jugendlicher Muskelfülle -- so wird man eine von den komischen Posituren sehen, mit denen uns Harlekin und Colombine unser Leben lang zu ergötzen wußten. Verfahre man auf dieselbe Weise mit den beiden Nebenfiguren, und man wird finden, daß hier der Pöbel gemeint sei, der am meisten von solcherlei Vorstellungen angezogen wird."
"Es sei mir verziehen, daß ich hier weitläufiger als vielleicht nöthig wäre, geworden; aber nicht jeder würde mir, gleich auf den ersten Anblick, diesen antiken humoristi¬ schen Geniestreich zugeben, durch dessen Zauberkraft, zwischen ein menschliches Schauspiel und ein geistiges Trauerspiel eine lemurische Posse, zwischen das Schöne und Erhabene ein Fratzenhaftes hineingebildet wird. Jedoch gestehe ich gern, daß ich nicht leicht etwas Bewundernswürdigeres finde, als das ästhetische Zusammenstellen dieser drei Zustände, welche Alles enthalten, was der Mensch über seine Gegenwart und Zukunft wissen, fühlen, wähnen und glauben kann."
"Das letzte Bild wie das erste spricht sich von selbst aus. Charon hat die Künstlerin in das Land der Schatten hinübergeführt, und schon blickt er zurück, wer allenfalls wieder abzuholen drüben stehen möchte. Eine den Todten günstige und daher auch ihr Verdienst in jenem Reich des Vergessens bewahrende Gottheit blickt mit Gefallen auf ein entfaltetes Pergamen, worauf wohl die Rollen verzeichnet stehen mögen, in welchem die Künstlerin ihr Leben über bewundert worden. -- Cerberus schweigt in ihrer Gegen¬ wart, sie findet schon wieder neue Bewunderer, vielleicht schon ehemalige, die ihr zu diesen verborgenen Regionen vorausgegangen. Eben so wenig fehlt es ihr an einer Dienerin; auch hier folgt ihr eine nach, welche, die ehe¬ maligen Functionen fortsetzend, den Shwal für die Herrin
jugendlicher Muskelfülle — ſo wird man eine von den komiſchen Poſituren ſehen, mit denen uns Harlekin und Colombine unſer Leben lang zu ergötzen wußten. Verfahre man auf dieſelbe Weiſe mit den beiden Nebenfiguren, und man wird finden, daß hier der Pöbel gemeint ſei, der am meiſten von ſolcherlei Vorſtellungen angezogen wird.“
„Es ſei mir verziehen, daß ich hier weitläufiger als vielleicht nöthig wäre, geworden; aber nicht jeder würde mir, gleich auf den erſten Anblick, dieſen antiken humoriſti¬ ſchen Genieſtreich zugeben, durch deſſen Zauberkraft, zwiſchen ein menſchliches Schauſpiel und ein geiſtiges Trauerſpiel eine lemuriſche Poſſe, zwiſchen das Schöne und Erhabene ein Fratzenhaftes hineingebildet wird. Jedoch geſtehe ich gern, daß ich nicht leicht etwas Bewundernswürdigeres finde, als das äſthetiſche Zuſammenſtellen dieſer drei Zuſtände, welche Alles enthalten, was der Menſch über ſeine Gegenwart und Zukunft wiſſen, fühlen, wähnen und glauben kann.“
„Das letzte Bild wie das erſte ſpricht ſich von ſelbſt aus. Charon hat die Künſtlerin in das Land der Schatten hinübergeführt, und ſchon blickt er zurück, wer allenfalls wieder abzuholen drüben ſtehen möchte. Eine den Todten günſtige und daher auch ihr Verdienſt in jenem Reich des Vergeſſens bewahrende Gottheit blickt mit Gefallen auf ein entfaltetes Pergamen, worauf wohl die Rollen verzeichnet ſtehen mögen, in welchem die Künſtlerin ihr Leben über bewundert worden. — Cerberus ſchweigt in ihrer Gegen¬ wart, ſie findet ſchon wieder neue Bewunderer, vielleicht ſchon ehemalige, die ihr zu dieſen verborgenen Regionen vorausgegangen. Eben ſo wenig fehlt es ihr an einer Dienerin; auch hier folgt ihr eine nach, welche, die ehe¬ maligen Functionen fortſetzend, den Shwal für die Herrin
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jugendlicher Muskelfülle — ſo wird man eine von den
komiſchen Poſituren ſehen, mit denen uns Harlekin und
Colombine unſer Leben lang zu ergötzen wußten. Verfahre
man auf dieſelbe Weiſe mit den beiden Nebenfiguren, und
man wird finden, daß hier der Pöbel gemeint ſei, der am
meiſten von ſolcherlei Vorſtellungen angezogen wird.“
„Es ſei mir verziehen, daß ich hier weitläufiger als
vielleicht nöthig wäre, geworden; aber nicht jeder würde
mir, gleich auf den erſten Anblick, dieſen antiken humoriſti¬
ſchen Genieſtreich zugeben, durch deſſen Zauberkraft, zwiſchen
ein menſchliches Schauſpiel und ein geiſtiges Trauerſpiel eine
lemuriſche Poſſe, zwiſchen das Schöne und Erhabene
ein Fratzenhaftes hineingebildet wird. Jedoch geſtehe ich gern,
daß ich nicht leicht etwas Bewundernswürdigeres finde, als
das äſthetiſche Zuſammenſtellen dieſer drei Zuſtände, welche
Alles enthalten, was der Menſch über ſeine Gegenwart
und Zukunft wiſſen, fühlen, wähnen und glauben kann.“
„Das letzte Bild wie das erſte ſpricht ſich von ſelbſt
aus. Charon hat die Künſtlerin in das Land der Schatten
hinübergeführt, und ſchon blickt er zurück, wer allenfalls
wieder abzuholen drüben ſtehen möchte. Eine den Todten
günſtige und daher auch ihr Verdienſt in jenem Reich des
Vergeſſens bewahrende Gottheit blickt mit Gefallen auf ein
entfaltetes Pergamen, worauf wohl die Rollen verzeichnet
ſtehen mögen, in welchem die Künſtlerin ihr Leben über
bewundert worden. — Cerberus ſchweigt in ihrer Gegen¬
wart, ſie findet ſchon wieder neue Bewunderer, vielleicht
ſchon ehemalige, die ihr zu dieſen verborgenen Regionen
vorausgegangen. Eben ſo wenig fehlt es ihr an einer
Dienerin; auch hier folgt ihr eine nach, welche, die ehe¬
maligen Functionen fortſetzend, den Shwal für die Herrin
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/363>, abgerufen am 24.11.2024.
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