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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Wesens
mit sich selbst beruhet und weil sie alle Momente des formalen
Häßlichen in ihrer falschen Begründung und falschen Auf¬
lösung versammelt, so wird sie natürlich zur Erzeugung des
Komischen ein viel stärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬
gänge ins Häßliche. Jede bloße Beseitigung, jede vergriffene
Auflösung, jede phantastische Beendigung des Widerspruchs
statt der Nothwendigkeit seiner immanenten Selbstentfaltung
ist schon auf dem Wege, komisch zu werden. In Werken
solcher Art, in denen also das Komische als Begriff nicht
in sie selbst, sondern in ein anderes Bewußtsein fällt, das
sich durch ihre Täuschung getäuscht findet, ist der Wider¬
spruch zu ernster Natur, als daß seine verkehrte Verwicklung
und Mißauflösung unsere völlige Heiterkeit erregen könnte,
denn die Komik muß, alle trübe Verstimmung in den Son¬
nenstrahl des Gelächters verschwinden zu lassen, von aller
Bedenklichkeit frei sein, weshalb solche Werke, ganz gegen
ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des
Pessimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn
treffend genannt hat (24), möge uns gestatten, an seiner
Julia nachzuweisen, wie das Tragische, wenn es die Knoten
seiner Widersprüche weder recht schürzt, noch recht löst, schon
in das Komische umzuschlagen anfängt, jedoch weil es noch
zu ernst und gewichtig ist, vorerst häßlich bleibt. Ein
Räuberhauptmann Antonio will sich oder vielmehr seinen
auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi
an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denselben
für die Ursache hält, daß sein Vater einst ins Exil habe
wandern müssen. Wie fängt er dies an? Er beschließt,
Tobaldis Tochter zu entehren. Er nähert sich ihr, ohne
daß sie natürlich von seinem Metier als Räuber eine Ahnung

Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Weſens
mit ſich ſelbſt beruhet und weil ſie alle Momente des formalen
Häßlichen in ihrer falſchen Begründung und falſchen Auf¬
löſung verſammelt, ſo wird ſie natürlich zur Erzeugung des
Komiſchen ein viel ſtärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬
gänge ins Häßliche. Jede bloße Beſeitigung, jede vergriffene
Auflöſung, jede phantaſtiſche Beendigung des Widerſpruchs
ſtatt der Nothwendigkeit ſeiner immanenten Selbſtentfaltung
iſt ſchon auf dem Wege, komiſch zu werden. In Werken
ſolcher Art, in denen alſo das Komiſche als Begriff nicht
in ſie ſelbſt, ſondern in ein anderes Bewußtſein fällt, das
ſich durch ihre Täuſchung getäuſcht findet, iſt der Wider¬
ſpruch zu ernſter Natur, als daß ſeine verkehrte Verwicklung
und Mißauflöſung unſere völlige Heiterkeit erregen könnte,
denn die Komik muß, alle trübe Verſtimmung in den Son¬
nenſtrahl des Gelächters verſchwinden zu laſſen, von aller
Bedenklichkeit frei ſein, weshalb ſolche Werke, ganz gegen
ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des
Peſſimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn
treffend genannt hat (24), möge uns geſtatten, an ſeiner
Julia nachzuweiſen, wie das Tragiſche, wenn es die Knoten
ſeiner Widerſprüche weder recht ſchürzt, noch recht löſt, ſchon
in das Komiſche umzuſchlagen anfängt, jedoch weil es noch
zu ernſt und gewichtig iſt, vorerſt häßlich bleibt. Ein
Räuberhauptmann Antonio will ſich oder vielmehr ſeinen
auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi
an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denſelben
für die Urſache hält, daß ſein Vater einſt ins Exil habe
wandern müſſen. Wie fängt er dies an? Er beſchließt,
Tobaldis Tochter zu entehren. Er nähert ſich ihr, ohne
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[109/0131] Weil die Disharmonie auf der Entzweiung des Weſens mit ſich ſelbſt beruhet und weil ſie alle Momente des formalen Häßlichen in ihrer falſchen Begründung und falſchen Auf¬ löſung verſammelt, ſo wird ſie natürlich zur Erzeugung des Komiſchen ein viel ſtärkeres Mittel als alle frühern Ueber¬ gänge ins Häßliche. Jede bloße Beſeitigung, jede vergriffene Auflöſung, jede phantaſtiſche Beendigung des Widerſpruchs ſtatt der Nothwendigkeit ſeiner immanenten Selbſtentfaltung iſt ſchon auf dem Wege, komiſch zu werden. In Werken ſolcher Art, in denen alſo das Komiſche als Begriff nicht in ſie ſelbſt, ſondern in ein anderes Bewußtſein fällt, das ſich durch ihre Täuſchung getäuſcht findet, iſt der Wider¬ ſpruch zu ernſter Natur, als daß ſeine verkehrte Verwicklung und Mißauflöſung unſere völlige Heiterkeit erregen könnte, denn die Komik muß, alle trübe Verſtimmung in den Son¬ nenſtrahl des Gelächters verſchwinden zu laſſen, von aller Bedenklichkeit frei ſein, weshalb ſolche Werke, ganz gegen ihre Tendenz, häßlich werden. Hebbel, der Dichter des Peſſimismus und der Bizarrerie, wie Henneberger ihn treffend genannt hat (24), möge uns geſtatten, an ſeiner Julia nachzuweiſen, wie das Tragiſche, wenn es die Knoten ſeiner Widerſprüche weder recht ſchürzt, noch recht löſt, ſchon in das Komiſche umzuſchlagen anfängt, jedoch weil es noch zu ernſt und gewichtig iſt, vorerſt häßlich bleibt. Ein Räuberhauptmann Antonio will ſich oder vielmehr ſeinen auch als Räuberhauptmann hingerichteten Vater Grimaldi an einem reichen Mann Tobaldi rächen, weil er denſelben für die Urſache hält, daß ſein Vater einſt ins Exil habe wandern müſſen. Wie fängt er dies an? Er beſchließt, Tobaldis Tochter zu entehren. Er nähert ſich ihr, ohne daß ſie natürlich von ſeinem Metier als Räuber eine Ahnung

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/131>, abgerufen am 23.11.2024.