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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Man war unerschöpflich in symbolischen Abschilderungen der
Laster und ihrer Strafen. Dante hat in seiner Hölle noch
viel Antikes, was auf den Zeichnungen, die Flarmann
zum Inferno gemacht hat, recht in die Augen springt. Es
herrscht hier noch eine plastische Art zu sehen und zu grup¬
piren. Umgekehrt hat Breughel Formen der christlichen
Hölle in seiner Ankunft der Proserpina auf den antiken
Tartarus übertragen. Bei der so beliebten Versuchungsge¬
schichte des heiligen Antonius wird den umschwärmenden
Kobolden, Larven, Teufeln und Teufelinnen, die uns den
Kampf im Innern des Heiligen vergegenständlichen sollen,
ein Mittelpunct in dem Teufel gegeben, der als ein schönes
Weib den Einsiedler zur Wollust zu reizen sucht. Diese ver¬
führerische Schönheit soll jedoch an kleinen Merkmalen die
Heimath verrathen, aus der sie stammt: daher das Horn, das
aus der Fülle der Locken hervordringt, daher der Schweif,
der unter dem Schlepp des Sammtkleides hervorguckt, da¬
her der Pferdehuf, der sich durch das Gewand durchzeichnet.
Doch noch mehr, als solche symbolische Attribute, sollen Stel¬
lung, Geberde, Züge, Blick des Weibes, welches dem Ere¬
miten einen Pocal dareicht, das Scheinwesen der höllischen
Schönen erkennen lassen, die Tod und Elend in sich birgt.
Callot (87) hat in seiner Behandlung dieses Süjets eine
Ueberschwänglichkeit toller Erfindungen bewiesen. Er hat ein
großes Felsengeklüft gemalt, das hinten einen Ausblick auf
die von Feuersbrünsten und Wassersnöthen molestirte Welt
darbietet. Rechts vor unsern Augen, in einen Winkel zu¬
sammengedrängt, sehen wir den heiligen Antonius sich gegen
die Laster wehren, die ihn mit Ketten fesseln und fortreißen
möchten. Eben scheint er den Sieg über den Teufel der
Wollust davon getragen zu haben. In einer dunkeln Ecke

Man war unerſchöpflich in ſymboliſchen Abſchilderungen der
Laſter und ihrer Strafen. Dante hat in ſeiner Hölle noch
viel Antikes, was auf den Zeichnungen, die Flarmann
zum Inferno gemacht hat, recht in die Augen ſpringt. Es
herrſcht hier noch eine plaſtiſche Art zu ſehen und zu grup¬
piren. Umgekehrt hat Breughel Formen der chriſtlichen
Hölle in ſeiner Ankunft der Proſerpina auf den antiken
Tartarus übertragen. Bei der ſo beliebten Verſuchungsge¬
ſchichte des heiligen Antonius wird den umſchwärmenden
Kobolden, Larven, Teufeln und Teufelinnen, die uns den
Kampf im Innern des Heiligen vergegenſtändlichen ſollen,
ein Mittelpunct in dem Teufel gegeben, der als ein ſchönes
Weib den Einſiedler zur Wolluſt zu reizen ſucht. Dieſe ver¬
führeriſche Schönheit ſoll jedoch an kleinen Merkmalen die
Heimath verrathen, aus der ſie ſtammt: daher das Horn, das
aus der Fülle der Locken hervordringt, daher der Schweif,
der unter dem Schlepp des Sammtkleides hervorguckt, da¬
her der Pferdehuf, der ſich durch das Gewand durchzeichnet.
Doch noch mehr, als ſolche ſymboliſche Attribute, ſollen Stel¬
lung, Geberde, Züge, Blick des Weibes, welches dem Ere¬
miten einen Pocal dareicht, das Scheinweſen der hölliſchen
Schönen erkennen laſſen, die Tod und Elend in ſich birgt.
Callot (87) hat in ſeiner Behandlung dieſes Süjets eine
Ueberſchwänglichkeit toller Erfindungen bewieſen. Er hat ein
großes Felſengeklüft gemalt, das hinten einen Ausblick auf
die von Feuersbrünſten und Waſſersnöthen moleſtirte Welt
darbietet. Rechts vor unſern Augen, in einen Winkel zu¬
ſammengedrängt, ſehen wir den heiligen Antonius ſich gegen
die Laſter wehren, die ihn mit Ketten feſſeln und fortreißen
möchten. Eben ſcheint er den Sieg über den Teufel der
Wolluſt davon getragen zu haben. In einer dunkeln Ecke

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[377/0399] Man war unerſchöpflich in ſymboliſchen Abſchilderungen der Laſter und ihrer Strafen. Dante hat in ſeiner Hölle noch viel Antikes, was auf den Zeichnungen, die Flarmann zum Inferno gemacht hat, recht in die Augen ſpringt. Es herrſcht hier noch eine plaſtiſche Art zu ſehen und zu grup¬ piren. Umgekehrt hat Breughel Formen der chriſtlichen Hölle in ſeiner Ankunft der Proſerpina auf den antiken Tartarus übertragen. Bei der ſo beliebten Verſuchungsge¬ ſchichte des heiligen Antonius wird den umſchwärmenden Kobolden, Larven, Teufeln und Teufelinnen, die uns den Kampf im Innern des Heiligen vergegenſtändlichen ſollen, ein Mittelpunct in dem Teufel gegeben, der als ein ſchönes Weib den Einſiedler zur Wolluſt zu reizen ſucht. Dieſe ver¬ führeriſche Schönheit ſoll jedoch an kleinen Merkmalen die Heimath verrathen, aus der ſie ſtammt: daher das Horn, das aus der Fülle der Locken hervordringt, daher der Schweif, der unter dem Schlepp des Sammtkleides hervorguckt, da¬ her der Pferdehuf, der ſich durch das Gewand durchzeichnet. Doch noch mehr, als ſolche ſymboliſche Attribute, ſollen Stel¬ lung, Geberde, Züge, Blick des Weibes, welches dem Ere¬ miten einen Pocal dareicht, das Scheinweſen der hölliſchen Schönen erkennen laſſen, die Tod und Elend in ſich birgt. Callot (87) hat in ſeiner Behandlung dieſes Süjets eine Ueberſchwänglichkeit toller Erfindungen bewieſen. Er hat ein großes Felſengeklüft gemalt, das hinten einen Ausblick auf die von Feuersbrünſten und Waſſersnöthen moleſtirte Welt darbietet. Rechts vor unſern Augen, in einen Winkel zu¬ ſammengedrängt, ſehen wir den heiligen Antonius ſich gegen die Laſter wehren, die ihn mit Ketten feſſeln und fortreißen möchten. Eben ſcheint er den Sieg über den Teufel der Wolluſt davon getragen zu haben. In einer dunkeln Ecke

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/399>, abgerufen am 22.11.2024.