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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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eine Vergleichung mit denjenigen positiven Begriffen des
Schönen in sich, die von ihnen negativ gesetzt werden. Das
Kleinliche hat am Großen, das Schwächliche am Starken,
das Niedrige am Majestätischen, das Plumpe am Niedlichen,
das Todte und Leere am Spielenden, das Scheußliche am
Reizenden das Maaß, worin es sich reflectirt. Die Caricatur
dagegen hat ihr Maaß nicht mehr nur an einem allgemeinen
Begriff, sondern verlangt die bestimmte Beziehung auf
einen schon individualisirten Begriff, der eine sehr
allgemeine Bedeutung, einen großen Umfang haben kann,
jedoch aus der Sphäre der bloßen Begrifflichkeit herausgehen
muß. Den Begriff der Familie, des Staates, des Tanzes,
der Malerei, des Geizes u. s. w. überhaupt kann man nicht
carikiren. Um das Urbild im Zerrbilde verzerrt zu erblicken,
muß zwischen seinem Begriff und der Verzerrung wenigstens
diejenige Individualisirung in die Mitte treten, welche
Kant in der Kritik der reinen Vernunft das Schema nennt.
Das Urbild darf nicht der blos abstracte Begriff bleiben,
es muß eine schon irgendwie individuelle Gestalt gewonnen
haben. Was wir aber hier Urbild für das Zerrbild nennen,
ist auch nicht im ausschließlich idealen Sinn, sondern nur
in dem eines positiven Hintergrundes überhaupt zu
nehmen, denn es kann eine selbst durchaus empirische Er¬
scheinung sein. Aristophanes in seinen Wolken geißelt
die Unphilosophie, die Sophisterei, den ungerechten Logos.
Als Zerrbild des Philosophen stellt er den Sokrates auf.
Dieser Sokrates, der auf der Palästra Mäntel stiehlt, der den
Flohsprung berechnet, der das Ungerade gerade machen lehrt,
der, dem Aether näher zu sein, in seiner Denkstube auf
einem Käsekorbe schwebt, der seine Schüler nasführt, ist
freilich nicht derselbe Sokrates, mit welchem er enthusiastische

eine Vergleichung mit denjenigen poſitiven Begriffen des
Schönen in ſich, die von ihnen negativ geſetzt werden. Das
Kleinliche hat am Großen, das Schwächliche am Starken,
das Niedrige am Majeſtätiſchen, das Plumpe am Niedlichen,
das Todte und Leere am Spielenden, das Scheußliche am
Reizenden das Maaß, worin es ſich reflectirt. Die Caricatur
dagegen hat ihr Maaß nicht mehr nur an einem allgemeinen
Begriff, ſondern verlangt die beſtimmte Beziehung auf
einen ſchon individualiſirten Begriff, der eine ſehr
allgemeine Bedeutung, einen großen Umfang haben kann,
jedoch aus der Sphäre der bloßen Begrifflichkeit herausgehen
muß. Den Begriff der Familie, des Staates, des Tanzes,
der Malerei, des Geizes u. ſ. w. überhaupt kann man nicht
carikiren. Um das Urbild im Zerrbilde verzerrt zu erblicken,
muß zwiſchen ſeinem Begriff und der Verzerrung wenigſtens
diejenige Individualiſirung in die Mitte treten, welche
Kant in der Kritik der reinen Vernunft das Schema nennt.
Das Urbild darf nicht der blos abſtracte Begriff bleiben,
es muß eine ſchon irgendwie individuelle Geſtalt gewonnen
haben. Was wir aber hier Urbild für das Zerrbild nennen,
iſt auch nicht im ausſchließlich idealen Sinn, ſondern nur
in dem eines poſitiven Hintergrundes überhaupt zu
nehmen, denn es kann eine ſelbſt durchaus empiriſche Er¬
ſcheinung ſein. Ariſtophanes in ſeinen Wolken geißelt
die Unphiloſophie, die Sophiſterei, den ungerechten Logos.
Als Zerrbild des Philoſophen ſtellt er den Sokrates auf.
Dieſer Sokrates, der auf der Paläſtra Mäntel ſtiehlt, der den
Flohſprung berechnet, der das Ungerade gerade machen lehrt,
der, dem Aether näher zu ſein, in ſeiner Denkſtube auf
einem Käſekorbe ſchwebt, der ſeine Schüler nasführt, iſt
freilich nicht derſelbe Sokrates, mit welchem er enthuſiaſtiſche

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[392/0414] eine Vergleichung mit denjenigen poſitiven Begriffen des Schönen in ſich, die von ihnen negativ geſetzt werden. Das Kleinliche hat am Großen, das Schwächliche am Starken, das Niedrige am Majeſtätiſchen, das Plumpe am Niedlichen, das Todte und Leere am Spielenden, das Scheußliche am Reizenden das Maaß, worin es ſich reflectirt. Die Caricatur dagegen hat ihr Maaß nicht mehr nur an einem allgemeinen Begriff, ſondern verlangt die beſtimmte Beziehung auf einen ſchon individualiſirten Begriff, der eine ſehr allgemeine Bedeutung, einen großen Umfang haben kann, jedoch aus der Sphäre der bloßen Begrifflichkeit herausgehen muß. Den Begriff der Familie, des Staates, des Tanzes, der Malerei, des Geizes u. ſ. w. überhaupt kann man nicht carikiren. Um das Urbild im Zerrbilde verzerrt zu erblicken, muß zwiſchen ſeinem Begriff und der Verzerrung wenigſtens diejenige Individualiſirung in die Mitte treten, welche Kant in der Kritik der reinen Vernunft das Schema nennt. Das Urbild darf nicht der blos abſtracte Begriff bleiben, es muß eine ſchon irgendwie individuelle Geſtalt gewonnen haben. Was wir aber hier Urbild für das Zerrbild nennen, iſt auch nicht im ausſchließlich idealen Sinn, ſondern nur in dem eines poſitiven Hintergrundes überhaupt zu nehmen, denn es kann eine ſelbſt durchaus empiriſche Er¬ ſcheinung ſein. Ariſtophanes in ſeinen Wolken geißelt die Unphiloſophie, die Sophiſterei, den ungerechten Logos. Als Zerrbild des Philoſophen ſtellt er den Sokrates auf. Dieſer Sokrates, der auf der Paläſtra Mäntel ſtiehlt, der den Flohſprung berechnet, der das Ungerade gerade machen lehrt, der, dem Aether näher zu ſein, in ſeiner Denkſtube auf einem Käſekorbe ſchwebt, der ſeine Schüler nasführt, iſt freilich nicht derſelbe Sokrates, mit welchem er enthuſiaſtiſche

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/414>, abgerufen am 22.11.2024.