoſophie und Urbanität genug, bei der Aufführung der Wolken gegen¬ wärtig zu ſein und ſogar im Theater aufzuſtehen, dem Pu¬ blicum die Vergleichung zu erleichtern. Hätte Ariſtophanes nur einen abſtracten Sophiſten hingeſtellt, ſo würde ſeiner Figur die individuelle Vertiefung gefehlt haben. Allein nun werden wir ſofort einen Unterſchied aner¬ kennen müſſen zwiſchen den Caricaturen, welche der Welt der wirklichen Erſcheinung und denen, welche der Welt der Kunſt angehören. Die wirkliche Caricatur ſtellt uns auch den Widerſpruch der Erſcheinung mit ihrem Weſen dar, ſei es durch Uſurpation oder Degradation. Sie iſt aber eine ſehr unfreiwillige. Alle jene Induſtrieritter, jene altklugen Kinder, jene Pedanten der Gelehrſamkeit, jene Pſeudophi¬ loſophen, jene Pſeudoreformatoren des Staats und der Kirche, jene Pſeudogenies, jene forcirt liebenswürdigen Schö¬ nen, jene ewig achtzehn Jahr alten Weiber, jene Ueberbil¬ deten u. ſ. w., wie ſie aus der Corruption aller Culturen beſtändig hervorgehen, alle Werke, die nur Realiſationen des

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/415>, abgerufen am 22.11.2024.