lange still und emsig gearbeitet; ein Schleier, wie kostbarer keiner geflochten wird auf Erden, ist des strahlenden Käfers Leichenkleid geworden.
Die Vöglein im Geäste wollen auch ihr Kunstwerk stellen; sie flechten, wo das Reisig am dichtesten ist, aus Halmen und Zweigen ein Wie- genkörbchen für ihre liebe Jugend. Und wenn ihnen die Sonne just recht am Himmel steht, so singen und jauchzen sie bei ihrer Arbeit, daß es in allen Nadeln und Bäumen wiederklingt, sonst aber hocken sie im Nest und schnäbeln und legen die zarten, buntstreifigen Eier.
Ob es denn wahr ist, daß sich derselbe eine rothe Faden fortspinnt durch alle Geschlechter des Menschen- und Thierreiches bis hinab zum aller- kleinsten Wesen; ob denn Alles nach dem einen und selben Gesetze geht, was der König Salomon gethan auf seinem goldenen Throne, und was die träge sich wälzende Raupe thut unter dem Stein? Das möcht' ich wol wissen.
Husch, dort hüpft ein Reh und ein Hase, bricht sich der gekrönte Hirsch Bahn durch das Gestrüppe. Jeglicher Strauch thut auch so geheim- nißvoll, als ob er hundert Leben und Waldgeister in sich verberge. -- Jetztund höre ich das Läuten der Hummel. Wenn in diesen Wäldern einmal eine Kirche gebaut würde und eine Glocke auf den
lange ſtill und emſig gearbeitet; ein Schleier, wie koſtbarer keiner geflochten wird auf Erden, iſt des ſtrahlenden Käfers Leichenkleid geworden.
Die Vöglein im Geäſte wollen auch ihr Kunſtwerk ſtellen; ſie flechten, wo das Reiſig am dichteſten iſt, aus Halmen und Zweigen ein Wie- genkörbchen für ihre liebe Jugend. Und wenn ihnen die Sonne juſt recht am Himmel ſteht, ſo ſingen und jauchzen ſie bei ihrer Arbeit, daß es in allen Nadeln und Bäumen wiederklingt, ſonſt aber hocken ſie im Neſt und ſchnäbeln und legen die zarten, buntſtreifigen Eier.
Ob es denn wahr iſt, daß ſich derſelbe eine rothe Faden fortſpinnt durch alle Geſchlechter des Menſchen- und Thierreiches bis hinab zum aller- kleinſten Weſen; ob denn Alles nach dem einen und ſelben Geſetze geht, was der König Salomon gethan auf ſeinem goldenen Throne, und was die träge ſich wälzende Raupe thut unter dem Stein? Das möcht’ ich wol wiſſen.
Huſch, dort hüpft ein Reh und ein Haſe, bricht ſich der gekrönte Hirſch Bahn durch das Geſtrüppe. Jeglicher Strauch thut auch ſo geheim- nißvoll, als ob er hundert Leben und Waldgeiſter in ſich verberge. — Jetztund höre ich das Läuten der Hummel. Wenn in dieſen Wäldern einmal eine Kirche gebaut würde und eine Glocke auf den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0090"n="80"/>
lange ſtill und emſig gearbeitet; ein Schleier, wie<lb/>
koſtbarer keiner geflochten wird auf Erden, iſt des<lb/>ſtrahlenden Käfers Leichenkleid geworden.</p><lb/><p>Die Vöglein im Geäſte wollen auch ihr<lb/>
Kunſtwerk ſtellen; ſie flechten, wo das Reiſig am<lb/>
dichteſten iſt, aus Halmen und Zweigen ein Wie-<lb/>
genkörbchen für ihre liebe Jugend. Und wenn ihnen<lb/>
die Sonne juſt recht am Himmel ſteht, ſo ſingen<lb/>
und jauchzen ſie bei ihrer Arbeit, daß es in allen<lb/>
Nadeln und Bäumen wiederklingt, ſonſt aber hocken<lb/>ſie im Neſt und ſchnäbeln und legen die zarten,<lb/>
buntſtreifigen Eier.</p><lb/><p>Ob es denn wahr iſt, daß ſich derſelbe eine<lb/>
rothe Faden fortſpinnt durch alle Geſchlechter des<lb/>
Menſchen- und Thierreiches bis hinab zum aller-<lb/>
kleinſten Weſen; ob denn Alles nach dem einen<lb/>
und ſelben Geſetze geht, was der König Salomon<lb/>
gethan auf ſeinem goldenen Throne, und was die<lb/>
träge ſich wälzende Raupe thut unter dem Stein?<lb/>
Das möcht’ ich wol wiſſen.</p><lb/><p>Huſch, dort hüpft ein Reh und ein Haſe,<lb/>
bricht ſich der gekrönte Hirſch Bahn durch das<lb/>
Geſtrüppe. Jeglicher Strauch thut auch ſo geheim-<lb/>
nißvoll, als ob er hundert Leben und Waldgeiſter<lb/>
in ſich verberge. — Jetztund höre ich das Läuten<lb/>
der Hummel. Wenn in dieſen Wäldern einmal eine<lb/>
Kirche gebaut würde und eine Glocke auf den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[80/0090]
lange ſtill und emſig gearbeitet; ein Schleier, wie
koſtbarer keiner geflochten wird auf Erden, iſt des
ſtrahlenden Käfers Leichenkleid geworden.
Die Vöglein im Geäſte wollen auch ihr
Kunſtwerk ſtellen; ſie flechten, wo das Reiſig am
dichteſten iſt, aus Halmen und Zweigen ein Wie-
genkörbchen für ihre liebe Jugend. Und wenn ihnen
die Sonne juſt recht am Himmel ſteht, ſo ſingen
und jauchzen ſie bei ihrer Arbeit, daß es in allen
Nadeln und Bäumen wiederklingt, ſonſt aber hocken
ſie im Neſt und ſchnäbeln und legen die zarten,
buntſtreifigen Eier.
Ob es denn wahr iſt, daß ſich derſelbe eine
rothe Faden fortſpinnt durch alle Geſchlechter des
Menſchen- und Thierreiches bis hinab zum aller-
kleinſten Weſen; ob denn Alles nach dem einen
und ſelben Geſetze geht, was der König Salomon
gethan auf ſeinem goldenen Throne, und was die
träge ſich wälzende Raupe thut unter dem Stein?
Das möcht’ ich wol wiſſen.
Huſch, dort hüpft ein Reh und ein Haſe,
bricht ſich der gekrönte Hirſch Bahn durch das
Geſtrüppe. Jeglicher Strauch thut auch ſo geheim-
nißvoll, als ob er hundert Leben und Waldgeiſter
in ſich verberge. — Jetztund höre ich das Läuten
der Hummel. Wenn in dieſen Wäldern einmal eine
Kirche gebaut würde und eine Glocke auf den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/90>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.