Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Schönen das Komische nur als relativer Widerspruch ent¬
gegen und daher haben diese Bestimmungen selbst noch wieder
andere als ihren absoluten Widerspruch an sich. Die Krankheit
ist allerdings eine Hemmung und Minderung des Lebens; sie
widerspricht ihm, nämlich sofern das Leben seinem Begriff nach
gesund sein sollte; der absolute Widerspruch der Krankheit ist
daher, im Leben, die Gesundheit. So ist dem Irrthum die ob¬
jective Gewißheit; dem Komischen das Tragische absolut ent¬
gegen, gesetzt. Wegen solcher Unterschiede wird es möglich, auch
solche Bestimmungen mit einander zu contrastiren, die nicht
durch sich selbst, sei es absolut, sei es relativ, mit einander
in Widerspruch stehen, sondern zwischen denen ein Widerspruch
nur hervorgekünstelt und bald als ein absoluter, bald als
ein relativer hingestellt wird. Formell genommen kann das
Absolute mit dem Absoluten, das Absolute mit dem Relativen,
das Relative mit dem Relativen in Widerspruch gerathen.
Reeller Weise werden solche Verhältnisse sich in mannigfaltige
Wendungen einhüllen können.

Es ist hier nicht der Ort, auf diese allgemeinen Be¬
griffe näher einzugehen, welche theils der Metaphysik und
Logik überhaupt, theils der ästhetischen Metaphysik insbe¬
sondere angehören. Wir haben uns ihrer nur insoweit er¬
innern müssen, als nothwendig ist, den falschen Contrast als
den häßlichen vom richtigen als dem schönen zu unterscheiden.
Der falsche Contrast entsteht zunächst dadurch, daß statt des
Gegensatzes, der gesetzt werden sollte, das blos Verschiedene
auftritt; denn dies ist die nur unbestimmte Differenz, die
einer Spannung noch nicht fähig ist. Die bunte Mannig¬
faltigkeit des Verschiedenen kann ästhetisch vollkommen be¬
rechtigt sein; wird sie aber da geboten, wo der Contrast
wirken müßte, so bleibt sie unzureichend. Alle Verschiedenheit,

dem Schönen das Komiſche nur als relativer Widerſpruch ent¬
gegen und daher haben dieſe Beſtimmungen ſelbſt noch wieder
andere als ihren abſoluten Widerſpruch an ſich. Die Krankheit
iſt allerdings eine Hemmung und Minderung des Lebens; ſie
widerſpricht ihm, nämlich ſofern das Leben ſeinem Begriff nach
geſund ſein ſollte; der abſolute Widerſpruch der Krankheit iſt
daher, im Leben, die Geſundheit. So iſt dem Irrthum die ob¬
jective Gewißheit; dem Komiſchen das Tragiſche abſolut ent¬
gegen, geſetzt. Wegen ſolcher Unterſchiede wird es möglich, auch
ſolche Beſtimmungen mit einander zu contraſtiren, die nicht
durch ſich ſelbſt, ſei es abſolut, ſei es relativ, mit einander
in Widerſpruch ſtehen, ſondern zwiſchen denen ein Widerſpruch
nur hervorgekünſtelt und bald als ein abſoluter, bald als
ein relativer hingeſtellt wird. Formell genommen kann das
Abſolute mit dem Abſoluten, das Abſolute mit dem Relativen,
das Relative mit dem Relativen in Widerſpruch gerathen.
Reeller Weiſe werden ſolche Verhältniſſe ſich in mannigfaltige
Wendungen einhüllen können.

Es iſt hier nicht der Ort, auf dieſe allgemeinen Be¬
griffe näher einzugehen, welche theils der Metaphyſik und
Logik überhaupt, theils der äſthetiſchen Metaphyſik insbe¬
ſondere angehören. Wir haben uns ihrer nur inſoweit er¬
innern müſſen, als nothwendig iſt, den falſchen Contraſt als
den häßlichen vom richtigen als dem ſchönen zu unterſcheiden.
Der falſche Contraſt entſteht zunächſt dadurch, daß ſtatt des
Gegenſatzes, der geſetzt werden ſollte, das blos Verſchiedene
auftritt; denn dies iſt die nur unbeſtimmte Differenz, die
einer Spannung noch nicht fähig iſt. Die bunte Mannig¬
faltigkeit des Verſchiedenen kann äſthetiſch vollkommen be¬
rechtigt ſein; wird ſie aber da geboten, wo der Contraſt
wirken müßte, ſo bleibt ſie unzureichend. Alle Verſchiedenheit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="90"/>
dem Schönen das Komi&#x017F;che nur als relativer Wider&#x017F;pruch ent¬<lb/>
gegen und daher haben die&#x017F;e Be&#x017F;timmungen &#x017F;elb&#x017F;t noch wieder<lb/>
andere als ihren ab&#x017F;oluten Wider&#x017F;pruch an &#x017F;ich. Die Krankheit<lb/>
i&#x017F;t allerdings eine Hemmung und Minderung des Lebens; &#x017F;ie<lb/>
wider&#x017F;pricht ihm, nämlich &#x017F;ofern das Leben &#x017F;einem Begriff nach<lb/>
ge&#x017F;und &#x017F;ein &#x017F;ollte; der ab&#x017F;olute Wider&#x017F;pruch der Krankheit i&#x017F;t<lb/>
daher, im Leben, die Ge&#x017F;undheit. So i&#x017F;t dem Irrthum die ob¬<lb/>
jective Gewißheit; dem Komi&#x017F;chen das Tragi&#x017F;che ab&#x017F;olut ent¬<lb/>
gegen, ge&#x017F;etzt. Wegen &#x017F;olcher Unter&#x017F;chiede wird es möglich, auch<lb/>
&#x017F;olche Be&#x017F;timmungen mit einander zu contra&#x017F;tiren, die nicht<lb/>
durch &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ei es ab&#x017F;olut, &#x017F;ei es relativ, mit einander<lb/>
in Wider&#x017F;pruch &#x017F;tehen, &#x017F;ondern zwi&#x017F;chen denen ein Wider&#x017F;pruch<lb/>
nur <hi rendition="#g">hervorgekün&#x017F;telt</hi> und bald als ein ab&#x017F;oluter, bald als<lb/>
ein relativer hinge&#x017F;tellt wird. Formell genommen kann das<lb/>
Ab&#x017F;olute mit dem Ab&#x017F;oluten, das Ab&#x017F;olute mit dem Relativen,<lb/>
das Relative mit dem Relativen in Wider&#x017F;pruch gerathen.<lb/>
Reeller Wei&#x017F;e werden &#x017F;olche Verhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich in mannigfaltige<lb/>
Wendungen einhüllen können.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t hier nicht der Ort, auf die&#x017F;e allgemeinen Be¬<lb/>
griffe näher einzugehen, welche theils der Metaphy&#x017F;ik und<lb/>
Logik überhaupt, theils der ä&#x017F;theti&#x017F;chen Metaphy&#x017F;ik insbe¬<lb/>
&#x017F;ondere angehören. Wir haben uns ihrer nur in&#x017F;oweit er¬<lb/>
innern mü&#x017F;&#x017F;en, als nothwendig i&#x017F;t, den fal&#x017F;chen Contra&#x017F;t als<lb/>
den häßlichen vom richtigen als dem &#x017F;chönen zu unter&#x017F;cheiden.<lb/>
Der fal&#x017F;che Contra&#x017F;t ent&#x017F;teht zunäch&#x017F;t dadurch, daß &#x017F;tatt des<lb/>
Gegen&#x017F;atzes, der ge&#x017F;etzt werden &#x017F;ollte, das blos Ver&#x017F;chiedene<lb/>
auftritt; denn dies i&#x017F;t die nur unbe&#x017F;timmte Differenz, die<lb/>
einer Spannung noch nicht fähig i&#x017F;t. Die bunte Mannig¬<lb/>
faltigkeit des Ver&#x017F;chiedenen kann ä&#x017F;theti&#x017F;ch vollkommen be¬<lb/>
rechtigt &#x017F;ein; wird &#x017F;ie aber da geboten, wo der Contra&#x017F;t<lb/>
wirken müßte, &#x017F;o bleibt &#x017F;ie unzureichend. Alle Ver&#x017F;chiedenheit,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0112] dem Schönen das Komiſche nur als relativer Widerſpruch ent¬ gegen und daher haben dieſe Beſtimmungen ſelbſt noch wieder andere als ihren abſoluten Widerſpruch an ſich. Die Krankheit iſt allerdings eine Hemmung und Minderung des Lebens; ſie widerſpricht ihm, nämlich ſofern das Leben ſeinem Begriff nach geſund ſein ſollte; der abſolute Widerſpruch der Krankheit iſt daher, im Leben, die Geſundheit. So iſt dem Irrthum die ob¬ jective Gewißheit; dem Komiſchen das Tragiſche abſolut ent¬ gegen, geſetzt. Wegen ſolcher Unterſchiede wird es möglich, auch ſolche Beſtimmungen mit einander zu contraſtiren, die nicht durch ſich ſelbſt, ſei es abſolut, ſei es relativ, mit einander in Widerſpruch ſtehen, ſondern zwiſchen denen ein Widerſpruch nur hervorgekünſtelt und bald als ein abſoluter, bald als ein relativer hingeſtellt wird. Formell genommen kann das Abſolute mit dem Abſoluten, das Abſolute mit dem Relativen, das Relative mit dem Relativen in Widerſpruch gerathen. Reeller Weiſe werden ſolche Verhältniſſe ſich in mannigfaltige Wendungen einhüllen können. Es iſt hier nicht der Ort, auf dieſe allgemeinen Be¬ griffe näher einzugehen, welche theils der Metaphyſik und Logik überhaupt, theils der äſthetiſchen Metaphyſik insbe¬ ſondere angehören. Wir haben uns ihrer nur inſoweit er¬ innern müſſen, als nothwendig iſt, den falſchen Contraſt als den häßlichen vom richtigen als dem ſchönen zu unterſcheiden. Der falſche Contraſt entſteht zunächſt dadurch, daß ſtatt des Gegenſatzes, der geſetzt werden ſollte, das blos Verſchiedene auftritt; denn dies iſt die nur unbeſtimmte Differenz, die einer Spannung noch nicht fähig iſt. Die bunte Mannig¬ faltigkeit des Verſchiedenen kann äſthetiſch vollkommen be¬ rechtigt ſein; wird ſie aber da geboten, wo der Contraſt wirken müßte, ſo bleibt ſie unzureichend. Alle Verſchiedenheit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/112
Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/112>, abgerufen am 24.11.2024.