schaft, welcher derselbe überwiesen werden könnte, und es ist also richtig, von der Aesthetik des Häßlichen zu sprechen. Niemand wundert sich, wenn in der Biologie auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der Ethik vom Begriff des Bösen, in der Rechtswissenschaft vom Begriff des Unrechts, in der Religionswissenschaft vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des Häßlichen zu sagen, würde die wissenschaftliche Genea¬ logie des Begriffs nicht so bestimmt ausdrücken. Die Ausführung der Sache selbst hat übrigens den Namen zu rechtfertigen.
Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen als die Mitte zwischen dem des Schönen und dem des Komischen von seinen ersten Anfängen bis zu derjenigen Vollendung zu entwickeln, die er sich in der Gestalt des Satanischen gibt. Ich rolle gleichsam den Kosmos des Häßlichen auf von seinen ersten chaotischen Nebel¬ flecken, von der Amorphie und Asymmetrie an, bis zu seinen intensivsten Formationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Desorganisation des Schönen durch die Caricatur. Die Formlosigkeit, die Incorrectheit und die Deformität der Verbildung machen die ver¬ schiedenen Stufen dieser in sich consequenten Reihe von
ſchaft, welcher derſelbe überwieſen werden könnte, und es iſt alſo richtig, von der Aeſthetik des Häßlichen zu ſprechen. Niemand wundert ſich, wenn in der Biologie auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der Ethik vom Begriff des Böſen, in der Rechtswiſſenſchaft vom Begriff des Unrechts, in der Religionswiſſenſchaft vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des Häßlichen zu ſagen, würde die wiſſenſchaftliche Genea¬ logie des Begriffs nicht ſo beſtimmt ausdrücken. Die Ausführung der Sache ſelbſt hat übrigens den Namen zu rechtfertigen.
Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen als die Mitte zwiſchen dem des Schönen und dem des Komiſchen von ſeinen erſten Anfängen bis zu derjenigen Vollendung zu entwickeln, die er ſich in der Geſtalt des Sataniſchen gibt. Ich rolle gleichſam den Kosmos des Häßlichen auf von ſeinen erſten chaotiſchen Nebel¬ flecken, von der Amorphie und Aſymmetrie an, bis zu ſeinen intenſivſten Formationen in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Desorganiſation des Schönen durch die Caricatur. Die Formloſigkeit, die Incorrectheit und die Deformität der Verbildung machen die ver¬ ſchiedenen Stufen dieſer in ſich conſequenten Reihe von
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[IV/0012]
ſchaft, welcher derſelbe überwieſen werden könnte, und
es iſt alſo richtig, von der Aeſthetik des Häßlichen zu
ſprechen. Niemand wundert ſich, wenn in der Biologie
auch vom Begriff der Krankheit oder wenn in der
Ethik vom Begriff des Böſen, in der Rechtswiſſenſchaft
vom Begriff des Unrechts, in der Religionswiſſenſchaft
vom Begriff der Sünde gehandelt wird. Theorie des
Häßlichen zu ſagen, würde die wiſſenſchaftliche Genea¬
logie des Begriffs nicht ſo beſtimmt ausdrücken. Die
Ausführung der Sache ſelbſt hat übrigens den Namen
zu rechtfertigen.
Ich habe mich bemühet, den Begriff des Häßlichen
als die Mitte zwiſchen dem des Schönen und dem des
Komiſchen von ſeinen erſten Anfängen bis zu derjenigen
Vollendung zu entwickeln, die er ſich in der Geſtalt
des Sataniſchen gibt. Ich rolle gleichſam den Kosmos
des Häßlichen auf von ſeinen erſten chaotiſchen Nebel¬
flecken, von der Amorphie und Aſymmetrie an, bis
zu ſeinen intenſivſten Formationen in der unendlichen
Mannigfaltigkeit der Desorganiſation des Schönen durch
die Caricatur. Die Formloſigkeit, die Incorrectheit
und die Deformität der Verbildung machen die ver¬
ſchiedenen Stufen dieſer in ſich conſequenten Reihe von
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/12>, abgerufen am 21.11.2024.
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