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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Jedoch der Plan, die Ueberlegung,
Das zeigt erst, wer ein Künstler ist.
Ich hab' allein dreihundert Jahre
Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am besten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht.

Diese Pointe geht auf Göthe, der eine juristische Ab¬
handlung über die Flöhe geschrieben, die 1839 in Berlin
gedruckt wurde.

Die Frivolität wird sehr begreiflich den religiösen und
den ethischen Nihilismus zu gegenseitiger Verstärkung mit¬
einander verbinden. Die meisten Werke der obscönen Lite¬
ratur sind zugleich materialistische und atheistische. Eine ge¬
wisse stumpfe und düstere Apathie, der geradeste Gegensatz
einer edlen Melancholie, lagert sich über sie hin und öfter
wühlt in ihren verzweifelten Reflexionen ein halber Wahn¬
sinn, wie dies vorzüglich in dem berüchtigten Roman, Therese
philosophe
, der Fall ist. Die Französische Literatur hat die
Schuld auf sich, die Vereinigung von Unzucht und Gott¬
losigkeit auf's Höchste getrieben zu haben. Voltaires Pu¬
celle d'Orleans
ist der Anfang, Evariste Parny's Guerre
des dieux
der Gipfel dieser Richtung. Man kann beiden
Schriftstellern den Spott auf Frömmelei, auf die Auswüchse
des Klosterlebens, auf die Verkehrtheiten des Aberglaubens
und des kirchlichen Fanatismus zugeben; allein gegen die
Art und Weise, wie sie den Glauben an Gott selber, wie
sie die fundamentalen Vorstellungen des Christenthums zer¬
fleischen, wird man immer die Anklage der Frivolität er¬
heben müssen. Die Virtuosität ihrer eleganten Sprache, der
Witz ihres Scharsinns, die Fülle ihrer lächerlichinfernalen
Erfindungen, die Correctheit ihrer Zeichnungen, vermögen

Jedoch der Plan, die Ueberlegung,
Das zeigt erſt, wer ein Künſtler iſt.
Ich hab' allein dreihundert Jahre
Tagtäglich drüber nachgedacht,
Wie man am beſten Doctores Juris
Und gar die kleinen Flöhe macht.

Dieſe Pointe geht auf Göthe, der eine juriſtiſche Ab¬
handlung über die Flöhe geſchrieben, die 1839 in Berlin
gedruckt wurde.

Die Frivolität wird ſehr begreiflich den religiöſen und
den ethiſchen Nihilismus zu gegenſeitiger Verſtärkung mit¬
einander verbinden. Die meiſten Werke der obscönen Lite¬
ratur ſind zugleich materialiſtiſche und atheiſtiſche. Eine ge¬
wiſſe ſtumpfe und düſtere Apathie, der geradeſte Gegenſatz
einer edlen Melancholie, lagert ſich über ſie hin und öfter
wühlt in ihren verzweifelten Reflexionen ein halber Wahn¬
ſinn, wie dies vorzüglich in dem berüchtigten Roman, Therèse
philosophe
, der Fall iſt. Die Franzöſiſche Literatur hat die
Schuld auf ſich, die Vereinigung von Unzucht und Gott¬
loſigkeit auf's Höchſte getrieben zu haben. Voltaires Pu¬
celle d'Orléans
iſt der Anfang, Evariſte Parny's Guerre
des dieux
der Gipfel dieſer Richtung. Man kann beiden
Schriftſtellern den Spott auf Frömmelei, auf die Auswüchſe
des Kloſterlebens, auf die Verkehrtheiten des Aberglaubens
und des kirchlichen Fanatismus zugeben; allein gegen die
Art und Weiſe, wie ſie den Glauben an Gott ſelber, wie
ſie die fundamentalen Vorſtellungen des Chriſtenthums zer¬
fleiſchen, wird man immer die Anklage der Frivolität er¬
heben müſſen. Die Virtuoſität ihrer eleganten Sprache, der
Witz ihres Scharſinns, die Fülle ihrer lächerlichinfernalen
Erfindungen, die Correctheit ihrer Zeichnungen, vermögen

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[272/0294] Jedoch der Plan, die Ueberlegung, Das zeigt erſt, wer ein Künſtler iſt. Ich hab' allein dreihundert Jahre Tagtäglich drüber nachgedacht, Wie man am beſten Doctores Juris Und gar die kleinen Flöhe macht. Dieſe Pointe geht auf Göthe, der eine juriſtiſche Ab¬ handlung über die Flöhe geſchrieben, die 1839 in Berlin gedruckt wurde. Die Frivolität wird ſehr begreiflich den religiöſen und den ethiſchen Nihilismus zu gegenſeitiger Verſtärkung mit¬ einander verbinden. Die meiſten Werke der obscönen Lite¬ ratur ſind zugleich materialiſtiſche und atheiſtiſche. Eine ge¬ wiſſe ſtumpfe und düſtere Apathie, der geradeſte Gegenſatz einer edlen Melancholie, lagert ſich über ſie hin und öfter wühlt in ihren verzweifelten Reflexionen ein halber Wahn¬ ſinn, wie dies vorzüglich in dem berüchtigten Roman, Therèse philosophe, der Fall iſt. Die Franzöſiſche Literatur hat die Schuld auf ſich, die Vereinigung von Unzucht und Gott¬ loſigkeit auf's Höchſte getrieben zu haben. Voltaires Pu¬ celle d'Orléans iſt der Anfang, Evariſte Parny's Guerre des dieux der Gipfel dieſer Richtung. Man kann beiden Schriftſtellern den Spott auf Frömmelei, auf die Auswüchſe des Kloſterlebens, auf die Verkehrtheiten des Aberglaubens und des kirchlichen Fanatismus zugeben; allein gegen die Art und Weiſe, wie ſie den Glauben an Gott ſelber, wie ſie die fundamentalen Vorſtellungen des Chriſtenthums zer¬ fleiſchen, wird man immer die Anklage der Frivolität er¬ heben müſſen. Die Virtuoſität ihrer eleganten Sprache, der Witz ihres Scharſinns, die Fülle ihrer lächerlichinfernalen Erfindungen, die Correctheit ihrer Zeichnungen, vermögen

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/294>, abgerufen am 22.11.2024.