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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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zweiung das mit der Einheit homogene Element theilen,
sondern sie muß die negative Beziehung der Einheit auf sich
selber sein; denn nur unter dieser Voraussetzung ist die
Wiederherstellung der Einheit möglich. Schön also ist die
Entzweiung nicht durch das Negative als solches, sondern
durch die Einheit, die in der Entzweiung als die innerlich
wirksame, zusammenhaltende, rettende, erneuende Macht
ihre Energie beweist.

Schön ist, sagt Kant mit Recht, was ohne Interesse
allgemein gefällt; häßlich also, was ohne Interesse allgemein
mißfällt. Das Disharmonische kann nun sehr wohl unser
Interesse erregen, ohne schön zu sein; wir nennen es dann
interessant. Was nicht in sich einen Widerspruch birgt,
werden wir nicht interessant nennen. Das Einfache, Leichte,
Durchsichtige, ist nicht interessant; das Große, Erhabene,
Heilige steht wieder zu hoch für diesen Ausdruck; es ist mehr,
als nur interessant. Aber das Verwickelte, das Widerspruch¬
volle, das Amphibolische, und daher selbst das Unnatürliche,
das Verbrecherische, das Seltsame, ja Wahnsinnige, ist
interessant. Die gährende Unruhe im Hexenkessel des Wider¬
spruchs hat eine magische Anziehungskraft. Es gibt Schrift¬
steller, welche das Interessante mit dem Poetischen
oft verwechseln und dasselbe durch den Reichthum ihres
Geistes, durch die Kunst ihrer Darstellung, so zu idealisiren
verstehen, daß es dem Idealen sich nähert. Solche Autoren
fassen vor allen Dingen immer den Widerspruch treffend auf,
wie Voltaire und Gutzkow. In der Genesis dagegen
und in der Auflösung des Widerspruchs sind sie nicht eben
so glücklich, woher sich denn erklärt, daß sie mehr den Ver¬
stand und die Phantasie beschäftigen, als das Gefühl hin¬
reißen, das vom Strudel der Disharmonie zwar auch

zweiung das mit der Einheit homogene Element theilen,
ſondern ſie muß die negative Beziehung der Einheit auf ſich
ſelber ſein; denn nur unter dieſer Vorausſetzung iſt die
Wiederherſtellung der Einheit möglich. Schön alſo iſt die
Entzweiung nicht durch das Negative als ſolches, ſondern
durch die Einheit, die in der Entzweiung als die innerlich
wirkſame, zuſammenhaltende, rettende, erneuende Macht
ihre Energie beweiſt.

Schön iſt, ſagt Kant mit Recht, was ohne Intereſſe
allgemein gefällt; häßlich alſo, was ohne Intereſſe allgemein
mißfällt. Das Disharmoniſche kann nun ſehr wohl unſer
Intereſſe erregen, ohne ſchön zu ſein; wir nennen es dann
intereſſant. Was nicht in ſich einen Widerſpruch birgt,
werden wir nicht intereſſant nennen. Das Einfache, Leichte,
Durchſichtige, iſt nicht intereſſant; das Große, Erhabene,
Heilige ſteht wieder zu hoch für dieſen Ausdruck; es iſt mehr,
als nur intereſſant. Aber das Verwickelte, das Widerſpruch¬
volle, das Amphiboliſche, und daher ſelbſt das Unnatürliche,
das Verbrecheriſche, das Seltſame, ja Wahnſinnige, iſt
intereſſant. Die gährende Unruhe im Hexenkeſſel des Wider¬
ſpruchs hat eine magiſche Anziehungskraft. Es gibt Schrift¬
ſteller, welche das Intereſſante mit dem Poetiſchen
oft verwechſeln und daſſelbe durch den Reichthum ihres
Geiſtes, durch die Kunſt ihrer Darſtellung, ſo zu idealiſiren
verſtehen, daß es dem Idealen ſich nähert. Solche Autoren
faſſen vor allen Dingen immer den Widerſpruch treffend auf,
wie Voltaire und Gutzkow. In der Geneſis dagegen
und in der Auflöſung des Widerſpruchs ſind ſie nicht eben
ſo glücklich, woher ſich denn erklärt, daß ſie mehr den Ver¬
ſtand und die Phantaſie beſchäftigen, als das Gefühl hin¬
reißen, das vom Strudel der Disharmonie zwar auch

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[105/0127] zweiung das mit der Einheit homogene Element theilen, ſondern ſie muß die negative Beziehung der Einheit auf ſich ſelber ſein; denn nur unter dieſer Vorausſetzung iſt die Wiederherſtellung der Einheit möglich. Schön alſo iſt die Entzweiung nicht durch das Negative als ſolches, ſondern durch die Einheit, die in der Entzweiung als die innerlich wirkſame, zuſammenhaltende, rettende, erneuende Macht ihre Energie beweiſt. Schön iſt, ſagt Kant mit Recht, was ohne Intereſſe allgemein gefällt; häßlich alſo, was ohne Intereſſe allgemein mißfällt. Das Disharmoniſche kann nun ſehr wohl unſer Intereſſe erregen, ohne ſchön zu ſein; wir nennen es dann intereſſant. Was nicht in ſich einen Widerſpruch birgt, werden wir nicht intereſſant nennen. Das Einfache, Leichte, Durchſichtige, iſt nicht intereſſant; das Große, Erhabene, Heilige ſteht wieder zu hoch für dieſen Ausdruck; es iſt mehr, als nur intereſſant. Aber das Verwickelte, das Widerſpruch¬ volle, das Amphiboliſche, und daher ſelbſt das Unnatürliche, das Verbrecheriſche, das Seltſame, ja Wahnſinnige, iſt intereſſant. Die gährende Unruhe im Hexenkeſſel des Wider¬ ſpruchs hat eine magiſche Anziehungskraft. Es gibt Schrift¬ ſteller, welche das Intereſſante mit dem Poetiſchen oft verwechſeln und daſſelbe durch den Reichthum ihres Geiſtes, durch die Kunſt ihrer Darſtellung, ſo zu idealiſiren verſtehen, daß es dem Idealen ſich nähert. Solche Autoren faſſen vor allen Dingen immer den Widerſpruch treffend auf, wie Voltaire und Gutzkow. In der Geneſis dagegen und in der Auflöſung des Widerſpruchs ſind ſie nicht eben ſo glücklich, woher ſich denn erklärt, daß ſie mehr den Ver¬ ſtand und die Phantaſie beſchäftigen, als das Gefühl hin¬ reißen, das vom Strudel der Disharmonie zwar auch

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/127>, abgerufen am 23.11.2024.