nem Aussehen und Vorhaben empfunden hätte; habe sie nicht mehr besucht. Nun bläst das Post- horn. Lebe wohl, du schöne Stadt!
Schon drei Tage auf der Reise. Das ist doch ein freundlicheres Wandern, wie jenes auf den Wintersteppen.
Vorgestern hat liebliches Hügelland mit ma- lerischen Gebirgsgegenden gewechselt. Gestern sind wir in ein breites freundliches Thal gekommen. Heute geht es fort Berg auf und ab, durch grüne Wälder und finstere Schluchten und an Felswänden hin. Jetzt wird die Straße allweg schmaler und holperiger; zuweilen müssen wir aus dem Wagen steigen und niedergebrochene Steinblöcke beseitigen, daß wir weiter fahren können. Gemsen und Rehe sehen wir mehr, als Menschen. Die heutige Nacht- herberge habe ich schuldig bleiben müssen. Die Geldnoten, die ich bei mir habe, können die Leute dieser Gegenden nicht wechseln. Ich hätte dem Wirth ein Pfand gelassen, aber er hat gemeint, wenn es sei, wie ich sage, daß ich in die Wälder der Winkelwässer gehe und alldorten verbleibe, so würde sich wol einmal eine Gelegenheit bieten, ihm den geringen Betrag zuzuschicken. Es käme zu Zei- ten ein Bote aus jenen Waldungen gegangen, der
nem Ausſehen und Vorhaben empfunden hätte; habe ſie nicht mehr beſucht. Nun bläſt das Poſt- horn. Lebe wohl, du ſchöne Stadt!
Schon drei Tage auf der Reiſe. Das iſt doch ein freundlicheres Wandern, wie jenes auf den Winterſteppen.
Vorgeſtern hat liebliches Hügelland mit ma- leriſchen Gebirgsgegenden gewechſelt. Geſtern ſind wir in ein breites freundliches Thal gekommen. Heute geht es fort Berg auf und ab, durch grüne Wälder und finſtere Schluchten und an Felswänden hin. Jetzt wird die Straße allweg ſchmaler und holperiger; zuweilen müſſen wir aus dem Wagen ſteigen und niedergebrochene Steinblöcke beſeitigen, daß wir weiter fahren können. Gemſen und Rehe ſehen wir mehr, als Menſchen. Die heutige Nacht- herberge habe ich ſchuldig bleiben müſſen. Die Geldnoten, die ich bei mir habe, können die Leute dieſer Gegenden nicht wechſeln. Ich hätte dem Wirth ein Pfand gelaſſen, aber er hat gemeint, wenn es ſei, wie ich ſage, daß ich in die Wälder der Winkelwäſſer gehe und alldorten verbleibe, ſo würde ſich wol einmal eine Gelegenheit bieten, ihm den geringen Betrag zuzuſchicken. Es käme zu Zei- ten ein Bote aus jenen Waldungen gegangen, der
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nem Ausſehen und Vorhaben empfunden hätte;
habe ſie nicht mehr beſucht. Nun bläſt das Poſt-
horn. Lebe wohl, du ſchöne Stadt!
Schon drei Tage auf der Reiſe. Das iſt doch
ein freundlicheres Wandern, wie jenes auf den
Winterſteppen.
Vorgeſtern hat liebliches Hügelland mit ma-
leriſchen Gebirgsgegenden gewechſelt. Geſtern ſind
wir in ein breites freundliches Thal gekommen.
Heute geht es fort Berg auf und ab, durch grüne
Wälder und finſtere Schluchten und an Felswänden
hin. Jetzt wird die Straße allweg ſchmaler und
holperiger; zuweilen müſſen wir aus dem Wagen
ſteigen und niedergebrochene Steinblöcke beſeitigen,
daß wir weiter fahren können. Gemſen und Rehe
ſehen wir mehr, als Menſchen. Die heutige Nacht-
herberge habe ich ſchuldig bleiben müſſen. Die
Geldnoten, die ich bei mir habe, können die Leute
dieſer Gegenden nicht wechſeln. Ich hätte dem
Wirth ein Pfand gelaſſen, aber er hat gemeint,
wenn es ſei, wie ich ſage, daß ich in die Wälder
der Winkelwäſſer gehe und alldorten verbleibe, ſo
würde ſich wol einmal eine Gelegenheit bieten, ihm
den geringen Betrag zuzuſchicken. Es käme zu Zei-
ten ein Bote aus jenen Waldungen gegangen, der
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/76>, abgerufen am 27.11.2024.
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