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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Handlung oder blos als Mittel gebraucht werden, um die
Reaction eines andern herbeizuführen. Das Grausame,
Unglückliche, die Herbigkeit der Gewalt und Härte der Ueber¬
macht läßt sich noch in der Vorstellung zusammenhalten und
ertragen, wenn es selber durch die gehaltvolle Größe des
Charakters und Zwecks gehoben und getragen wird; das
Böse als solches aber, Neid, Feigheit und Niederträchtigkeit
sind nur widrig, der Teufel für sich ist deshalb eine
schlechte ästhetisch unbrauchbare Figur
, denn er
ist nichts als die Lüge in sich selbst, und deshalb eine höchst
prosaische Person". Halten wir hier einen Augenblick an.
Daß das Böse ethisch und religiös verwerflich ist, versteht
sich von selbst. Haben doch die Neuplatoniker es sogar nur
als das, seiner empirischen Existenz ungeachtet, Nichtseiende
genommen. Daß das Böse ästhetisch widrig ist, bejahen
auch wir in solchem Grade, daß unsere ganze Abhandlung
des Widrigen im Begriff des Bösen und Diabolischen cul¬
minirt. Ist deshalb aber das Böse ästhetisch unbrauchbar?
Ist in der Welt der Erscheinungen nicht das Negative mit
dem Positiven, das Böse mit dem Guten in einem Comrer,
der das Wesen des einen immer durch die Erscheinung des
andern illustrirt? Nun sagt Hegel auch wohl nicht ohne
Vorsicht: der Teufel für sich sei eine schlechte ästhetisch un¬
brauchbare Figur. Der Teufel für sich soll doch wohl so
viel bedeuten, als allein, als losgerissen von dem gesammten
Weltzusammenhang, als isolirtes Object der Kunst. Da¬
gegen läßt sich nichts einwenden. Wir haben in der Ein¬
leitung schon auseinandergesetzt, daß das Böse und Hä߬
liche nur als in Totalität der großen, göttlichen Weltord¬
nung verschwindende Momente gedacht werden müssen. Allein
innerhalb dieser Bedingung, ist da das Teuflische auch so

Handlung oder blos als Mittel gebraucht werden, um die
Reaction eines andern herbeizuführen. Das Grauſame,
Unglückliche, die Herbigkeit der Gewalt und Härte der Ueber¬
macht läßt ſich noch in der Vorſtellung zuſammenhalten und
ertragen, wenn es ſelber durch die gehaltvolle Größe des
Charakters und Zwecks gehoben und getragen wird; das
Böſe als ſolches aber, Neid, Feigheit und Niederträchtigkeit
ſind nur widrig, der Teufel für ſich iſt deshalb eine
ſchlechte äſthetiſch unbrauchbare Figur
, denn er
iſt nichts als die Lüge in ſich ſelbſt, und deshalb eine höchſt
proſaiſche Perſon“. Halten wir hier einen Augenblick an.
Daß das Böſe ethiſch und religiös verwerflich iſt, verſteht
ſich von ſelbſt. Haben doch die Neuplatoniker es ſogar nur
als das, ſeiner empiriſchen Exiſtenz ungeachtet, Nichtſeiende
genommen. Daß das Böſe äſthetiſch widrig iſt, bejahen
auch wir in ſolchem Grade, daß unſere ganze Abhandlung
des Widrigen im Begriff des Böſen und Diaboliſchen cul¬
minirt. Iſt deshalb aber das Böſe äſthetiſch unbrauchbar?
Iſt in der Welt der Erſcheinungen nicht das Negative mit
dem Poſitiven, das Böſe mit dem Guten in einem Comrer,
der das Weſen des einen immer durch die Erſcheinung des
andern illuſtrirt? Nun ſagt Hegel auch wohl nicht ohne
Vorſicht: der Teufel für ſich ſei eine ſchlechte äſthetiſch un¬
brauchbare Figur. Der Teufel für ſich ſoll doch wohl ſo
viel bedeuten, als allein, als losgeriſſen von dem geſammten
Weltzuſammenhang, als iſolirtes Object der Kunſt. Da¬
gegen läßt ſich nichts einwenden. Wir haben in der Ein¬
leitung ſchon auseinandergeſetzt, daß das Böſe und Hä߬
liche nur als in Totalität der großen, göttlichen Weltord¬
nung verſchwindende Momente gedacht werden müſſen. Allein
innerhalb dieſer Bedingung, iſt da das Teufliſche auch ſo

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[358/0380] Handlung oder blos als Mittel gebraucht werden, um die Reaction eines andern herbeizuführen. Das Grauſame, Unglückliche, die Herbigkeit der Gewalt und Härte der Ueber¬ macht läßt ſich noch in der Vorſtellung zuſammenhalten und ertragen, wenn es ſelber durch die gehaltvolle Größe des Charakters und Zwecks gehoben und getragen wird; das Böſe als ſolches aber, Neid, Feigheit und Niederträchtigkeit ſind nur widrig, der Teufel für ſich iſt deshalb eine ſchlechte äſthetiſch unbrauchbare Figur, denn er iſt nichts als die Lüge in ſich ſelbſt, und deshalb eine höchſt proſaiſche Perſon“. Halten wir hier einen Augenblick an. Daß das Böſe ethiſch und religiös verwerflich iſt, verſteht ſich von ſelbſt. Haben doch die Neuplatoniker es ſogar nur als das, ſeiner empiriſchen Exiſtenz ungeachtet, Nichtſeiende genommen. Daß das Böſe äſthetiſch widrig iſt, bejahen auch wir in ſolchem Grade, daß unſere ganze Abhandlung des Widrigen im Begriff des Böſen und Diaboliſchen cul¬ minirt. Iſt deshalb aber das Böſe äſthetiſch unbrauchbar? Iſt in der Welt der Erſcheinungen nicht das Negative mit dem Poſitiven, das Böſe mit dem Guten in einem Comrer, der das Weſen des einen immer durch die Erſcheinung des andern illuſtrirt? Nun ſagt Hegel auch wohl nicht ohne Vorſicht: der Teufel für ſich ſei eine ſchlechte äſthetiſch un¬ brauchbare Figur. Der Teufel für ſich ſoll doch wohl ſo viel bedeuten, als allein, als losgeriſſen von dem geſammten Weltzuſammenhang, als iſolirtes Object der Kunſt. Da¬ gegen läßt ſich nichts einwenden. Wir haben in der Ein¬ leitung ſchon auseinandergeſetzt, daß das Böſe und Hä߬ liche nur als in Totalität der großen, göttlichen Weltord¬ nung verſchwindende Momente gedacht werden müſſen. Allein innerhalb dieſer Bedingung, iſt da das Teufliſche auch ſo

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/380>, abgerufen am 24.11.2024.