worfenheit, der seiner Erscheinung, bei aller Scheußlichkeit, eine gewisse formale Freiheit verleihet, die es zu einem ästhe¬ tischeren Object werden läßt, als man zunächst denken sollte. Der Teufel, so sehr er sich forciren möge, sich an Gottes Stelle zu setzen, kann doch nichts schaffen, als nur das monströse Wunder seines Ja-Neins, seines absoluten Widerspruchs und ist, wegen der apriorischen Vergeblichkeit seines Bemühens um Originalität, doch immer nur eine Frazze, deren angemaaßte Majestät sofort ins Komische des "armen und dummen" Teufels umschlägt. Die Phantasie hat den Teufel 1. über¬ menschlich, 2. untermenschlich, 3. menschlich dargestellt.
Uebermenschlich als Glied einer höhern, von dem wahren Gott aus Neid und Hochmuth abgefallenen Geister¬ welt. Solche satanische Subjecte hat die religiöse Phantasie in colossalen Formen vorgestellt. In den niedrigeren Natur¬ religionen wird die Macht des Bösen den höchsten Göttern noch selber beigelegt und die Gestalt der Götzen daher darauf berechnet, durch Ungeheuerlichkeit Furcht und Grausen ein zustoßen. Wie greulich glotzt uns nicht der Mongolische Changor, der Mexikanische Huitzilopochtli an! Wie fürch¬ terlich starren uns diese grellen Augen an, wie blutdürftig lechzt uns diese brutale Zunge aus dem Rachen entgegen, wie drohend grinsen uns diese scharfen Zähne an, wie bestialisch zeigen uns diese ungefügen Tatzen ihre blinde Unwiderstehlichkeit, wie sinnverwirrend schaut sich der Leib als ein buntscheckiges Conglomerat von menschlichen und thierischen Formen an, wie schauerlich der Ausputz mit Men¬ schenschädeln und zermalmten Leichnamen! In höher stehen¬ den Religionen verschwindet diese Raubthierphysiognomie. Lüge, Neid und Hochmuth treten als die constanten Züge der satanischen Geister hervor, der Mord erst als
worfenheit, der ſeiner Erſcheinung, bei aller Scheußlichkeit, eine gewiſſe formale Freiheit verleihet, die es zu einem äſthe¬ tiſcheren Object werden läßt, als man zunächſt denken ſollte. Der Teufel, ſo ſehr er ſich forciren möge, ſich an Gottes Stelle zu ſetzen, kann doch nichts ſchaffen, als nur das monſtröſe Wunder ſeines Ja-Neins, ſeines abſoluten Widerſpruchs und iſt, wegen der aprioriſchen Vergeblichkeit ſeines Bemühens um Originalität, doch immer nur eine Frazze, deren angemaaßte Majeſtät ſofort ins Komiſche des „armen und dummen“ Teufels umſchlägt. Die Phantaſie hat den Teufel 1. über¬ menſchlich, 2. untermenſchlich, 3. menſchlich dargeſtellt.
Uebermenſchlich als Glied einer höhern, von dem wahren Gott aus Neid und Hochmuth abgefallenen Geiſter¬ welt. Solche ſataniſche Subjecte hat die religiöſe Phantaſie in coloſſalen Formen vorgeſtellt. In den niedrigeren Natur¬ religionen wird die Macht des Böſen den höchſten Göttern noch ſelber beigelegt und die Geſtalt der Götzen daher darauf berechnet, durch Ungeheuerlichkeit Furcht und Grauſen ein zuſtoßen. Wie greulich glotzt uns nicht der Mongoliſche Changor, der Mexikaniſche Huitzilopochtli an! Wie fürch¬ terlich ſtarren uns dieſe grellen Augen an, wie blutdürftig lechzt uns dieſe brutale Zunge aus dem Rachen entgegen, wie drohend grinſen uns dieſe ſcharfen Zähne an, wie beſtialiſch zeigen uns dieſe ungefügen Tatzen ihre blinde Unwiderſtehlichkeit, wie ſinnverwirrend ſchaut ſich der Leib als ein buntſcheckiges Conglomerat von menſchlichen und thieriſchen Formen an, wie ſchauerlich der Ausputz mit Men¬ ſchenſchädeln und zermalmten Leichnamen! In höher ſtehen¬ den Religionen verſchwindet dieſe Raubthierphyſiognomie. Lüge, Neid und Hochmuth treten als die conſtanten Züge der ſataniſchen Geiſter hervor, der Mord erſt als
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worfenheit, der ſeiner Erſcheinung, bei aller Scheußlichkeit,
eine gewiſſe formale Freiheit verleihet, die es zu einem äſthe¬
tiſcheren Object werden läßt, als man zunächſt denken ſollte.
Der Teufel, ſo ſehr er ſich forciren möge, ſich an Gottes Stelle
zu ſetzen, kann doch nichts ſchaffen, als nur das monſtröſe
Wunder ſeines Ja-Neins, ſeines abſoluten Widerſpruchs und
iſt, wegen der aprioriſchen Vergeblichkeit ſeines Bemühens um
Originalität, doch immer nur eine Frazze, deren angemaaßte
Majeſtät ſofort ins Komiſche des „armen und dummen“
Teufels umſchlägt. Die Phantaſie hat den Teufel 1. über¬
menſchlich, 2. untermenſchlich, 3. menſchlich dargeſtellt.
Uebermenſchlich als Glied einer höhern, von dem
wahren Gott aus Neid und Hochmuth abgefallenen Geiſter¬
welt. Solche ſataniſche Subjecte hat die religiöſe Phantaſie
in coloſſalen Formen vorgeſtellt. In den niedrigeren Natur¬
religionen wird die Macht des Böſen den höchſten Göttern
noch ſelber beigelegt und die Geſtalt der Götzen daher darauf
berechnet, durch Ungeheuerlichkeit Furcht und Grauſen ein
zuſtoßen. Wie greulich glotzt uns nicht der Mongoliſche
Changor, der Mexikaniſche Huitzilopochtli an! Wie fürch¬
terlich ſtarren uns dieſe grellen Augen an, wie blutdürftig
lechzt uns dieſe brutale Zunge aus dem Rachen entgegen,
wie drohend grinſen uns dieſe ſcharfen Zähne an, wie
beſtialiſch zeigen uns dieſe ungefügen Tatzen ihre blinde
Unwiderſtehlichkeit, wie ſinnverwirrend ſchaut ſich der Leib
als ein buntſcheckiges Conglomerat von menſchlichen und
thieriſchen Formen an, wie ſchauerlich der Ausputz mit Men¬
ſchenſchädeln und zermalmten Leichnamen! In höher ſtehen¬
den Religionen verſchwindet dieſe Raubthierphyſiognomie.
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/394>, abgerufen am 23.11.2024.
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