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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Rest seines Lebens noch zu einer nützlichen, wo möglich
noblen That verwerthen. Leider ist das Wie seinem geist¬
reichen Kopfe dunkel, aber die Vorsehung des Dramas sorgt
auch für die Narren. Mit Ueberraschung hat er nämlich
der originellen Mordscene beigewohnt, jagt im rechten Augen¬
blick mit einem kräftig ausgestoßenen "Bube" den ehrlichen
Banditen Pietro in die Flucht, erfährt von Julia sofort den
Thatbestand und ist entzückt, bei ihr eine schöne Gelegenheit
gefunden zu haben, sein Nichts von Leben doch noch gut
verwerthen zu können. Er entschließt sich nämlich, die
schwangere Julia zu heirathen. Worüber Clara's früherer
Geliebter in Hebbels Magdalena noch nicht hinfort kann,
weil kein "Mann" darüber hinfort kann, das existirt für
den ausgemergelten Grafen nicht mehr. Sein Standpunct
ist höher, freier, denn er dürstet vor dem nahen Tode nach
einer tugendhaften Handlung und einem gefallenen Mädchen
recht pfiffig wieder zu ihrer Ehre zu helfen -- sollte das
nicht außerordentlich tugendhaft sein? Unterdessen hat der
alte Vater seine Tochter vermißt und täuscht die Stadt mit
einem leeren Sarge, als ob sie gestorben wäre, bei welcher
Posse der Hausarzt Alberto ihn unterstützt, der als Haus¬
freund erst Juliens Mutter, dann diese selber, immer in
bescheidener Ferne, geliebt hat. Graf Bertram kommt mit
Julia an und der Vater gibt, wohl oder übel, dem vor¬
nehmen Schwiegersohn seinen Segen. Aber der so schöne
und durch die Liebe zum Philisterium bekehrte Räuber Antonio
kommt auch an und ras't natürlich zuerst, bis ihm Ber¬
trams wunderbare, nicht sowohl keusche, als richtiger impo¬
tente Willensmeinungen klar gemacht werden. Auf einem
Schloß des Grafen in Tyrol finden wir im letzten Act
Julien mit ihrem Mann, ihrem Geliebten und dem Plato¬

Reſt ſeines Lebens noch zu einer nützlichen, wo möglich
noblen That verwerthen. Leider iſt das Wie ſeinem geiſt¬
reichen Kopfe dunkel, aber die Vorſehung des Dramas ſorgt
auch für die Narren. Mit Ueberraſchung hat er nämlich
der originellen Mordſcene beigewohnt, jagt im rechten Augen¬
blick mit einem kräftig ausgeſtoßenen „Bube“ den ehrlichen
Banditen Pietro in die Flucht, erfährt von Julia ſofort den
Thatbeſtand und iſt entzückt, bei ihr eine ſchöne Gelegenheit
gefunden zu haben, ſein Nichts von Leben doch noch gut
verwerthen zu können. Er entſchließt ſich nämlich, die
ſchwangere Julia zu heirathen. Worüber Clara's früherer
Geliebter in Hebbels Magdalena noch nicht hinfort kann,
weil kein „Mann“ darüber hinfort kann, das exiſtirt für
den ausgemergelten Grafen nicht mehr. Sein Standpunct
iſt höher, freier, denn er dürſtet vor dem nahen Tode nach
einer tugendhaften Handlung und einem gefallenen Mädchen
recht pfiffig wieder zu ihrer Ehre zu helfen — ſollte das
nicht außerordentlich tugendhaft ſein? Unterdeſſen hat der
alte Vater ſeine Tochter vermißt und täuſcht die Stadt mit
einem leeren Sarge, als ob ſie geſtorben wäre, bei welcher
Poſſe der Hausarzt Alberto ihn unterſtützt, der als Haus¬
freund erſt Juliens Mutter, dann dieſe ſelber, immer in
beſcheidener Ferne, geliebt hat. Graf Bertram kommt mit
Julia an und der Vater gibt, wohl oder übel, dem vor¬
nehmen Schwiegerſohn ſeinen Segen. Aber der ſo ſchöne
und durch die Liebe zum Philiſterium bekehrte Räuber Antonio
kommt auch an und raſ't natürlich zuerſt, bis ihm Ber¬
trams wunderbare, nicht ſowohl keuſche, als richtiger impo¬
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[111/0133] Reſt ſeines Lebens noch zu einer nützlichen, wo möglich noblen That verwerthen. Leider iſt das Wie ſeinem geiſt¬ reichen Kopfe dunkel, aber die Vorſehung des Dramas ſorgt auch für die Narren. Mit Ueberraſchung hat er nämlich der originellen Mordſcene beigewohnt, jagt im rechten Augen¬ blick mit einem kräftig ausgeſtoßenen „Bube“ den ehrlichen Banditen Pietro in die Flucht, erfährt von Julia ſofort den Thatbeſtand und iſt entzückt, bei ihr eine ſchöne Gelegenheit gefunden zu haben, ſein Nichts von Leben doch noch gut verwerthen zu können. Er entſchließt ſich nämlich, die ſchwangere Julia zu heirathen. Worüber Clara's früherer Geliebter in Hebbels Magdalena noch nicht hinfort kann, weil kein „Mann“ darüber hinfort kann, das exiſtirt für den ausgemergelten Grafen nicht mehr. Sein Standpunct iſt höher, freier, denn er dürſtet vor dem nahen Tode nach einer tugendhaften Handlung und einem gefallenen Mädchen recht pfiffig wieder zu ihrer Ehre zu helfen — ſollte das nicht außerordentlich tugendhaft ſein? Unterdeſſen hat der alte Vater ſeine Tochter vermißt und täuſcht die Stadt mit einem leeren Sarge, als ob ſie geſtorben wäre, bei welcher Poſſe der Hausarzt Alberto ihn unterſtützt, der als Haus¬ freund erſt Juliens Mutter, dann dieſe ſelber, immer in beſcheidener Ferne, geliebt hat. Graf Bertram kommt mit Julia an und der Vater gibt, wohl oder übel, dem vor¬ nehmen Schwiegerſohn ſeinen Segen. Aber der ſo ſchöne und durch die Liebe zum Philiſterium bekehrte Räuber Antonio kommt auch an und raſ't natürlich zuerſt, bis ihm Ber¬ trams wunderbare, nicht ſowohl keuſche, als richtiger impo¬ tente Willensmeinungen klar gemacht werden. Auf einem Schloß des Grafen in Tyrol finden wir im letzten Act Julien mit ihrem Mann, ihrem Geliebten und dem Plato¬

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/133>, abgerufen am 27.11.2024.