Kirche gestaltete das Hexenwesen zu einem diabolischen Cultus aus. Die Versammlungen der Waldenser auf einsa¬ men Bergkoppen gaben die erste Veranlassung zur Vorstellung des Hexensabbaths, den man in Frankreich auch Vauderie nannte und den die Norddeutsche Sage auf den Brocken ver¬ legte. Hier, in der synagoge diabolica, sollte der gesammte christliche Gottesdienst mit dem ekelhaftesten Cynismus parodirt werden. Der Satan in menschlicher Gestalt zwar, aber mit einem Bocksgesicht, mit Krallen an den Händen, mit Gänse¬ oder Pferdefüßen, läßt sich förmlich adoriren. Man küßt ihm die Genitalien und den Hintern. Taufe und Abend¬ mahl werden persiflirt, indem man Kröten, Igel, Mäuse u. dgl. tauft; was der Teufel statt der Hostie darreicht, gleicht einer Schuhsole, ist schwarz, herb und zähe; was er zu trinken gibt, ist gleichfalls schwarz, bitter, ekelerregend. Auch opfert sich der Satan gewissermaaßen, um auch Christi Opfertod zu parodiren, indem er sich als Bock mit großem Gestank verbrennt. Die teuflische Kirche feiert ihre Andacht in der Orgie, in wollüstigen Tänzen und Umarmungen, die jedoch das Eigenthümliche haben, daß der Same der Teufel kalt ist, da sie als gottverfluchte Subjecte nicht productiv sind, daher erst in angenommener Weibsgestalt als Succubus von einem Zauberer sich müssen beschlafen lassen, um Samen zu empfangen, und dann erst als Incubus in männlicher Gestalt die viehische Wollust ihrer Buhlinnen befriedigen können, Wüste Schlemmerei und Völlerei und Unzucht aller Art, systematische Verkehrung der göttlichen Ordnung, selbst¬ bewußte Verleugnung Gottes, sind daher von der Kunst in den Gestalten und Physiognomien der Hexen auszudrücken versucht, wie Teniers, vorzüglich aber A. Dürer sie ge¬ zeichnet hat. Zu Wien in der Sammlung von Handzeich¬
Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 24
Kirche geſtaltete das Hexenweſen zu einem diaboliſchen Cultus aus. Die Verſammlungen der Waldenſer auf einſa¬ men Bergkoppen gaben die erſte Veranlaſſung zur Vorſtellung des Hexenſabbaths, den man in Frankreich auch Vauderie nannte und den die Norddeutſche Sage auf den Brocken ver¬ legte. Hier, in der synagoge diabolica, ſollte der geſammte chriſtliche Gottesdienſt mit dem ekelhafteſten Cynismus parodirt werden. Der Satan in menſchlicher Geſtalt zwar, aber mit einem Bocksgeſicht, mit Krallen an den Händen, mit Gänſe¬ oder Pferdefüßen, läßt ſich förmlich adoriren. Man küßt ihm die Genitalien und den Hintern. Taufe und Abend¬ mahl werden perſiflirt, indem man Kröten, Igel, Mäuſe u. dgl. tauft; was der Teufel ſtatt der Hoſtie darreicht, gleicht einer Schuhſole, iſt ſchwarz, herb und zähe; was er zu trinken gibt, iſt gleichfalls ſchwarz, bitter, ekelerregend. Auch opfert ſich der Satan gewiſſermaaßen, um auch Chriſti Opfertod zu parodiren, indem er ſich als Bock mit großem Geſtank verbrennt. Die teufliſche Kirche feiert ihre Andacht in der Orgie, in wollüſtigen Tänzen und Umarmungen, die jedoch das Eigenthümliche haben, daß der Same der Teufel kalt iſt, da ſie als gottverfluchte Subjecte nicht productiv ſind, daher erſt in angenommener Weibsgeſtalt als Succubus von einem Zauberer ſich müſſen beſchlafen laſſen, um Samen zu empfangen, und dann erſt als Incubus in männlicher Geſtalt die viehiſche Wolluſt ihrer Buhlinnen befriedigen können, Wüſte Schlemmerei und Völlerei und Unzucht aller Art, ſyſtematiſche Verkehrung der göttlichen Ordnung, ſelbſt¬ bewußte Verleugnung Gottes, ſind daher von der Kunſt in den Geſtalten und Phyſiognomien der Hexen auszudrücken verſucht, wie Teniers, vorzüglich aber A. Dürer ſie ge¬ zeichnet hat. Zu Wien in der Sammlung von Handzeich¬
Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 24
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Kirche geſtaltete das Hexenweſen zu einem diaboliſchen
Cultus aus. Die Verſammlungen der Waldenſer auf einſa¬
men Bergkoppen gaben die erſte Veranlaſſung zur Vorſtellung
des Hexenſabbaths, den man in Frankreich auch Vauderie
nannte und den die Norddeutſche Sage auf den Brocken ver¬
legte. Hier, in der synagoge diabolica, ſollte der geſammte
chriſtliche Gottesdienſt mit dem ekelhafteſten Cynismus parodirt
werden. Der Satan in menſchlicher Geſtalt zwar, aber mit
einem Bocksgeſicht, mit Krallen an den Händen, mit Gänſe¬
oder Pferdefüßen, läßt ſich förmlich adoriren. Man küßt
ihm die Genitalien und den Hintern. Taufe und Abend¬
mahl werden perſiflirt, indem man Kröten, Igel, Mäuſe
u. dgl. tauft; was der Teufel ſtatt der Hoſtie darreicht,
gleicht einer Schuhſole, iſt ſchwarz, herb und zähe; was er
zu trinken gibt, iſt gleichfalls ſchwarz, bitter, ekelerregend.
Auch opfert ſich der Satan gewiſſermaaßen, um auch Chriſti
Opfertod zu parodiren, indem er ſich als Bock mit großem
Geſtank verbrennt. Die teufliſche Kirche feiert ihre Andacht
in der Orgie, in wollüſtigen Tänzen und Umarmungen, die
jedoch das Eigenthümliche haben, daß der Same der Teufel
kalt iſt, da ſie als gottverfluchte Subjecte nicht productiv
ſind, daher erſt in angenommener Weibsgeſtalt als Succubus
von einem Zauberer ſich müſſen beſchlafen laſſen, um Samen
zu empfangen, und dann erſt als Incubus in männlicher
Geſtalt die viehiſche Wolluſt ihrer Buhlinnen befriedigen
können, Wüſte Schlemmerei und Völlerei und Unzucht aller
Art, ſyſtematiſche Verkehrung der göttlichen Ordnung, ſelbſt¬
bewußte Verleugnung Gottes, ſind daher von der Kunſt in
den Geſtalten und Phyſiognomien der Hexen auszudrücken
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/391>, abgerufen am 23.11.2024.
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