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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Naturtreue abstrahiren und nur einen phantastischen aplomb
besitzen. Grandville dagegen hat in seinen Verzerrungen
nicht blos eine Schildkröte mit einem Pudelkopf, nicht blos
einen Bären mit einem Schlangen-, eine Heuschrecke mit
einem Papagaienkopf; er hat nicht blos Maschinen als
Menschen, Menschen als Maschinen gemalt; sondern er hat
unter Anderm auch einen Thierzwinger gemalt, vor welchem
selbst antediluvianische Monstra sich entsetzen würden, denn
wir erblicken in ihm Doppelthiere, die nicht blos Synthesen
zwieträchtiger Formen, vielmehr sich ausschließende Bildungen
sind, welche die Illusion der Einheit in einer fürchterlichen
Weise vernichten. Wir sehen z. B. einen Büffel, dessen
Schwanz in eine krokodilartige Schlange endet, so daß nun
zwei Hufe des Büffels nach vorn, zwei Tatzen des Krokodils
nach hinten gerichtet sind, ein Zwiespalt der Tendenz, der
die Einheit auf verrückte Weise stört. Oder auch wir sehen
von einem Kletterbaum einen Löwen herabstürzen, dessen
Schwanz ein Pelikanhals ist, welcher eben einen Fisch
verschlingt. Dies ist wirklich häßlich und zu gräßlich, um
komisch wirken zu können. Mit einer komischen Wendung
werden allerdings selbst die extremsten Widersprüche erträglich.
So hat Grandville in demselben Werk eine Menagerie
gemalt, vor deren Käfigten allerlei neugieriges Thiervolk sich
umtreibt. Da erblicken wir den Englischen Einhornleoparden
im Käfigt und vor demselben eine Hundegestalt mit dem
Kopf und Hut eines Matrosen, der eine kurze Pfeife raucht.
Vor einem in sich verdoppelten Napoleonischen Adler sehen
wir eine Sphinx kauern, welche den Kopf einer Elsassischen
Amme hat, die, statt mit der Aegyptischen Kalantika, mit
ihrer bekannten hohen Haube geziert ist. Jener Matrosen¬
hund, diese Sphinxamme, das ist phantastisch und witzig,

Naturtreue abſtrahiren und nur einen phantaſtiſchen àplomb
beſitzen. Grandville dagegen hat in ſeinen Verzerrungen
nicht blos eine Schildkröte mit einem Pudelkopf, nicht blos
einen Bären mit einem Schlangen-, eine Heuſchrecke mit
einem Papagaienkopf; er hat nicht blos Maſchinen als
Menſchen, Menſchen als Maſchinen gemalt; ſondern er hat
unter Anderm auch einen Thierzwinger gemalt, vor welchem
ſelbſt antediluvianiſche Monſtra ſich entſetzen würden, denn
wir erblicken in ihm Doppelthiere, die nicht blos Syntheſen
zwieträchtiger Formen, vielmehr ſich ausſchließende Bildungen
ſind, welche die Illuſion der Einheit in einer fürchterlichen
Weiſe vernichten. Wir ſehen z. B. einen Büffel, deſſen
Schwanz in eine krokodilartige Schlange endet, ſo daß nun
zwei Hufe des Büffels nach vorn, zwei Tatzen des Krokodils
nach hinten gerichtet ſind, ein Zwieſpalt der Tendenz, der
die Einheit auf verrückte Weiſe ſtört. Oder auch wir ſehen
von einem Kletterbaum einen Löwen herabſtürzen, deſſen
Schwanz ein Pelikanhals iſt, welcher eben einen Fiſch
verſchlingt. Dies iſt wirklich häßlich und zu gräßlich, um
komiſch wirken zu können. Mit einer komiſchen Wendung
werden allerdings ſelbſt die extremſten Widerſprüche erträglich.
So hat Grandville in demſelben Werk eine Menagerie
gemalt, vor deren Käfigten allerlei neugieriges Thiervolk ſich
umtreibt. Da erblicken wir den Engliſchen Einhornleoparden
im Käfigt und vor demſelben eine Hundegeſtalt mit dem
Kopf und Hut eines Matroſen, der eine kurze Pfeife raucht.
Vor einem in ſich verdoppelten Napoleoniſchen Adler ſehen
wir eine Sphinx kauern, welche den Kopf einer Elſaſſiſchen
Amme hat, die, ſtatt mit der Aegyptiſchen Kalantika, mit
ihrer bekannten hohen Haube geziert iſt. Jener Matroſen¬
hund, dieſe Sphinxamme, das iſt phantaſtiſch und witzig,

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[136/0158] Naturtreue abſtrahiren und nur einen phantaſtiſchen àplomb beſitzen. Grandville dagegen hat in ſeinen Verzerrungen nicht blos eine Schildkröte mit einem Pudelkopf, nicht blos einen Bären mit einem Schlangen-, eine Heuſchrecke mit einem Papagaienkopf; er hat nicht blos Maſchinen als Menſchen, Menſchen als Maſchinen gemalt; ſondern er hat unter Anderm auch einen Thierzwinger gemalt, vor welchem ſelbſt antediluvianiſche Monſtra ſich entſetzen würden, denn wir erblicken in ihm Doppelthiere, die nicht blos Syntheſen zwieträchtiger Formen, vielmehr ſich ausſchließende Bildungen ſind, welche die Illuſion der Einheit in einer fürchterlichen Weiſe vernichten. Wir ſehen z. B. einen Büffel, deſſen Schwanz in eine krokodilartige Schlange endet, ſo daß nun zwei Hufe des Büffels nach vorn, zwei Tatzen des Krokodils nach hinten gerichtet ſind, ein Zwieſpalt der Tendenz, der die Einheit auf verrückte Weiſe ſtört. Oder auch wir ſehen von einem Kletterbaum einen Löwen herabſtürzen, deſſen Schwanz ein Pelikanhals iſt, welcher eben einen Fiſch verſchlingt. Dies iſt wirklich häßlich und zu gräßlich, um komiſch wirken zu können. Mit einer komiſchen Wendung werden allerdings ſelbſt die extremſten Widerſprüche erträglich. So hat Grandville in demſelben Werk eine Menagerie gemalt, vor deren Käfigten allerlei neugieriges Thiervolk ſich umtreibt. Da erblicken wir den Engliſchen Einhornleoparden im Käfigt und vor demſelben eine Hundegeſtalt mit dem Kopf und Hut eines Matroſen, der eine kurze Pfeife raucht. Vor einem in ſich verdoppelten Napoleoniſchen Adler ſehen wir eine Sphinx kauern, welche den Kopf einer Elſaſſiſchen Amme hat, die, ſtatt mit der Aegyptiſchen Kalantika, mit ihrer bekannten hohen Haube geziert iſt. Jener Matroſen¬ hund, dieſe Sphinxamme, das iſt phantaſtiſch und witzig,

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/158>, abgerufen am 24.11.2024.