selbander den Almen zu. Die Kühe tragen klin- gende Schellen, die Kalben und Stiere tragen grünende Kränze, schier, wie am Gottleichnamstag die Knaben und Mädchen.
Bei dem Auftriebe zur Alm, wenn junge Leute und Rinder mitsammen wandern, geht das Bekränzen ohn' Aergerniß ab; wenn aber nach vielen Flitterwochen auf lichten Höhen die Rinder zum Spätherbst wieder mit frischen Kränzen zurück in's Thal kommen, so trägt nicht immer auch die Sennin den grünen Zweig noch im Haar. Auf der Alm gibt es viel Sonne und wenig Schatten, und das frische Wasser muß der Almbub weiten Weges herbeischleppen -- da verdorrt bigott nichts leichter, als so ein zart Sträußlein im Lockenhaar.
Zur lieben Sommerszeit ist es da oben gut sein. So sind sie denn gut und froh, und ich -- wahrhaftig und bei meiner Treu, ich bin's mit ihnen. Gram und Herzweh sind wie Glashauspflan- zen, die wollen in der frischen Alpenluft nicht ge- deihen. Gar der Alte, der sonst brumbeißige Ochsen- halter, der seine schwerfällige Schaar auf den Almen weidet, hat ein lustig Pfeiflein bei sich, das trotz der heisergewordenen Lunge des Alten noch recht- schaffen hell mag jauchzen. Allerweil singen und blasen, sonst wird er mager, der arme, einsame Narr, und das Oechslein nicht fett.
ſelbander den Almen zu. Die Kühe tragen klin- gende Schellen, die Kalben und Stiere tragen grünende Kränze, ſchier, wie am Gottleichnamstag die Knaben und Mädchen.
Bei dem Auftriebe zur Alm, wenn junge Leute und Rinder mitſammen wandern, geht das Bekränzen ohn’ Aergerniß ab; wenn aber nach vielen Flitterwochen auf lichten Höhen die Rinder zum Spätherbſt wieder mit friſchen Kränzen zurück in’s Thal kommen, ſo trägt nicht immer auch die Sennin den grünen Zweig noch im Haar. Auf der Alm gibt es viel Sonne und wenig Schatten, und das friſche Waſſer muß der Almbub weiten Weges herbeiſchleppen — da verdorrt bigott nichts leichter, als ſo ein zart Sträußlein im Lockenhaar.
Zur lieben Sommerszeit iſt es da oben gut ſein. So ſind ſie denn gut und froh, und ich — wahrhaftig und bei meiner Treu, ich bin’s mit ihnen. Gram und Herzweh ſind wie Glashauspflan- zen, die wollen in der friſchen Alpenluft nicht ge- deihen. Gar der Alte, der ſonſt brumbeißige Ochſen- halter, der ſeine ſchwerfällige Schaar auf den Almen weidet, hat ein luſtig Pfeiflein bei ſich, das trotz der heiſergewordenen Lunge des Alten noch recht- ſchaffen hell mag jauchzen. Allerweil ſingen und blaſen, ſonſt wird er mager, der arme, einſame Narr, und das Oechslein nicht fett.
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ſelbander den Almen zu. Die Kühe tragen klin-
gende Schellen, die Kalben und Stiere tragen
grünende Kränze, ſchier, wie am Gottleichnamstag
die Knaben und Mädchen.
Bei dem Auftriebe zur Alm, wenn junge
Leute und Rinder mitſammen wandern, geht das
Bekränzen ohn’ Aergerniß ab; wenn aber nach
vielen Flitterwochen auf lichten Höhen die Rinder
zum Spätherbſt wieder mit friſchen Kränzen zurück
in’s Thal kommen, ſo trägt nicht immer auch die
Sennin den grünen Zweig noch im Haar. Auf der
Alm gibt es viel Sonne und wenig Schatten, und
das friſche Waſſer muß der Almbub weiten Weges
herbeiſchleppen — da verdorrt bigott nichts leichter,
als ſo ein zart Sträußlein im Lockenhaar.
Zur lieben Sommerszeit iſt es da oben gut
ſein. So ſind ſie denn gut und froh, und ich —
wahrhaftig und bei meiner Treu, ich bin’s mit
ihnen. Gram und Herzweh ſind wie Glashauspflan-
zen, die wollen in der friſchen Alpenluft nicht ge-
deihen. Gar der Alte, der ſonſt brumbeißige Ochſen-
halter, der ſeine ſchwerfällige Schaar auf den Almen
weidet, hat ein luſtig Pfeiflein bei ſich, das trotz
der heiſergewordenen Lunge des Alten noch recht-
ſchaffen hell mag jauchzen. Allerweil ſingen und
blaſen, ſonſt wird er mager, der arme, einſame
Narr, und das Oechslein nicht fett.
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/96>, abgerufen am 23.11.2024.
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