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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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gebung zu verschönen; von den kühnen Römern geraubt
zu werden, ist am Ende nicht zu unangenehm. Aehnlich
verhält es sich mit dem Raub der Proserpina, mit der
Entführung der Europa u. s. w. Wenn Reinecke das
Weib Isegrimms vor dessen Augen auf dem Eise noth¬
züchtigt, so ist das unbedingt brutal, wird aber durch die
nähern Umstände komisch (59). Auch gibt es manche Hand¬
lungen, die gewaltthätig sind, ohne brutal genannt werden
zu können; diese können nur als komische Gegenstand der
Kunst werden; dahin gehören alle jene Bilder der Nieder¬
ländischen Schule, welche uns Zahnbrecher darstellen, wie
sie mit einfältigen Jungen, die ganz ungebärdig schreien,
oder mit Bauern hanthieren, die sich wie arme Sünder zu
einer Hinrichtung anschicken. --

Wir haben bis jetzt das Obscöne und das Brutale
als Formen der Rohheit betrachtet, es ist noch eine Form
zurück: das Frivole, welches dem Erhabenen, sofern es
das Heilige ist, durch seine absolute Willkür widerspricht und
damit den innersten Halt des Universums antastet. Natur
und Geschichte haben einen Sinn endlich nur unter Vor¬
aussetzung der Wahrheit des Sittlichen und Göttlichen. Frivol
ist nicht, wer die Existenz dieser Wahrheit deshalb negirt,
weil er sich von derselben nicht überzeugen kann, sondern der¬
jenige, der aus grundloser Frechheit heraus den Glauben an
das Heilige verspottet. Der Skeptiker, der zum Atheisten
wird, braucht deshalb noch keineswegs frivol zu sein; der
Egoist aber, dem das Heilige zur Posse wird, weil die Wirk¬
lichkeit seines Daseins ihm unbequem fällt, ist frivol. Die
Willkür frevelt mit ihrem Hohn an dem Wesen, welches der
Grund aller Freiheit und Nothwendigkeit selber ist, wäh¬
rend dem wissenschaftlichen Atheimus, der als das traurige

gebung zu verſchönen; von den kühnen Römern geraubt
zu werden, iſt am Ende nicht zu unangenehm. Aehnlich
verhält es ſich mit dem Raub der Proſerpina, mit der
Entführung der Europa u. ſ. w. Wenn Reinecke das
Weib Iſegrimms vor deſſen Augen auf dem Eiſe noth¬
züchtigt, ſo iſt das unbedingt brutal, wird aber durch die
nähern Umſtände komiſch (59). Auch gibt es manche Hand¬
lungen, die gewaltthätig ſind, ohne brutal genannt werden
zu können; dieſe können nur als komiſche Gegenſtand der
Kunſt werden; dahin gehören alle jene Bilder der Nieder¬
ländiſchen Schule, welche uns Zahnbrecher darſtellen, wie
ſie mit einfältigen Jungen, die ganz ungebärdig ſchreien,
oder mit Bauern hanthieren, die ſich wie arme Sünder zu
einer Hinrichtung anſchicken. —

Wir haben bis jetzt das Obscöne und das Brutale
als Formen der Rohheit betrachtet, es iſt noch eine Form
zurück: das Frivole, welches dem Erhabenen, ſofern es
das Heilige iſt, durch ſeine abſolute Willkür widerſpricht und
damit den innerſten Halt des Univerſums antaſtet. Natur
und Geſchichte haben einen Sinn endlich nur unter Vor¬
ausſetzung der Wahrheit des Sittlichen und Göttlichen. Frivol
iſt nicht, wer die Exiſtenz dieſer Wahrheit deshalb negirt,
weil er ſich von derſelben nicht überzeugen kann, ſondern der¬
jenige, der aus grundloſer Frechheit heraus den Glauben an
das Heilige verſpottet. Der Skeptiker, der zum Atheiſten
wird, braucht deshalb noch keineswegs frivol zu ſein; der
Egoiſt aber, dem das Heilige zur Poſſe wird, weil die Wirk¬
lichkeit ſeines Daſeins ihm unbequem fällt, iſt frivol. Die
Willkür frevelt mit ihrem Hohn an dem Weſen, welches der
Grund aller Freiheit und Nothwendigkeit ſelber iſt, wäh¬
rend dem wiſſenſchaftlichen Atheimus, der als das traurige

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[263/0285] gebung zu verſchönen; von den kühnen Römern geraubt zu werden, iſt am Ende nicht zu unangenehm. Aehnlich verhält es ſich mit dem Raub der Proſerpina, mit der Entführung der Europa u. ſ. w. Wenn Reinecke das Weib Iſegrimms vor deſſen Augen auf dem Eiſe noth¬ züchtigt, ſo iſt das unbedingt brutal, wird aber durch die nähern Umſtände komiſch (59). Auch gibt es manche Hand¬ lungen, die gewaltthätig ſind, ohne brutal genannt werden zu können; dieſe können nur als komiſche Gegenſtand der Kunſt werden; dahin gehören alle jene Bilder der Nieder¬ ländiſchen Schule, welche uns Zahnbrecher darſtellen, wie ſie mit einfältigen Jungen, die ganz ungebärdig ſchreien, oder mit Bauern hanthieren, die ſich wie arme Sünder zu einer Hinrichtung anſchicken. — Wir haben bis jetzt das Obscöne und das Brutale als Formen der Rohheit betrachtet, es iſt noch eine Form zurück: das Frivole, welches dem Erhabenen, ſofern es das Heilige iſt, durch ſeine abſolute Willkür widerſpricht und damit den innerſten Halt des Univerſums antaſtet. Natur und Geſchichte haben einen Sinn endlich nur unter Vor¬ ausſetzung der Wahrheit des Sittlichen und Göttlichen. Frivol iſt nicht, wer die Exiſtenz dieſer Wahrheit deshalb negirt, weil er ſich von derſelben nicht überzeugen kann, ſondern der¬ jenige, der aus grundloſer Frechheit heraus den Glauben an das Heilige verſpottet. Der Skeptiker, der zum Atheiſten wird, braucht deshalb noch keineswegs frivol zu ſein; der Egoiſt aber, dem das Heilige zur Poſſe wird, weil die Wirk¬ lichkeit ſeines Daſeins ihm unbequem fällt, iſt frivol. Die Willkür frevelt mit ihrem Hohn an dem Weſen, welches der Grund aller Freiheit und Nothwendigkeit ſelber iſt, wäh¬ rend dem wiſſenſchaftlichen Atheimus, der als das traurige

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/285>, abgerufen am 22.11.2024.