nicht ganz todt; es sind zuweilen aus der Asche noch Funken gestoben.
"Wir haben den Winter vor der Thür," redet der Herr weiter, "Sie bleiben den Winter über in meinem Hause und pflegen reiflicher Ueber- legung, und wenn wieder der Sommer kommt, und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, so gehen Sie in die Wälder."
So oft ich im Vorzimmer ein Kleid hab' rauschen gehört, bin ich erschrocken, und letztlich hab' ich den Herrn gebeten, er möge mich über den Winter ziehen lassen; mit den Schwalben würde ich wieder kommen und seinen Vorschlag annehmen.
Er hat sich's nicht nehmen lassen, mir die "Mittel" für den Winter zu spenden; dann aber bin ich geflohen. Im Vorsaale ist eine Frauen- gestalt gestanden, an der bin ich vorübergehuscht, wie ein Wicht.
Einen Tag bin ich gewandert bis in's Wald- land an den See, wo meine Kindheit und meine Mutter begraben liegt. Und hier im Ort hab' ich mir für den Winter ein Stübchen gemiethet. Oft- mals steige ich die Schneelehnen hinan, und stehe unter bemoosten Bäumen, wo es mir ist, als sei ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater gestanden; oftmals gehe ich über den gefrornen
nicht ganz todt; es ſind zuweilen aus der Aſche noch Funken geſtoben.
„Wir haben den Winter vor der Thür,“ redet der Herr weiter, „Sie bleiben den Winter über in meinem Hauſe und pflegen reiflicher Ueber- legung, und wenn wieder der Sommer kommt, und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, ſo gehen Sie in die Wälder.“
So oft ich im Vorzimmer ein Kleid hab’ rauſchen gehört, bin ich erſchrocken, und letztlich hab’ ich den Herrn gebeten, er möge mich über den Winter ziehen laſſen; mit den Schwalben würde ich wieder kommen und ſeinen Vorſchlag annehmen.
Er hat ſich’s nicht nehmen laſſen, mir die „Mittel“ für den Winter zu ſpenden; dann aber bin ich geflohen. Im Vorſaale iſt eine Frauen- geſtalt geſtanden, an der bin ich vorübergehuſcht, wie ein Wicht.
Einen Tag bin ich gewandert bis in’s Wald- land an den See, wo meine Kindheit und meine Mutter begraben liegt. Und hier im Ort hab’ ich mir für den Winter ein Stübchen gemiethet. Oft- mals ſteige ich die Schneelehnen hinan, und ſtehe unter bemooſten Bäumen, wo es mir iſt, als ſei ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater geſtanden; oftmals gehe ich über den gefrornen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0073"n="63"/>
nicht ganz todt; es ſind zuweilen aus der Aſche<lb/>
noch Funken geſtoben.</p><lb/><p>„Wir haben den Winter vor der Thür,“<lb/>
redet der Herr weiter, „Sie bleiben den Winter<lb/>
über in meinem Hauſe und pflegen reiflicher Ueber-<lb/>
legung, und wenn wieder der Sommer kommt,<lb/>
und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, ſo gehen<lb/>
Sie in die Wälder.“</p><lb/><p>So oft ich im Vorzimmer ein Kleid hab’<lb/>
rauſchen gehört, bin ich erſchrocken, und letztlich<lb/>
hab’ ich den Herrn gebeten, er möge mich über<lb/>
den Winter ziehen laſſen; mit den Schwalben<lb/>
würde ich wieder kommen und ſeinen Vorſchlag<lb/>
annehmen.</p><lb/><p>Er hat ſich’s nicht nehmen laſſen, mir die<lb/>„Mittel“ für den Winter zu ſpenden; dann aber<lb/>
bin ich geflohen. Im Vorſaale iſt eine Frauen-<lb/>
geſtalt geſtanden, an der bin ich vorübergehuſcht,<lb/>
wie ein Wicht.</p><lb/><p>Einen Tag bin ich gewandert bis in’s Wald-<lb/>
land an den See, wo meine Kindheit und meine<lb/>
Mutter begraben liegt. Und hier im Ort hab’ ich<lb/>
mir für den Winter ein Stübchen gemiethet. Oft-<lb/>
mals ſteige ich die Schneelehnen hinan, und ſtehe<lb/>
unter bemooſten Bäumen, wo es mir iſt, als ſei<lb/>
ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater<lb/>
geſtanden; oftmals gehe ich über den gefrornen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0073]
nicht ganz todt; es ſind zuweilen aus der Aſche
noch Funken geſtoben.
„Wir haben den Winter vor der Thür,“
redet der Herr weiter, „Sie bleiben den Winter
über in meinem Hauſe und pflegen reiflicher Ueber-
legung, und wenn wieder der Sommer kommt,
und es gefällt Ihnen mein Antrag noch, ſo gehen
Sie in die Wälder.“
So oft ich im Vorzimmer ein Kleid hab’
rauſchen gehört, bin ich erſchrocken, und letztlich
hab’ ich den Herrn gebeten, er möge mich über
den Winter ziehen laſſen; mit den Schwalben
würde ich wieder kommen und ſeinen Vorſchlag
annehmen.
Er hat ſich’s nicht nehmen laſſen, mir die
„Mittel“ für den Winter zu ſpenden; dann aber
bin ich geflohen. Im Vorſaale iſt eine Frauen-
geſtalt geſtanden, an der bin ich vorübergehuſcht,
wie ein Wicht.
Einen Tag bin ich gewandert bis in’s Wald-
land an den See, wo meine Kindheit und meine
Mutter begraben liegt. Und hier im Ort hab’ ich
mir für den Winter ein Stübchen gemiethet. Oft-
mals ſteige ich die Schneelehnen hinan, und ſtehe
unter bemooſten Bäumen, wo es mir iſt, als ſei
ich einmal mit meiner Mutter, mit meinem Vater
geſtanden; oftmals gehe ich über den gefrornen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/73>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.