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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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das Aegyptische Weib, die "alte Schlange vom Nil" ist?
Man höre, wie die Historiker, wie ein Gervinus (27),
über den historischen Gehalt dieser Tragödien sich aussprechen.
Man zergliedre Schiller's Wallenstein, ob die Zer¬
klüftung der Europäischen Welt zur Zeit des dreißigjährigen
Kriegs darin nicht mit geschichtgesättigten Farben gemalt ist?
Man betrachte Schinkels Bilder zu Theaterdecorationen,
ob er darin nicht die historische Individualität mit dem
ästhetischen Ideal und mit dem besondern Bedürfniß des
Theaters in Einklang zu setzen gewußt habe? -- Immer
aber werden wir die freie Behandlung, die wir der Kunst
für die Natur und noch mehr für den Geist zugestehen
müssen, nur unter der Bedingung anerkennen, daß die
Idealität im objectiven Sinne des Worts durch sie gewinne,
denn ohne diese Steigerung, welche die eigene Tendenz des
Wesens zur Klarheit der Erscheinung befreiet, wird sie der
Kategorie des Incorrecten zufallen müssen, oder sie wird
komisch werden.

Wie immer und überall, liegt das Komische auch hier
darin, daß das dem Begriff nach Unmögliche scheinbar wirk¬
lich wird und durch seine empirische Realität unserm Verstande
Hohn spricht. Wenn, wie oben erwähnt, die Griechischen
und Römischen Heroen und Heroinen auf der Pariser Bühne
ehemals mit gepuderten Allongeperücken, mit Reifröcken,
Stelzschuhen, Petitdegen und Fächern erschienen, so finden
wir heut zu Tage in diesem Costüm eine lächerliche Incorrect¬
heit. Wie wenig aber diese Aeußerlichkeit für die Sache auf
sich habe, sehen wir daraus, daß jetzt diese Tragödien von
Corneille, Racine und Voltaire auf dem Theatre francais
nicht mehr in jenem Hofgallacostüm der absoluten Monarchie,
sondern in wirklich antiken Trachten gespielt werden, ohne

das Aegyptiſche Weib, die „alte Schlange vom Nil“ iſt?
Man höre, wie die Hiſtoriker, wie ein Gervinus (27),
über den hiſtoriſchen Gehalt dieſer Tragödien ſich ausſprechen.
Man zergliedre Schiller's Wallenſtein, ob die Zer¬
klüftung der Europäiſchen Welt zur Zeit des dreißigjährigen
Kriegs darin nicht mit geſchichtgeſättigten Farben gemalt iſt?
Man betrachte Schinkels Bilder zu Theaterdecorationen,
ob er darin nicht die hiſtoriſche Individualität mit dem
äſthetiſchen Ideal und mit dem beſondern Bedürfniß des
Theaters in Einklang zu ſetzen gewußt habe? — Immer
aber werden wir die freie Behandlung, die wir der Kunſt
für die Natur und noch mehr für den Geiſt zugeſtehen
müſſen, nur unter der Bedingung anerkennen, daß die
Idealität im objectiven Sinne des Worts durch ſie gewinne,
denn ohne dieſe Steigerung, welche die eigene Tendenz des
Weſens zur Klarheit der Erſcheinung befreiet, wird ſie der
Kategorie des Incorrecten zufallen müſſen, oder ſie wird
komiſch werden.

Wie immer und überall, liegt das Komiſche auch hier
darin, daß das dem Begriff nach Unmögliche ſcheinbar wirk¬
lich wird und durch ſeine empiriſche Realität unſerm Verſtande
Hohn ſpricht. Wenn, wie oben erwähnt, die Griechiſchen
und Römiſchen Heroen und Heroinen auf der Pariſer Bühne
ehemals mit gepuderten Allongeperücken, mit Reifröcken,
Stelzſchuhen, Petitdegen und Fächern erſchienen, ſo finden
wir heut zu Tage in dieſem Coſtüm eine lächerliche Incorrect¬
heit. Wie wenig aber dieſe Aeußerlichkeit für die Sache auf
ſich habe, ſehen wir daraus, daß jetzt dieſe Tragödien von
Corneille, Racine und Voltaire auf dem Theâtre francais
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[128/0150] das Aegyptiſche Weib, die „alte Schlange vom Nil“ iſt? Man höre, wie die Hiſtoriker, wie ein Gervinus (27), über den hiſtoriſchen Gehalt dieſer Tragödien ſich ausſprechen. Man zergliedre Schiller's Wallenſtein, ob die Zer¬ klüftung der Europäiſchen Welt zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs darin nicht mit geſchichtgeſättigten Farben gemalt iſt? Man betrachte Schinkels Bilder zu Theaterdecorationen, ob er darin nicht die hiſtoriſche Individualität mit dem äſthetiſchen Ideal und mit dem beſondern Bedürfniß des Theaters in Einklang zu ſetzen gewußt habe? — Immer aber werden wir die freie Behandlung, die wir der Kunſt für die Natur und noch mehr für den Geiſt zugeſtehen müſſen, nur unter der Bedingung anerkennen, daß die Idealität im objectiven Sinne des Worts durch ſie gewinne, denn ohne dieſe Steigerung, welche die eigene Tendenz des Weſens zur Klarheit der Erſcheinung befreiet, wird ſie der Kategorie des Incorrecten zufallen müſſen, oder ſie wird komiſch werden. Wie immer und überall, liegt das Komiſche auch hier darin, daß das dem Begriff nach Unmögliche ſcheinbar wirk¬ lich wird und durch ſeine empiriſche Realität unſerm Verſtande Hohn ſpricht. Wenn, wie oben erwähnt, die Griechiſchen und Römiſchen Heroen und Heroinen auf der Pariſer Bühne ehemals mit gepuderten Allongeperücken, mit Reifröcken, Stelzſchuhen, Petitdegen und Fächern erſchienen, ſo finden wir heut zu Tage in dieſem Coſtüm eine lächerliche Incorrect¬ heit. Wie wenig aber dieſe Aeußerlichkeit für die Sache auf ſich habe, ſehen wir daraus, daß jetzt dieſe Tragödien von Corneille, Racine und Voltaire auf dem Theâtre francais nicht mehr in jenem Hofgallacoſtüm der abſoluten Monarchie, ſondern in wirklich antiken Trachten geſpielt werden, ohne

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/150>, abgerufen am 23.11.2024.