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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853.

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Allee, so die gleichen Dimensionen der gleichartigen Theile
eines Gebäudes, so die Wiederkehr des Refrains im Liede
u. s. w. Solche Regularität ist an sich schön, allein sie
befriedigt erst die Bedürfnisse des abstracten Verstandes und
ist deshalb auf dem Wege, häßlich zu werden, sobald die
ästhetische Gestaltung sich auf sie beschränkt und außer ihr
nichts darbietet, das eine Idee ausdrückte. Sie ermüdet
durch ihre stereotype Gleichheit, die uns den Unterschied
immer in der nämlichen Weise vorführt und wir sehnen uns
aus ihrer Einförmigkeit heraus nach der Freiheit, selbst
wenn sie im Extrem eine chaotische wäre. Tieck hat in der
Einleitung zum Phantasus die Holländische Manier der
Gartenanlage von der Seite her in Schutz genommen, daß
sie mit ihren Heckenwänden, geschorenen Bäumen und Buchs¬
baum eingefriedigten Rabatten für die Conversation Lustwan¬
delnder sehr zweckmäßig sei. Wo die Gesellschaft sich selbst
der Zweck ist, an einem glänzenden Hofe, sind diese breiten
mit weichem Sand bestreueten Wege, diese grünen Mauern,
diese im Paradeschritt aufmarschirenden Bäume, diese grotten¬
artigen Boskette, ganz passend. Wurde diese Manier doch
auch eben von Len o tre unter dem großen Ludwig zur grö߬
ten Vollkommenheit gebracht. Ihn copirten dann die Nach¬
ahmer in Schönbrunn, in Cassel, Schwetzingen u. s. w.
Die Natur soll hier nicht in ihrer freien Naturwüchsigkeit
erscheinen, sie soll vielmehr, der Majestät gegenüber, sich
beschränken und mit gefälliger Dienstbarkeit nur einen luftigen
Salon herstellen, in welchem die seidenen Gewänder, die
goldstarrenden Uniformen einherrauschen. Aber in kleinen
Dimensionen und ohne den Schauplatz hoffestlicher Actionen
abzugeben, überkommt uns zwischen kubischen Hecken und
Bäumen, die von der Scheere zu Kugeln und Pyramiden

Rosenkranz, Aesthetik des Häßlichen. 6

Allee, ſo die gleichen Dimenſionen der gleichartigen Theile
eines Gebäudes, ſo die Wiederkehr des Refrains im Liede
u. ſ. w. Solche Regularität iſt an ſich ſchön, allein ſie
befriedigt erſt die Bedürfniſſe des abſtracten Verſtandes und
iſt deshalb auf dem Wege, häßlich zu werden, ſobald die
äſthetiſche Geſtaltung ſich auf ſie beſchränkt und außer ihr
nichts darbietet, das eine Idee ausdrückte. Sie ermüdet
durch ihre ſtereotype Gleichheit, die uns den Unterſchied
immer in der nämlichen Weiſe vorführt und wir ſehnen uns
aus ihrer Einförmigkeit heraus nach der Freiheit, ſelbſt
wenn ſie im Extrem eine chaotiſche wäre. Tieck hat in der
Einleitung zum Phantaſus die Holländiſche Manier der
Gartenanlage von der Seite her in Schutz genommen, daß
ſie mit ihren Heckenwänden, geſchorenen Bäumen und Buchs¬
baum eingefriedigten Rabatten für die Converſation Luſtwan¬
delnder ſehr zweckmäßig ſei. Wo die Geſellſchaft ſich ſelbſt
der Zweck iſt, an einem glänzenden Hofe, ſind dieſe breiten
mit weichem Sand beſtreueten Wege, dieſe grünen Mauern,
dieſe im Paradeſchritt aufmarſchirenden Bäume, dieſe grotten¬
artigen Boskette, ganz paſſend. Wurde dieſe Manier doch
auch eben von Len ô tre unter dem großen Ludwig zur grö߬
ten Vollkommenheit gebracht. Ihn copirten dann die Nach¬
ahmer in Schönbrunn, in Caſſel, Schwetzingen u. ſ. w.
Die Natur ſoll hier nicht in ihrer freien Naturwüchſigkeit
erſcheinen, ſie ſoll vielmehr, der Majeſtät gegenüber, ſich
beſchränken und mit gefälliger Dienſtbarkeit nur einen luftigen
Salon herſtellen, in welchem die ſeidenen Gewänder, die
goldſtarrenden Uniformen einherrauſchen. Aber in kleinen
Dimenſionen und ohne den Schauplatz hoffeſtlicher Actionen
abzugeben, überkommt uns zwiſchen kubiſchen Hecken und
Bäumen, die von der Scheere zu Kugeln und Pyramiden

Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 6
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[81/0103] Allee, ſo die gleichen Dimenſionen der gleichartigen Theile eines Gebäudes, ſo die Wiederkehr des Refrains im Liede u. ſ. w. Solche Regularität iſt an ſich ſchön, allein ſie befriedigt erſt die Bedürfniſſe des abſtracten Verſtandes und iſt deshalb auf dem Wege, häßlich zu werden, ſobald die äſthetiſche Geſtaltung ſich auf ſie beſchränkt und außer ihr nichts darbietet, das eine Idee ausdrückte. Sie ermüdet durch ihre ſtereotype Gleichheit, die uns den Unterſchied immer in der nämlichen Weiſe vorführt und wir ſehnen uns aus ihrer Einförmigkeit heraus nach der Freiheit, ſelbſt wenn ſie im Extrem eine chaotiſche wäre. Tieck hat in der Einleitung zum Phantaſus die Holländiſche Manier der Gartenanlage von der Seite her in Schutz genommen, daß ſie mit ihren Heckenwänden, geſchorenen Bäumen und Buchs¬ baum eingefriedigten Rabatten für die Converſation Luſtwan¬ delnder ſehr zweckmäßig ſei. Wo die Geſellſchaft ſich ſelbſt der Zweck iſt, an einem glänzenden Hofe, ſind dieſe breiten mit weichem Sand beſtreueten Wege, dieſe grünen Mauern, dieſe im Paradeſchritt aufmarſchirenden Bäume, dieſe grotten¬ artigen Boskette, ganz paſſend. Wurde dieſe Manier doch auch eben von Len ô tre unter dem großen Ludwig zur grö߬ ten Vollkommenheit gebracht. Ihn copirten dann die Nach¬ ahmer in Schönbrunn, in Caſſel, Schwetzingen u. ſ. w. Die Natur ſoll hier nicht in ihrer freien Naturwüchſigkeit erſcheinen, ſie ſoll vielmehr, der Majeſtät gegenüber, ſich beſchränken und mit gefälliger Dienſtbarkeit nur einen luftigen Salon herſtellen, in welchem die ſeidenen Gewänder, die goldſtarrenden Uniformen einherrauſchen. Aber in kleinen Dimenſionen und ohne den Schauplatz hoffeſtlicher Actionen abzugeben, überkommt uns zwiſchen kubiſchen Hecken und Bäumen, die von der Scheere zu Kugeln und Pyramiden Roſenkranz, Aeſthetik des Häßlichen. 6

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Zitationshilfe: Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/103>, abgerufen am 27.11.2024.