Art die Manieren der ihr untergeordneten Stände für plump und ungeschickt halten. Der Bauer aber ist ursprünglich mit dem Landadel identisch; wo er als der freie Grundbe¬ sitzer auftritt, ist er zwar als der Gewältiger der Natur kräftig, in seiner Sitte und seinem Anstand jedoch nichts weniger als plump, vielmehr im Selbstgefühl seiner Kraft, seines Vermögens, von natürlicher Würde durchdrungen, wie dies der freie Bauer in Norwegen, in den Norddeutschen Marschländern, in Westphalen, in der Schweiz zeigt; wie Voß in seinen Idyllen den Holsteiner Bauern, wie Im¬ mermann in seinem Münchhausen den Westphälischen gezeichnet hat. Immermanns Dorfschulze zeigt uns die volle Manneshoheit, die sogar mit dem Schwert Karls des Großen zu Gericht sitzt, und seine Tochter Lisbeth zeigt uns die ganze Anmuth und sittige Feinheit eines Bauermädchens, das sehr gut zu harken, zu melken, zu nähen, zu spinnen, zu kochen versteht, ohne mit solcher Werkthätigkeit weder das Adlige ihrer Gesinnung, noch das Liebliche ihres Benehmens zu beeinträchtigen. Mit Recht hebt der Dichter an dem Schulzen hervor, daß er Alles "mit Manier" gethan haben wolle, d. h. mit dem Maaß der Sitte, mit dem Rhythmus des durch die Natur der Sache geforderten Anstandes. Auch die George Sand hat sehr richtig an ihren Bauern des Berry im Meunier d'Angibault, in der Jeanne, im peche de Mr. Antoine u. s. w. das Conventionelle ihres Wesens als charakteristisch herausgefühlt. Ungeschlacht ist die Vernach¬ lässigung der Manier. Der Bauer kann agroikhos, rusticus, rustre, bäurisch genannt werden im Gegensatz zur Urbanitas, zur gewandten Schmiegsamkeit, Redefertigkeit der städtischen Artigkeit. Aesthetisch widrig ist seine Gestalt und Erscheinung aber erst geworden, als der feudale Adel ihn durch Ueber¬
Art die Manieren der ihr untergeordneten Stände für plump und ungeſchickt halten. Der Bauer aber iſt urſprünglich mit dem Landadel identiſch; wo er als der freie Grundbe¬ ſitzer auftritt, iſt er zwar als der Gewältiger der Natur kräftig, in ſeiner Sitte und ſeinem Anſtand jedoch nichts weniger als plump, vielmehr im Selbſtgefühl ſeiner Kraft, ſeines Vermögens, von natürlicher Würde durchdrungen, wie dies der freie Bauer in Norwegen, in den Norddeutſchen Marſchländern, in Weſtphalen, in der Schweiz zeigt; wie Voß in ſeinen Idyllen den Holſteiner Bauern, wie Im¬ mermann in ſeinem Münchhauſen den Weſtphäliſchen gezeichnet hat. Immermanns Dorfſchulze zeigt uns die volle Manneshoheit, die ſogar mit dem Schwert Karls des Großen zu Gericht ſitzt, und ſeine Tochter Lisbeth zeigt uns die ganze Anmuth und ſittige Feinheit eines Bauermädchens, das ſehr gut zu harken, zu melken, zu nähen, zu ſpinnen, zu kochen verſteht, ohne mit ſolcher Werkthätigkeit weder das Adlige ihrer Geſinnung, noch das Liebliche ihres Benehmens zu beeinträchtigen. Mit Recht hebt der Dichter an dem Schulzen hervor, daß er Alles „mit Manier“ gethan haben wolle, d. h. mit dem Maaß der Sitte, mit dem Rhythmus des durch die Natur der Sache geforderten Anſtandes. Auch die George Sand hat ſehr richtig an ihren Bauern des Berry im Meunier d'Angibault, in der Jeanne, im péché de Mr. Antoine u. ſ. w. das Conventionelle ihres Weſens als charakteriſtiſch herausgefühlt. Ungeſchlacht iſt die Vernach¬ läſſigung der Manier. Der Bauer kann ἀγροιχος, rusticus, rustre, bäuriſch genannt werden im Gegenſatz zur Urbanitas, zur gewandten Schmiegſamkeit, Redefertigkeit der ſtädtiſchen Artigkeit. Aeſthetiſch widrig iſt ſeine Geſtalt und Erſcheinung aber erſt geworden, als der feudale Adel ihn durch Ueber¬
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Art die Manieren der ihr untergeordneten Stände für plump
und ungeſchickt halten. Der Bauer aber iſt urſprünglich
mit dem Landadel identiſch; wo er als der freie Grundbe¬
ſitzer auftritt, iſt er zwar als der Gewältiger der Natur
kräftig, in ſeiner Sitte und ſeinem Anſtand jedoch nichts
weniger als plump, vielmehr im Selbſtgefühl ſeiner Kraft,
ſeines Vermögens, von natürlicher Würde durchdrungen,
wie dies der freie Bauer in Norwegen, in den Norddeutſchen
Marſchländern, in Weſtphalen, in der Schweiz zeigt; wie
Voß in ſeinen Idyllen den Holſteiner Bauern, wie Im¬
mermann in ſeinem Münchhauſen den Weſtphäliſchen
gezeichnet hat. Immermanns Dorfſchulze zeigt uns die volle
Manneshoheit, die ſogar mit dem Schwert Karls des Großen
zu Gericht ſitzt, und ſeine Tochter Lisbeth zeigt uns die
ganze Anmuth und ſittige Feinheit eines Bauermädchens,
das ſehr gut zu harken, zu melken, zu nähen, zu ſpinnen,
zu kochen verſteht, ohne mit ſolcher Werkthätigkeit weder das
Adlige ihrer Geſinnung, noch das Liebliche ihres Benehmens
zu beeinträchtigen. Mit Recht hebt der Dichter an dem
Schulzen hervor, daß er Alles „mit Manier“ gethan haben
wolle, d. h. mit dem Maaß der Sitte, mit dem Rhythmus
des durch die Natur der Sache geforderten Anſtandes. Auch
die George Sand hat ſehr richtig an ihren Bauern des
Berry im Meunier d'Angibault, in der Jeanne, im péché de
Mr. Antoine u. ſ. w. das Conventionelle ihres Weſens als
charakteriſtiſch herausgefühlt. Ungeſchlacht iſt die Vernach¬
läſſigung der Manier. Der Bauer kann ἀγροιχος, rusticus,
rustre, bäuriſch genannt werden im Gegenſatz zur Urbanitas,
zur gewandten Schmiegſamkeit, Redefertigkeit der ſtädtiſchen
Artigkeit. Aeſthetiſch widrig iſt ſeine Geſtalt und Erſcheinung
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/309>, abgerufen am 25.11.2024.
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