ausdrücklichere Erkenntniß seiner Organisation ist noch nicht versucht.
Allerdings gebührt der Deutschen Philosophie der Ruhm, zuerst den Muth gehabt zu haben, das Häßliche als die ästhetische Unidee, als ein integrirendes Moment der Aesthetik erkannt und auch erkannt zu haben, daß das Schöne durch das Häßliche zum Komischen übergeht (1). Man wird diese Entdeckung, in welcher das Negativschöne zu seinem Rechte gelangt ist, nicht wieder verleugnen können. Allein die Behandlung des Begriffs des Häßlichen ist bisher theils bei einer kurzen, wenig eingehenden Allgemeinheit, theils bei einer zu einseitig spiritualistischen Fassung stehen geblieben. Sie war zu ausschließlich darauf gerichtet, einige Figuren bei Shakespeare und Göthe, bei Byron und Callot Hoffmann zu erklären (2).
Eine Aesthetik des Häßlichen kann Manchem ähnlich klingen, wie ein hölzernes Eisen, weil das Häßliche das Gegentheil des Schönen. Allein das Häßliche ist vom Be¬ griff des Schönen untrennbar, denn dies hat in seiner Ent¬ wicklung dasselbe beständig als diejenige Verirrung an sich, in die es mit einem oft geringen Zuviel oder zu Zuwenig verfallen kann. Jede Aesthetik ist gezwungen, mit der Be¬ schreibung der positiven Bestimmungen des Schönen irgend¬ wie auch die negativen des Häßlichen zu berühren. Man trifft mindestens die Warnung, daß, wenn nicht so verfahren würde, als sie fordern, das Schöne verfehlt und statt seiner das Häßliche erzeugt werden würde. Die Aesthetik des Häßlichen soll seinen Ursprung, seine Möglichkeiten, seine Arten schildern und kann dadurch auch dem Künstler nützlich werden. Bildender natürlich wird es für diesen immer sein, die mangellose Schönheit darzustellen, als dem Häßlichen
ausdrücklichere Erkenntniß ſeiner Organiſation iſt noch nicht verſucht.
Allerdings gebührt der Deutſchen Philoſophie der Ruhm, zuerſt den Muth gehabt zu haben, das Häßliche als die äſthetiſche Unidee, als ein integrirendes Moment der Aeſthetik erkannt und auch erkannt zu haben, daß das Schöne durch das Häßliche zum Komiſchen übergeht (1). Man wird dieſe Entdeckung, in welcher das Negativſchöne zu ſeinem Rechte gelangt iſt, nicht wieder verleugnen können. Allein die Behandlung des Begriffs des Häßlichen iſt bisher theils bei einer kurzen, wenig eingehenden Allgemeinheit, theils bei einer zu einſeitig ſpiritualiſtiſchen Faſſung ſtehen geblieben. Sie war zu ausſchließlich darauf gerichtet, einige Figuren bei Shakeſpeare und Göthe, bei Byron und Callot Hoffmann zu erklären (2).
Eine Aeſthetik des Häßlichen kann Manchem ähnlich klingen, wie ein hölzernes Eiſen, weil das Häßliche das Gegentheil des Schönen. Allein das Häßliche iſt vom Be¬ griff des Schönen untrennbar, denn dies hat in ſeiner Ent¬ wicklung daſſelbe beſtändig als diejenige Verirrung an ſich, in die es mit einem oft geringen Zuviel oder zu Zuwenig verfallen kann. Jede Aeſthetik iſt gezwungen, mit der Be¬ ſchreibung der poſitiven Beſtimmungen des Schönen irgend¬ wie auch die negativen des Häßlichen zu berühren. Man trifft mindeſtens die Warnung, daß, wenn nicht ſo verfahren würde, als ſie fordern, das Schöne verfehlt und ſtatt ſeiner das Häßliche erzeugt werden würde. Die Aeſthetik des Häßlichen ſoll ſeinen Urſprung, ſeine Möglichkeiten, ſeine Arten ſchildern und kann dadurch auch dem Künſtler nützlich werden. Bildender natürlich wird es für dieſen immer ſein, die mangelloſe Schönheit darzuſtellen, als dem Häßlichen
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ausdrücklichere Erkenntniß ſeiner Organiſation iſt noch nicht
verſucht.
Allerdings gebührt der Deutſchen Philoſophie der
Ruhm, zuerſt den Muth gehabt zu haben, das Häßliche
als die äſthetiſche Unidee, als ein integrirendes Moment der
Aeſthetik erkannt und auch erkannt zu haben, daß das
Schöne durch das Häßliche zum Komiſchen übergeht (1).
Man wird dieſe Entdeckung, in welcher das Negativſchöne
zu ſeinem Rechte gelangt iſt, nicht wieder verleugnen können.
Allein die Behandlung des Begriffs des Häßlichen iſt bisher
theils bei einer kurzen, wenig eingehenden Allgemeinheit,
theils bei einer zu einſeitig ſpiritualiſtiſchen Faſſung ſtehen
geblieben. Sie war zu ausſchließlich darauf gerichtet, einige
Figuren bei Shakeſpeare und Göthe, bei Byron und Callot
Hoffmann zu erklären (2).
Eine Aeſthetik des Häßlichen kann Manchem ähnlich
klingen, wie ein hölzernes Eiſen, weil das Häßliche das
Gegentheil des Schönen. Allein das Häßliche iſt vom Be¬
griff des Schönen untrennbar, denn dies hat in ſeiner Ent¬
wicklung daſſelbe beſtändig als diejenige Verirrung an ſich,
in die es mit einem oft geringen Zuviel oder zu Zuwenig
verfallen kann. Jede Aeſthetik iſt gezwungen, mit der Be¬
ſchreibung der poſitiven Beſtimmungen des Schönen irgend¬
wie auch die negativen des Häßlichen zu berühren. Man
trifft mindeſtens die Warnung, daß, wenn nicht ſo verfahren
würde, als ſie fordern, das Schöne verfehlt und ſtatt ſeiner
das Häßliche erzeugt werden würde. Die Aeſthetik des
Häßlichen ſoll ſeinen Urſprung, ſeine Möglichkeiten, ſeine
Arten ſchildern und kann dadurch auch dem Künſtler nützlich
werden. Bildender natürlich wird es für dieſen immer ſein,
die mangelloſe Schönheit darzuſtellen, als dem Häßlichen
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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