die unreine Freude der geistigen Verliederlichung, die sich vom Absoluten als einem dummen Gespenst emancipirt hat und es recht sehr zufrieden ist, daß Zufall und Willkür als die einzigen Factoren alles Geschehens im Grunde nichts, als ein ephemeres Genußleben gestatten. Die Frivolität charakterisirt sich daher ästhetisch durch die Wollust der Grau¬ samkeit, mit welcher sie den Glauben als eine Beschränktheit, die Sitte als eine Verkehrtheit zu zerstören sich kitzelt.
In Ansehung der concreten Erscheinung aber wird das Urtheil, ob etwas frivol sei, oft sehr schwer fallen, weil in der Geschichte des Geistes die Erkenntniß des Wahren im Conflict mit dem als falsch Erkannten und die Ausübung der Tugend im Conflict mit privilegirten Lastern den Schein der Frivolität gewinnen kann. Die an und für sich berech¬ tigte Polemik des ewig Wahren und Guten gegen die Plattheit und Nichtswürdigkeit, die sich oft empirisch dafür ausgibt, wird von eben dieser als frivol ausgeschrieen. Es ist natürlich, daß jene Polemik nicht immer den wehmüthigen Zug des unendlichen Schmerzes über das sittliche und geistige Unglück der Menschheit an der Stirn tragen kann; sie wird als menschliche sich nicht entrathen können, über die Anmaaßung ihrer Gegner auch wohl in ein Gelächter auszubrechen und ihr mit Satire zu entgegnen, die dann unfehlbar Frivolität gescholten werden wird. Hier erzeugen sich nun für den bestimmten Fall wieder feine Grenzlinien, denn sehr leicht kann die an sich ernst begründete Polemik durch die Lust am Witz zu Aeußerungen fortgerissen werden, die schon selber einen frivolen Beigeschmack haben. Der zer¬ malmende Zorneifer eines Aristophanes ist zugleich von dem Behagen erfüllt, das ihm die Verspottung seiner Gegner einflößt, und das komische Element reißt ihn zu manchen
die unreine Freude der geiſtigen Verliederlichung, die ſich vom Abſoluten als einem dummen Geſpenſt emancipirt hat und es recht ſehr zufrieden iſt, daß Zufall und Willkür als die einzigen Factoren alles Geſchehens im Grunde nichts, als ein ephemeres Genußleben geſtatten. Die Frivolität charakteriſirt ſich daher äſthetiſch durch die Wolluſt der Grau¬ ſamkeit, mit welcher ſie den Glauben als eine Beſchränktheit, die Sitte als eine Verkehrtheit zu zerſtören ſich kitzelt.
In Anſehung der concreten Erſcheinung aber wird das Urtheil, ob etwas frivol ſei, oft ſehr ſchwer fallen, weil in der Geſchichte des Geiſtes die Erkenntniß des Wahren im Conflict mit dem als falſch Erkannten und die Ausübung der Tugend im Conflict mit privilegirten Laſtern den Schein der Frivolität gewinnen kann. Die an und für ſich berech¬ tigte Polemik des ewig Wahren und Guten gegen die Plattheit und Nichtswürdigkeit, die ſich oft empiriſch dafür ausgibt, wird von eben dieſer als frivol ausgeſchrieen. Es iſt natürlich, daß jene Polemik nicht immer den wehmüthigen Zug des unendlichen Schmerzes über das ſittliche und geiſtige Unglück der Menſchheit an der Stirn tragen kann; ſie wird als menſchliche ſich nicht entrathen können, über die Anmaaßung ihrer Gegner auch wohl in ein Gelächter auszubrechen und ihr mit Satire zu entgegnen, die dann unfehlbar Frivolität geſcholten werden wird. Hier erzeugen ſich nun für den beſtimmten Fall wieder feine Grenzlinien, denn ſehr leicht kann die an ſich ernſt begründete Polemik durch die Luſt am Witz zu Aeußerungen fortgeriſſen werden, die ſchon ſelber einen frivolen Beigeſchmack haben. Der zer¬ malmende Zorneifer eines Ariſtophanes iſt zugleich von dem Behagen erfüllt, das ihm die Verſpottung ſeiner Gegner einflößt, und das komiſche Element reißt ihn zu manchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0288"n="266"/>
die unreine Freude der geiſtigen Verliederlichung, die ſich<lb/>
vom Abſoluten als einem dummen Geſpenſt emancipirt hat<lb/>
und es recht ſehr zufrieden iſt, daß Zufall und Willkür als<lb/>
die einzigen Factoren alles Geſchehens im Grunde nichts,<lb/>
als ein ephemeres Genußleben geſtatten. Die Frivolität<lb/>
charakteriſirt ſich daher äſthetiſch durch die Wolluſt der Grau¬<lb/>ſamkeit, mit welcher ſie den Glauben als eine Beſchränktheit,<lb/>
die Sitte als eine Verkehrtheit zu zerſtören ſich kitzelt.</p><lb/><p>In Anſehung der concreten Erſcheinung aber wird das<lb/>
Urtheil, ob etwas frivol ſei, oft ſehr ſchwer fallen, weil in<lb/>
der Geſchichte des Geiſtes die Erkenntniß des Wahren im<lb/>
Conflict mit dem als falſch Erkannten und die Ausübung<lb/>
der Tugend im Conflict mit privilegirten Laſtern den Schein<lb/>
der Frivolität gewinnen kann. Die an und für ſich berech¬<lb/>
tigte Polemik des ewig Wahren und Guten gegen die<lb/>
Plattheit und Nichtswürdigkeit, die ſich oft empiriſch dafür<lb/>
ausgibt, wird von eben dieſer als frivol ausgeſchrieen. Es<lb/>
iſt natürlich, daß jene Polemik nicht immer den wehmüthigen<lb/>
Zug des unendlichen Schmerzes über das ſittliche und<lb/>
geiſtige Unglück der Menſchheit an der Stirn tragen kann;<lb/>ſie wird als menſchliche ſich nicht entrathen können, über<lb/>
die Anmaaßung ihrer Gegner auch wohl in ein Gelächter<lb/>
auszubrechen und ihr mit Satire zu entgegnen, die dann<lb/>
unfehlbar Frivolität geſcholten werden wird. Hier erzeugen<lb/>ſich nun für den beſtimmten Fall wieder feine Grenzlinien,<lb/>
denn ſehr leicht kann die an ſich ernſt begründete Polemik<lb/>
durch die Luſt am Witz zu Aeußerungen fortgeriſſen werden,<lb/>
die ſchon ſelber einen frivolen Beigeſchmack haben. Der zer¬<lb/>
malmende Zorneifer eines <hirendition="#g">Ariſtophanes</hi> iſt zugleich von<lb/>
dem Behagen erfüllt, das ihm die Verſpottung ſeiner Gegner<lb/>
einflößt, und das komiſche Element reißt ihn zu manchen<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[266/0288]
die unreine Freude der geiſtigen Verliederlichung, die ſich
vom Abſoluten als einem dummen Geſpenſt emancipirt hat
und es recht ſehr zufrieden iſt, daß Zufall und Willkür als
die einzigen Factoren alles Geſchehens im Grunde nichts,
als ein ephemeres Genußleben geſtatten. Die Frivolität
charakteriſirt ſich daher äſthetiſch durch die Wolluſt der Grau¬
ſamkeit, mit welcher ſie den Glauben als eine Beſchränktheit,
die Sitte als eine Verkehrtheit zu zerſtören ſich kitzelt.
In Anſehung der concreten Erſcheinung aber wird das
Urtheil, ob etwas frivol ſei, oft ſehr ſchwer fallen, weil in
der Geſchichte des Geiſtes die Erkenntniß des Wahren im
Conflict mit dem als falſch Erkannten und die Ausübung
der Tugend im Conflict mit privilegirten Laſtern den Schein
der Frivolität gewinnen kann. Die an und für ſich berech¬
tigte Polemik des ewig Wahren und Guten gegen die
Plattheit und Nichtswürdigkeit, die ſich oft empiriſch dafür
ausgibt, wird von eben dieſer als frivol ausgeſchrieen. Es
iſt natürlich, daß jene Polemik nicht immer den wehmüthigen
Zug des unendlichen Schmerzes über das ſittliche und
geiſtige Unglück der Menſchheit an der Stirn tragen kann;
ſie wird als menſchliche ſich nicht entrathen können, über
die Anmaaßung ihrer Gegner auch wohl in ein Gelächter
auszubrechen und ihr mit Satire zu entgegnen, die dann
unfehlbar Frivolität geſcholten werden wird. Hier erzeugen
ſich nun für den beſtimmten Fall wieder feine Grenzlinien,
denn ſehr leicht kann die an ſich ernſt begründete Polemik
durch die Luſt am Witz zu Aeußerungen fortgeriſſen werden,
die ſchon ſelber einen frivolen Beigeſchmack haben. Der zer¬
malmende Zorneifer eines Ariſtophanes iſt zugleich von
dem Behagen erfüllt, das ihm die Verſpottung ſeiner Gegner
einflößt, und das komiſche Element reißt ihn zu manchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/288>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.