verlassen und aller Ehre beraubt, liegt Einer, zu todte gehetzt, nicht das einzige Opfer, das seine Befreiung im Tode gesucht . . . ."
Ich mag noch einige Worte gesagt haben; dann aber nahen sie und führen mich lächelnd vom Redestuhl herab. "Der Erdmann ist verwirrt," sagt einer der Lehrer, "nicht deutsch, sondern lateinisch soll er sprechen. Demnächst wird Er's besser machen."
Bin nach Hause getaumelt wie ein Narr. Heinrich, der Tuchmacherssohn, mein Tisch- und Schulgenosse eilt mir nach: "Andreas, was hast du gethan? was hast du geredet?"
"Zu wenig, viel zu wenig," sage ich.
"Das wird dich verderben, Andreas; kehre sogleich um und leiste den Herren Abbitte."
Da lache ich dem Freunde in das Gesicht. Er faßt mich jedoch tiefbewegt an der Hand und sagt: "Wahr ist es, bei Gott, was du gesprochen. Wir empfinden es Alle, aber just deswegen werden dir die Herren das Wort nimmer verzeihen."
"Das sollen sie auch nicht," entgegne ich in meinem Stolze.
Heinrich schweigt eine Weile und geht neben mir her. Endlich sagt er: "Ein wenig klüger mußt du werden, Andreas; und jetzt geh' und fasse dich."
Meine Hand zittert, da sie das schreibt; es ist aber Alles schon vorbei.
verlaſſen und aller Ehre beraubt, liegt Einer, zu todte gehetzt, nicht das einzige Opfer, das ſeine Befreiung im Tode geſucht . . . .“
Ich mag noch einige Worte geſagt haben; dann aber nahen ſie und führen mich lächelnd vom Redeſtuhl herab. „Der Erdmann iſt verwirrt,“ ſagt einer der Lehrer, „nicht deutſch, ſondern lateiniſch ſoll er ſprechen. Demnächſt wird Er’s beſſer machen.“
Bin nach Hauſe getaumelt wie ein Narr. Heinrich, der Tuchmachersſohn, mein Tiſch- und Schulgenoſſe eilt mir nach: „Andreas, was haſt du gethan? was haſt du geredet?“
„Zu wenig, viel zu wenig,“ ſage ich.
„Das wird dich verderben, Andreas; kehre ſogleich um und leiſte den Herren Abbitte.“
Da lache ich dem Freunde in das Geſicht. Er faßt mich jedoch tiefbewegt an der Hand und ſagt: „Wahr iſt es, bei Gott, was du geſprochen. Wir empfinden es Alle, aber juſt deswegen werden dir die Herren das Wort nimmer verzeihen.“
„Das ſollen ſie auch nicht,“ entgegne ich in meinem Stolze.
Heinrich ſchweigt eine Weile und geht neben mir her. Endlich ſagt er: „Ein wenig klüger mußt du werden, Andreas; und jetzt geh’ und faſſe dich.“
Meine Hand zittert, da ſie das ſchreibt; es iſt aber Alles ſchon vorbei.
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[44/0054]
verlaſſen und aller Ehre beraubt, liegt Einer, zu
todte gehetzt, nicht das einzige Opfer, das ſeine
Befreiung im Tode geſucht . . . .“
Ich mag noch einige Worte geſagt haben;
dann aber nahen ſie und führen mich lächelnd vom
Redeſtuhl herab. „Der Erdmann iſt verwirrt,“ ſagt
einer der Lehrer, „nicht deutſch, ſondern lateiniſch
ſoll er ſprechen. Demnächſt wird Er’s beſſer machen.“
Bin nach Hauſe getaumelt wie ein Narr.
Heinrich, der Tuchmachersſohn, mein Tiſch- und
Schulgenoſſe eilt mir nach: „Andreas, was haſt
du gethan? was haſt du geredet?“
„Zu wenig, viel zu wenig,“ ſage ich.
„Das wird dich verderben, Andreas; kehre
ſogleich um und leiſte den Herren Abbitte.“
Da lache ich dem Freunde in das Geſicht.
Er faßt mich jedoch tiefbewegt an der Hand und
ſagt: „Wahr iſt es, bei Gott, was du geſprochen.
Wir empfinden es Alle, aber juſt deswegen werden
dir die Herren das Wort nimmer verzeihen.“
„Das ſollen ſie auch nicht,“ entgegne ich in
meinem Stolze.
Heinrich ſchweigt eine Weile und geht neben
mir her. Endlich ſagt er: „Ein wenig klüger mußt
du werden, Andreas; und jetzt geh’ und faſſe dich.“
Meine Hand zittert, da ſie das ſchreibt; es
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/54>, abgerufen am 23.11.2024.
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