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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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im Inhalt eben so absurd, als in der Form. Es äfft den
Lebenden durch unheimliche, verstandlose, mit dem Ernst des
Jenseits mehr kokettirende als wirklich mit ihm zusammen¬
hängende Dinge. Unsere romantische Schule hat das Ge¬
spenstische vorzüglich nach dieser Richtung hin ausarten lassen.
Die seltsamste Albernheit, die fratzenhafteste Verrücktheit galt
für genial. Man konnte consequeut das Ethische, sofern
man noch überhaupt an dasselbe dachte, nur noch als das
Fatalistische und dann immer nur in einer scheußlichen Gestalt
festhalten, wie z. B. in Hr. v. Kleist Familie Schroffen¬
stein
der abgehauene Kindesfinger. Wenn in der Orestie
die Klytämnestra mit dem Dolch in der Wunde erscheint, die
des Sohnes Hand ihr geschlagen, so ist dies ein durch seine
Wahrheit erschütterndes Phantom; wenn aber mit einem
Messer, wie in Werners Februar, wieder gemordet werden
muß, weil schon einmal mit ihm gemordet ist, so ist das
ein unvernünftiger, spukhafter Zusammenhang. Diese Ten¬
denz hat daher auch eine große Vorliebe für Puppen, Nu߬
knacker, Automate, Wachsfiguren u. s. w. Hoffmann's
Nußknacker zog eine ganze Menge ähnlicher Spukfiguren
nach sich, so daß Immermann noch im Münchhausen eine
Satire darauf in dem großen, bramabarsirenden Ruspoli
einflechten konnte. Je hohler und gehaltloser solche Einfälle
wurden, für um so phantastischer wurden sie oft gehalten.
Es war ein Glück, daß man durch die Phantasie des Volkes
doch schon manche Elemente vorgearbeitet fand, in denen
wenigstens die schreckliche Seite des Spukhaften richtiger
gefaßt und mit einem Anklang der Idee versetzt war. So
waren eine Zeitlang durch Arnim die Golems Mode ge¬
worden, Lehmfiguren, welche durch einen auf die Stirn
geklebten, mit Sprüchen des Geisterfürsten Salomo beschrie¬

im Inhalt eben ſo abſurd, als in der Form. Es äfft den
Lebenden durch unheimliche, verſtandloſe, mit dem Ernſt des
Jenſeits mehr kokettirende als wirklich mit ihm zuſammen¬
hängende Dinge. Unſere romantiſche Schule hat das Ge¬
ſpenſtiſche vorzüglich nach dieſer Richtung hin ausarten laſſen.
Die ſeltſamſte Albernheit, die fratzenhafteſte Verrücktheit galt
für genial. Man konnte conſequeut das Ethiſche, ſofern
man noch überhaupt an daſſelbe dachte, nur noch als das
Fataliſtiſche und dann immer nur in einer ſcheußlichen Geſtalt
feſthalten, wie z. B. in Hr. v. Kleiſt Familie Schroffen¬
ſtein
der abgehauene Kindesfinger. Wenn in der Oreſtie
die Klytämneſtra mit dem Dolch in der Wunde erſcheint, die
des Sohnes Hand ihr geſchlagen, ſo iſt dies ein durch ſeine
Wahrheit erſchütterndes Phantom; wenn aber mit einem
Meſſer, wie in Werners Februar, wieder gemordet werden
muß, weil ſchon einmal mit ihm gemordet iſt, ſo iſt das
ein unvernünftiger, ſpukhafter Zuſammenhang. Dieſe Ten¬
denz hat daher auch eine große Vorliebe für Puppen, Nu߬
knacker, Automate, Wachsfiguren u. ſ. w. Hoffmann's
Nußknacker zog eine ganze Menge ähnlicher Spukfiguren
nach ſich, ſo daß Immermann noch im Münchhauſen eine
Satire darauf in dem großen, bramabarſirenden Ruspoli
einflechten konnte. Je hohler und gehaltloſer ſolche Einfälle
wurden, für um ſo phantaſtiſcher wurden ſie oft gehalten.
Es war ein Glück, daß man durch die Phantaſie des Volkes
doch ſchon manche Elemente vorgearbeitet fand, in denen
wenigſtens die ſchreckliche Seite des Spukhaften richtiger
gefaßt und mit einem Anklang der Idee verſetzt war. So
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geklebten, mit Sprüchen des Geiſterfürſten Salomo beſchrie¬

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[348/0370] im Inhalt eben ſo abſurd, als in der Form. Es äfft den Lebenden durch unheimliche, verſtandloſe, mit dem Ernſt des Jenſeits mehr kokettirende als wirklich mit ihm zuſammen¬ hängende Dinge. Unſere romantiſche Schule hat das Ge¬ ſpenſtiſche vorzüglich nach dieſer Richtung hin ausarten laſſen. Die ſeltſamſte Albernheit, die fratzenhafteſte Verrücktheit galt für genial. Man konnte conſequeut das Ethiſche, ſofern man noch überhaupt an daſſelbe dachte, nur noch als das Fataliſtiſche und dann immer nur in einer ſcheußlichen Geſtalt feſthalten, wie z. B. in Hr. v. Kleiſt Familie Schroffen¬ ſtein der abgehauene Kindesfinger. Wenn in der Oreſtie die Klytämneſtra mit dem Dolch in der Wunde erſcheint, die des Sohnes Hand ihr geſchlagen, ſo iſt dies ein durch ſeine Wahrheit erſchütterndes Phantom; wenn aber mit einem Meſſer, wie in Werners Februar, wieder gemordet werden muß, weil ſchon einmal mit ihm gemordet iſt, ſo iſt das ein unvernünftiger, ſpukhafter Zuſammenhang. Dieſe Ten¬ denz hat daher auch eine große Vorliebe für Puppen, Nu߬ knacker, Automate, Wachsfiguren u. ſ. w. Hoffmann's Nußknacker zog eine ganze Menge ähnlicher Spukfiguren nach ſich, ſo daß Immermann noch im Münchhauſen eine Satire darauf in dem großen, bramabarſirenden Ruspoli einflechten konnte. Je hohler und gehaltloſer ſolche Einfälle wurden, für um ſo phantaſtiſcher wurden ſie oft gehalten. Es war ein Glück, daß man durch die Phantaſie des Volkes doch ſchon manche Elemente vorgearbeitet fand, in denen wenigſtens die ſchreckliche Seite des Spukhaften richtiger gefaßt und mit einem Anklang der Idee verſetzt war. So waren eine Zeitlang durch Arnim die Golems Mode ge¬ worden, Lehmfiguren, welche durch einen auf die Stirn geklebten, mit Sprüchen des Geiſterfürſten Salomo beſchrie¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/370>, abgerufen am 28.11.2024.