nehme z. B. die Pompejanische Wandmalerei, so ist ihr die Harmonie der Farben so wesentlich, daß in einem Zimmer der Grundton Alles bis in die kleinsten Details beherrscht. Hettner, in seiner Vorschule der bildenden Kunst bei den Alten (22), hat sehr gut gezeigt, daß nur aus diesem hohen harmonischen Sinn die Anomalieen gegen die Naturwahrheit sich erklären lassen, die wir auf den Wandgemälden finden, wie wenn Thiere oder Menschen in einem ihnen unnatürlichen Colorit dargestellt werden. Bei näherer Untersuchung finden wir solche Abweichungen von der Natur durch die Harmonie bedingt, in welcher die Grundfarbe der Wand und des Centralgemäldes auf ihr mit den Nebenbildern und den Ornamenten zusammenstimmen. Die Alten machten die Wand zu einer lebendigen optischen Einheit, aus welcher heraus alles Besondere in ihr sein Colorit entnehmen mußte.
Wie in allen ähnlichen Fällen wird der Ausdruck Harmonie auch schon für diejenigen Stufen der Einheit ge¬ braucht, die in ihr nur Momente sind. Die Reinheit einer einfachen Bestimmtheit, einer Farbe, eines Tons, einer Fläche, nennen wir auch wohl schon harmonisch. Nicht weniger die Eurythmie einer glücklichen symmetrischen Anordnung. Streng genommen können wir aber harmonisch nur eine solche Ein¬ heit nennen, deren Unterschiede einen genetischen Charakter haben. Es ist die Proportionalität der Verhältnisse nicht nur, es ist auch die Thätigkeit in der Beziehung, die zur Harmonie erfordert wird. Je mannigfaltiger die Unterschiede des Ganzen sind, je selbstständiger jeder von ihnen für sich erscheint, und je inniger sie doch in einandergreifen, eine durchgängige homologe Einheit hervorzubringen, um desto harmonischer ist der Eindruck. Das harmonische Werk wieder¬
nehme z. B. die Pompejaniſche Wandmalerei, ſo iſt ihr die Harmonie der Farben ſo weſentlich, daß in einem Zimmer der Grundton Alles bis in die kleinſten Details beherrſcht. Hettner, in ſeiner Vorſchule der bildenden Kunſt bei den Alten (22), hat ſehr gut gezeigt, daß nur aus dieſem hohen harmoniſchen Sinn die Anomalieen gegen die Naturwahrheit ſich erklären laſſen, die wir auf den Wandgemälden finden, wie wenn Thiere oder Menſchen in einem ihnen unnatürlichen Colorit dargeſtellt werden. Bei näherer Unterſuchung finden wir ſolche Abweichungen von der Natur durch die Harmonie bedingt, in welcher die Grundfarbe der Wand und des Centralgemäldes auf ihr mit den Nebenbildern und den Ornamenten zuſammenſtimmen. Die Alten machten die Wand zu einer lebendigen optiſchen Einheit, aus welcher heraus alles Beſondere in ihr ſein Colorit entnehmen mußte.
Wie in allen ähnlichen Fällen wird der Ausdruck Harmonie auch ſchon für diejenigen Stufen der Einheit ge¬ braucht, die in ihr nur Momente ſind. Die Reinheit einer einfachen Beſtimmtheit, einer Farbe, eines Tons, einer Fläche, nennen wir auch wohl ſchon harmoniſch. Nicht weniger die Eurythmie einer glücklichen ſymmetriſchen Anordnung. Streng genommen können wir aber harmoniſch nur eine ſolche Ein¬ heit nennen, deren Unterſchiede einen genetiſchen Charakter haben. Es iſt die Proportionalität der Verhältniſſe nicht nur, es iſt auch die Thätigkeit in der Beziehung, die zur Harmonie erfordert wird. Je mannigfaltiger die Unterſchiede des Ganzen ſind, je ſelbſtſtändiger jeder von ihnen für ſich erſcheint, und je inniger ſie doch in einandergreifen, eine durchgängige homologe Einheit hervorzubringen, um deſto harmoniſcher iſt der Eindruck. Das harmoniſche Werk wieder¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0124"n="102"/>
nehme z. B. die <hirendition="#g">Pompejaniſche Wandmalerei</hi>, ſo iſt<lb/>
ihr die Harmonie der Farben ſo weſentlich, daß in einem<lb/>
Zimmer der Grundton Alles bis in die kleinſten Details<lb/>
beherrſcht. <hirendition="#g">Hettner</hi>, in ſeiner Vorſchule der bildenden<lb/>
Kunſt bei den Alten (22), hat ſehr gut gezeigt, daß nur<lb/>
aus dieſem hohen harmoniſchen Sinn die Anomalieen gegen<lb/>
die Naturwahrheit ſich erklären laſſen, die wir auf den<lb/>
Wandgemälden finden, wie wenn Thiere oder Menſchen<lb/>
in einem ihnen unnatürlichen Colorit dargeſtellt werden.<lb/>
Bei näherer Unterſuchung finden wir ſolche Abweichungen<lb/>
von der Natur durch die Harmonie bedingt, in welcher die<lb/>
Grundfarbe der Wand und des Centralgemäldes auf ihr<lb/>
mit den Nebenbildern und den Ornamenten zuſammenſtimmen.<lb/>
Die Alten machten die Wand zu einer lebendigen optiſchen<lb/>
Einheit, aus welcher heraus alles Beſondere in ihr ſein<lb/>
Colorit entnehmen mußte.</p><lb/><p>Wie in allen ähnlichen Fällen wird der Ausdruck<lb/>
Harmonie auch ſchon für diejenigen Stufen der Einheit ge¬<lb/>
braucht, die in ihr nur Momente ſind. Die Reinheit einer<lb/>
einfachen Beſtimmtheit, einer Farbe, eines Tons, einer Fläche,<lb/>
nennen wir auch wohl ſchon harmoniſch. Nicht weniger die<lb/>
Eurythmie einer glücklichen ſymmetriſchen Anordnung. Streng<lb/>
genommen können wir aber harmoniſch nur eine ſolche Ein¬<lb/>
heit nennen, deren Unterſchiede einen <hirendition="#g">genetiſchen</hi> Charakter<lb/>
haben. Es iſt die Proportionalität der Verhältniſſe nicht<lb/>
nur, es iſt auch die Thätigkeit in der Beziehung, die zur<lb/>
Harmonie erfordert wird. Je mannigfaltiger die Unterſchiede<lb/>
des Ganzen ſind, je ſelbſtſtändiger jeder von ihnen für ſich<lb/>
erſcheint, und je inniger ſie doch in einandergreifen, eine<lb/>
durchgängige homologe Einheit hervorzubringen, um deſto<lb/>
harmoniſcher iſt der Eindruck. Das harmoniſche Werk wieder¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[102/0124]
nehme z. B. die Pompejaniſche Wandmalerei, ſo iſt
ihr die Harmonie der Farben ſo weſentlich, daß in einem
Zimmer der Grundton Alles bis in die kleinſten Details
beherrſcht. Hettner, in ſeiner Vorſchule der bildenden
Kunſt bei den Alten (22), hat ſehr gut gezeigt, daß nur
aus dieſem hohen harmoniſchen Sinn die Anomalieen gegen
die Naturwahrheit ſich erklären laſſen, die wir auf den
Wandgemälden finden, wie wenn Thiere oder Menſchen
in einem ihnen unnatürlichen Colorit dargeſtellt werden.
Bei näherer Unterſuchung finden wir ſolche Abweichungen
von der Natur durch die Harmonie bedingt, in welcher die
Grundfarbe der Wand und des Centralgemäldes auf ihr
mit den Nebenbildern und den Ornamenten zuſammenſtimmen.
Die Alten machten die Wand zu einer lebendigen optiſchen
Einheit, aus welcher heraus alles Beſondere in ihr ſein
Colorit entnehmen mußte.
Wie in allen ähnlichen Fällen wird der Ausdruck
Harmonie auch ſchon für diejenigen Stufen der Einheit ge¬
braucht, die in ihr nur Momente ſind. Die Reinheit einer
einfachen Beſtimmtheit, einer Farbe, eines Tons, einer Fläche,
nennen wir auch wohl ſchon harmoniſch. Nicht weniger die
Eurythmie einer glücklichen ſymmetriſchen Anordnung. Streng
genommen können wir aber harmoniſch nur eine ſolche Ein¬
heit nennen, deren Unterſchiede einen genetiſchen Charakter
haben. Es iſt die Proportionalität der Verhältniſſe nicht
nur, es iſt auch die Thätigkeit in der Beziehung, die zur
Harmonie erfordert wird. Je mannigfaltiger die Unterſchiede
des Ganzen ſind, je ſelbſtſtändiger jeder von ihnen für ſich
erſcheint, und je inniger ſie doch in einandergreifen, eine
durchgängige homologe Einheit hervorzubringen, um deſto
harmoniſcher iſt der Eindruck. Das harmoniſche Werk wieder¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/124>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.